Mobile Schlachteinheit Neckar-Odenwald

Tiere können in vertrauter Umgebung getötet werden

Sieben Rinderhalter gehen damit neue Wege der regionalen Fleischvermarktung.

27.12.2022 UPDATE: 27.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden
Das Interesse an der mobilen Schlachteinheit, die als Anhänger im Hof der Familie Kaiser in Balsbach stand, war groß. Mit dieser ist es möglich, den Schlachttieren ihr Lebensende so wenig belastet wie möglich zu machen. Foto: Ursula Brinkmann

Von Ursula Brinkmann

Balsbach. Tierwohl, insbesondere die Schlachtung der Tiere, hat in Baden-Württemberg zuletzt eher negative Schlagzeilen geliefert. In Balsbach wurde nun ein Projekt aus der Taufe gehoben, das dem entgegenwirken will: die "kLasSE Fleisch GbR" will mehr Tierwohl bei der Schlachtung erreichen, indem die Rinder in ihrer vertrauten Umgebung getötet werden, anschließend dort ausbluten und dann mit einer mobilen Schlachteinheit zum Metzger gefahren werden.

Die Vermarktung des Fleisches übernehmen die sieben in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Landwirte wiederum selbst. Einer von ihnen ist Torsten Kaiser, auf dessen Hof die Initiative der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald vorgestellt wurde.

Die Herde von Familie Kaiser ist klein, 16 schottische Hochlandrinder, Fleckvieh und Limousin-Tiere sind vom Frühjahr bis zum Herbst auf der Weide und werden nach Bioland-Maßstäben gemästet. "Bisher mussten wir ein Schlachttier lebend zum Metzger fahren", sagt Thorsten Kaiser. "Das bereitet den Rindern Stress und wirkt sich zudem nicht gut auf die Fleischqualität aus."

Mithilfe der von der GbR angeschafften mobilen Schlachteinheit kann das Tier nun dort getötet werden, wo es sein ganzes Leben verbracht hat. Das Instrument dazu ist ein zweiachsiger Anhänger, in dessen Innerem das Rind auf einer Art Bahre zur Weiterverarbeitung transportiert wird – nach, und das ist ganz wichtig, EU-Zulassung.

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Agraringenieurin Lea Trampenau aus Lüneburg hat den Trailer entwickelt und am Tag vor der Projektvorstellung eigenhändig in den Odenwald gesteuert. Bis ins Detail erklärte sie einer Vielzahl von Gästen die technischen und wirtschaftlichen Aspekte dieser Schlachtmethode, die ihren Ursprung in einem ethischen Handeln haben.

Rund 15.000 Euro kostet der Anhänger. 40 Prozent der Kosten werden gefördert. So und weil das alles ja EU-rechtlich korrekt sein muss, kommen die Biomusterregion Neckar-Odenwald, das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, der Maschinenring Odenwald-Bauland, die Fachdienste Veterinärwesen sowie Landwirtschaft des Landratsamtes und der Bauernverband ins Spiel.

Vertreter der genannten Institutionen zeigten mit ihrer Gegenwart an der Futterkrippe des Kaiser’schen Hofs, welche Bedeutung der "kLasSE Fleisch"-Idee beigemessen wird.

Es zeigte zudem, dass es von der Idee bis zur Umsetzung ein weiter Weg gewesen war. "Hinter allen Beteiligten liegt die beachtliche Wegstrecke von mehr als zweieinhalb Jahren", wusste Landrat Achim Brötel zu berichten. Landwirtschaftsminister Peter Hauk kennt den Kampf in Brüssel: "Nach fünf Jahren haben wir endlich erreicht, dass Schlachtmobile genehmigt werden."

Die EU-Hygieneverordnung für Lebensmittel tierischen Ursprungs sah einst vor, dass Tiere lebend in einen EU-zugelassenen Schlachthof verbracht werden müssen. "Nicht zuletzt aufgrund einer Initiative des Landes Baden-Württemberg", fügte Brötel an, "konnten diese Hürden 2021 genommen werden."

Ein paar Ebenen tiefer konnten die Beteiligten des Projekts auf die Unterstützung und Erfahrung der Bioregion-Beiräte Frank Fellmann und Bürgermeister Bernhard Knörzer vertrauen; beide sind Rinderhalter und Gründungsmitglieder, "Triebfedern" der kLasSE-Fleisch-GbR.

Weiter gings ab Sommer 2022 für die Regionalmanagerin der hiesigen Biomusterregion, Ruth Weniger, damit, alle 300 Rinderhalter für das Thema zu interessieren und zu sensibilisieren und der GbR ein Gesicht zu geben.

Weniger ist der Name in der auffälligen Schreibweise zu verdanken, der sich aus den Anfangsbuchstaben des Slogans "Kein Lebendtiertransport – aus stressfreier Schlachtung – Extraqualität" ergibt.

Sie freute sich, in Balsbach auch die zu begrüßen, für die Regionalität buchstäblich naheliegend ist, den Bürgermeister der Gesamtgemeinde Limbach, Thorsten Weber, den Ortsvorsteher von Balsbach, Andreas Ebert, sowie Andreas Scholl von der Landmetzgerei Rausch aus Krumbach. Dies zeigte einmal mehr, dass viele sich lange eingesetzt haben, um der Idee zur Realisation zu verhelfen.

Weber buchstabierte "klasse" so: "Gerade die aktuellen und hinter uns liegenden Krisen zeigen uns ja sehr deutlich, wie wichtig regionale Wertschöpfung von Bio-Lebensmitteln ist." Auch für Bürgermeister Thomas Ludwig als Vertreter der Städte und Gemeinden des Neckar-Odenwald-Kreises sind "regional und Bio Schwestern".

Minister Peter Hauk sparte nicht mit Lob für die Initiative – "Näher und besser geht’s nicht" – machte aber zugleich deutlich, dass er diese Form der Schlachtung nicht in Konkurrenz zu regionalen Schlachthöfen oder Schlachthöfen generell sehe. "Der Lebensmittelhandel bezieht 80 Prozent seines Fleisches daher."

Näher gehts nicht: Nach diesem Motto luden die kLaSse-Rinderhalter anschließend im Stall zum Imbiss mit Bio-Leckereien aus heimischer Produktion. An der Krippe direkt nebenan wühlten Kaisers Hochlandrinder mit ihrem wuscheligen Fell und den imposanten Hörnern sehr lebendig im Heu.

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