1899 Hoffenheim

Nagelsmann braucht "Glück"

Benjamin Glück leistet als Videoanalyst unverzichtbare Arbeit für den Bundesligisten - Freundschaft mit dem TSG-Coach

09.03.2018 UPDATE: 10.03.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden

Schauen ganz genau hin: Benjamin Glück (l.) und Sportdirektor Alexander Rosen. Foto: APF

Von Tobias Schächter

Sinsheim. Weil Julian Nagelsmann so wenig wie möglich dem Zufall überlassen will, braucht er Benjamin Glück. Das ist auch vor dem Spiel der TSG Hoffenheim am Samstag gegen den VfL Wolfsburg so. Glück ist der Videoanalyst der TSG-Profis und seine Arbeit beim Erstellen des Matchplans von Trainer Nagelsmann unverzichtbar. Wohl niemand in der Bundesliga kennt die taktischen Kniffe der Kontrahenten besser als die Videoanalysten der Vereine. Ein Analyst fungiert wie ein drittes Auge des Trainers und muss aus einer Flut von Eindrücken und Daten jene herausfiltern, die er für relevant hält, Glück erklärt: "Am meisten lernst du durch die Zusammenarbeit mit dem Trainer. Ich kenne Julians Idee von Fußball."

Über die rein fachliche Symbiose verbindet die beiden Bayern längst eine Freundschaft. Ein Spiel könnten sehr viele analysieren, sagt Nagelsmann, neben den handwerklichen Fähigkeiten aber komme es vor allem auf den Gleichklang von Videoanalyst und Trainerteam an: "Man muss dieselbe Idee haben. Nur so kann der Analyst auch das aufbereiten, worauf es dem Trainer ankommt. Und genau das ist bei Benschi gegeben."

Der Beruf ist noch ein junger, erst seit dem Wintersemester 2015/16 gibt es an der Sporthochschule Köln einen Ausbildungslehrgang, am Institut für Fußballmanagement in München werden seit 2016 Spielanalysten speziell ausgebildet. Der im bayerischen Erding vor 31 Jahren geborene Glück fand den Weg in den Beruf vor dessen Akademisierung. Mitte 2011 absolvierte er neben seinem Mathematik- und Sportstudium in München zunächst ein fünfwöchiges Praktikum im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) der Hoffenheimer, wo er anschließend ein Jahr lang in der Abteilung für Spielanalyse und Scouting Erfahrung sammelte.

Glück stieg zum "Koordinator Spielanalyse NLZ" auf und arbeitete eng mit dem damaligen U19-Coach Julian Nagelsmann zusammen. Nach einer Station in der U 23 arbeitet Glück seit der Saison 2016/17 wieder mit Nagelsmann. Nun im Scheinwerferlicht der Bundesliga. Glück sucht die Öffentlichkeit nicht, ist aber bei jeder Pressekonferenz dabei. Still und im Hintergrund, so wie es seinem Naturell entspricht. Während der Spiele sitzt er auf der Tribüne und markiert live Szenen, die er dann unmittelbar vor der Halbzeitbesprechung dem Trainerteam zur Analyse anbietet.

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Vor 15 Jahren gab es diesen Beruf noch gar nicht, heute sind Profi-Vereine ohne eigene Analyse-Abteilung nicht mehr denkbar. Die Hoffenheimer stellten zu Beginn ihrer ersten Europapokalsaison in Timo Groß einen zweiten Analysten an. Durch den erhöhten Spielerhythmus und die Reisen sei die Arbeit nicht mehr alleine zu bewältigen, erklärt Glück. Er kann nachvollziehen, warum Rekordmeister FC Bayern München vier hauptamtliche Analysten beschäftigt, denen drei weitere zuarbeiten.

Spiel Vor- und Nachbereitung, Trainingsanalyse, Analyse des kommenden Gegners oder Einzelanalysen der eigenen sowie der gegnerischen Spieler kosten Zeit. In der Regel, erklärt Glück, schaue er sich drei bis vier komplette Spiele des kommenden Gegners an. Auf rund zehn Szenen reduziert er dann das Angebot für das Trainerteam. In der 15 bis 20 Minuten langen Besprechung des Cheftrainers vor den Spielen kommen dann noch fünf, sechs Szenen des Gegners vor. Glück erklärt: "Ich stehe immer vor der Frage: Was nutze ich, was ist überflüssig?"

Überraschen kann den Analysten höchstens noch das Einsetzen eines gegnerischen Spielers auf einer ungewohnten Position. "Ich muss herausfinden: Was ist die wahrscheinlichste Formation, die der Gegner gegen uns spielen wird", sagt Glück. Dabei beschäftigen ihn mannschaftstaktische Fragen genauso wie individuelle: Läuft der Gegner Dreierabwehrketten anderes an als Viererketten? Welcher Spieler hat die meisten Ballkontakte im Spielaufbau und in welcher Zone? Und so weiter. Doch selbst die intensivste Vorbereitung kommt gegen die Widrigkeiten des Spiels nicht an. Wer kann schon Pfostenschüsse, Platzverweise und Formschwächen voraussehen?

Die Hoffenheimer wollen nach dem Sieg in Augsburg mit einem Erfolg gegen Wolfsburg eine Serie starten. Vor zehn Tagen leitete Julian Nagelsmann "ein paar kleine psychologische Veränderungen" im Umgang mit der Mannschaft ein. Der Beginn einer Wende im Saisonfinale? Nagelsmann hatte sich zum Reflektieren in die Sinsheimer Therme zurückgezogen. Mit dabei: Benjamin Glück.

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