TSG Hoffenheim

Alle sind unzufrieden mit der Situation

Nach dem 1:2 gegen Mainz spricht Hoffenheims Trainer Hoeneß von der "schlechtesten Saisonleistung". Wohin soll die Reise jetzt gehen?

22.03.2021 UPDATE: 23.03.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden
Bewahren Ruhe: Die TSG-Verantwortlichen um Sportdirektor Alexander Rosen (links) und Geschäftsführer Frank Briel. Foto: imago

Von Nikolas Beck

Heidelberg. Manchmal hilft ein Blick auf die Uhr. Die Dauer der Pressekonferenz am Sonntagnachmittag war bezeichnend. Bo Svensson, der Mainzer Cheftrainer, befand sich in Plauderlaune. Zehn Minuten lang beantwortete der Däne sämtliche Fragen, die von den Journalisten gestellt wurden – oder der Pressesprecherin gerade eingefallen waren. Anschließend übernahm Sebastian Hoeneß. Mit versteinerter Miene, sichtlich bedient. Dreieinhalb Minuten später zog der "Hoffe"-Coach schon wieder von dannen. Eile war geboten nach der vor allem in der Art und Weise enttäuschenden 1:2-Heimpleite gegen die Rheinhessen.

Es bestand dringender Redebedarf. Zum einen, weil die TSG gegen das Kellerkind aus Mainz eine indiskutable Vorstellung bot. Zum anderen aber auch, weil insgesamt zwölf Profis sich schon an diesem Montag wieder auf Länderspielreisen begaben. Übrigens auch die Österreicher Stefan Posch, Florian Grillitsch und Christoph Baumgartner. Da die Reisebeschränkungen für Großbritannien am Wochenende gelockert wurden, darf das Trio nun doch am Donnerstag in Schottland auflaufen.

Unglücklicher hätte der letzte Auftritt, ehe sich die Wege trennten, kaum sein können. "Zunächst einmal hindert uns die Bundesliga-Pause daran, unmittelbar gemeinsam an den ausgemachten und direkt nach der Partie in der Kabine besprochenen Defiziten auf dem Trainingsplatz zu arbeiten", sagt Sportdirektor Alexander Rosen am Montag gegenüber der RNZ.

Und Defizite gab es zuhauf. Nach dem 0:1 durch den Mainzer Robert Glatzel, der 27 Sekunden nach dem Anpfiff zur ungewohnten Zeit um 13.30 Uhr das frühste Erstliga-Tor aller Zeiten erzielte, fanden die Kraichgauer 90 Minuten lang nicht ins Spiel. Hoeneß sprach von der "schlechtesten Saisonleistung". Abwehrchef Florian Grillitsch, Torschütze Ihlas Bebou und Christoph Baumgartner kamen ebenfalls alle nicht um das ernüchternde Fazit herum: richtig schlecht.

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"Sie können sich sicher sein, dass mit dem Spiel bei uns keiner einverstanden war", betont Rosen. Für diese Analyse brauchte es nicht lange, so der 41-Jährige, "und sie wurde von allen gleichermaßen gezogen, auch in aller Deutlichkeit". Rosen weiter: "Die Klubverantwortlichen haben ebenso wie das Trainerteam und die gesamte Mannschaft einen klaren Blick auf die Situation, die durch den Auftritt gegen Mainz von einer großen Unzufriedenheit geprägt ist."

Hatte man bei der TSG bis zum vergangenen Wochenende noch gehofft, Tuchfühlung zu den Europapokal-Plätzen aufzunehmen, ist nach den zwei Enttäuschungen in Stuttgart und gegen Mainz der Vorsprung auf Relegationsplatz 16 mit sieben Zählern geringer als der Rückstand aufs europäische Geschäft (zehn Punkte).

Kurzum: Auf dem Papier ist der ambitionierte Dorfklub dem Abstieg näher als einer erneuten Europapokal-Teilnahme.

Nun sollte der eigene Kader zu stark und die Konkurrenz zu schwach sein, um ernsthaft in Gefahr zu geraten. Viel schwerer wiegt allerdings die fehlende Perspektive.

In DFB- und Europa-Pokal, wo der Weg zu Ruhm und Ehre kürzer ist als in der Liga, ist man krachend gescheitert. Und an den verbleibenden acht Spieltagen wird es tabellarisch nicht mehr viel zu gewinnen geben für den Rangelften. In der Vorsaison trennte man sich vier Partien vor Schluss von Trainer Alfred Schreuder. Damals wohlgemerkt auf Platz sechs. Ein Interimsteam, angeführt von Rosen und Matthias Kaltenbach, ließ erfrischenden Offensivfußball spielen. Auch bei der traditionell eher kritischen Fanbasis war plötzlich eine Aufbruchstimmung zu spüren. Unter Sebastian Hoeneß ist diese schnell wieder verpufft.

Corona traf den einzigen Bundesligisten, der im Sommer einen neuen Coach verpflichtet hatte, zur Unzeit – und mit voller Wucht. Das darf bei der Bewertung nicht unter den Tisch fallen. Die angespannte Personallage kann im Frühjahr 2021 allerdings nicht mehr als Ausrede gelten. In den vergangenen acht Spielen gab es nur zwei Siege. Entscheidende spielerische Fortschritte sind nicht zu erkennen. Im Gegenteil. Der Unmut der Fans, den diese aktuell nicht im Stadion äußern dürfen, wird dafür vor allem in den Sozialen Medien immer lauter. Dabei kann es sich in Pandemie-Zeiten kein Profi-Klub erlauben, zusätzlichen Kredit bei den Anhängern zu verspielen. Leistungsträger wie Grillitsch oder Andrej Kramaric werden im Sommer genau aufgezeigt bekommen wollen, wohin die Hoffenheimer Reise gehen soll.

Eine brisante Situation. Die Entscheidungsträger wollen dennoch Ruhe bewahren. "Die Saison steckt bislang voller Unwägbarkeiten, denen wir uns immer zusammen gestellt haben", sagt Rosen: "Es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern." Das Credo: Sachlich, mit Vertrauen ins Team und großem Ehrgeiz weiterarbeiten. Bei Trainer Hoeneß klingt das meist ähnlich. Der Neffe von Uli Hoeneß ist auch nicht der Typ, der mal auf den Tisch haut. Weder intern noch extern. Die zuständigen Geschäftsführer Frank Briel und Peter Görlich halten sich bislang auffallend zurück.

Ein unaufgeregtes Arbeitsumfeld ist im Profifußball ein seltenes, aber kostbares Gut. Unter keinen Umständen darf aus der Ruhe allerdings Lethargie werden.

Diesbezüglich ist es in Hoffenheim fünf vor zwölf. Und manchmal hilft bekanntlich der Blick auf die Uhr.

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