TSG 1899 Hoffenheim

Drei Pfiffe, zwei Elfmeter und ein Remis

Champions-League-Nachwehen bei Hoffenheims 1:1 gegen Schalke - Regelwerk sorgt für Diskussionen

02.12.2018 UPDATE: 03.12.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden
Strafbares Handspiel oder nicht? Hoffenheims Andrej Kramaric (Mitte) ist’s egal. Er lässt S04-Keeper Ralf Fährmann keine Chance und verwandelt den Elfmeter sicher zum 1:0. Foto: APF

Von Nikolas Beck

Sinsheim. 47 Bundesligaspiele hat Domenico Tedesco in seiner jungen Trainerkarriere erlebt. Genug, um zu wissen, dass dem Gästetrainer bei der anschließenden Pressekonferenz das erste Wort gebührt. Also begann der 33-Jährige auch am Samstagabend mit seiner Analyse - obwohl er von Hoffenheims Pressesprecher Holger Kliem glatt vergessen worden war. "Zu viel Champions League", entschuldigte sich Kliem. Tedesco nahm es ihm nicht übel, weiß doch auch der Schalke-Coach, dass in der Königsklasse im Gegensatz zur Bundesliga immer direkt die Journalisten am Zug sind.

Dem PK-Leiter ging’s eben wie allen anderen. Sinnbildlich war’s: Die Champions League hat ihre Spuren hinterlassen, steckte beim 1:1 (0:0) zwischen der TSG Hoffenheim und Schalke 04 noch in Knochen und Köpfen. Während die Königsblauen trotz 1:3-Niederlage in Porto im Achtelfinale stehen, haben die Gastgeber offensichtlich am 2:3-K.o. gegen Donezk länger zu knabbern.

Im Vorfeld der Partie hatte TSG-Coach Julian Nagelsmann eingeräumt, noch nie in seiner Karriere geknickter gewesen zu sein. Nach der Rückkehr zum Ligaalltag gab "Hoffe"-Torwart Oliver Baumann zu: "Man hat es uns nicht angemerkt, aber das Champions-League-Aus wird uns alle noch lange ärgern."

Nagelsmann sprach von fehlenden Körnern und müden Beinen. Es war sein Erklärungsansatz, warum nach einer starken ersten Hoffenheimer Halbzeit, in der seine Elf lediglich verpasst hatte, ein Tor zu schießen, nach dem Seitenwechsel Schalke mehr und mehr das Kommando übernehmen konnte. "Da haben wir es nicht mehr geschafft, so hoch zu verteidigen, sind bewusst ein bisschen tiefer gegangen", analysierte Nagelsmann. Allerdings habe man gemerkt, dass auch die Gäste ein anstrengendes Spiel unter der Woche zu verarbeiten hatten. "Da war weniger Struktur bei beiden Teams, viele Konter und große Abstände auf beiden Seiten", sagte der TSG-Trainer.

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Und weil sich Nagelsmann und Tedesco am Ende relativ einig waren, dass beide zwar gerne drei Punkte mitgenommen hätten, aber mit dem Remis irgendwie leben konnten, blieb genug Raum und Zeit für ein "ewiges Stammtischthema", wie es "Oli" Baumann nannte. Handspiel oder nicht, Elfmeter oder keiner? Unnatürliche Handbewegung? Absicht? Gleich dreimal wurde gerätselt. Auf der Tribüne, auf dem Rasen - und einmal auch beim Videoschiedsrichter in Köln.

Den Anfang machte Schalkes Innenverteidiger Salif Sané, der eine Flanke von Kerem Demirbay im Strafraum klärte, sich dabei aber an die rechte Hand köpfte (40.). Nachvollziehbar, dass der Pfiff ausblieb. Doch dann nahm das Drama seinen Lauf. Nur zwei Minuten später entschied Schiedsrichter Robert Kampka auf Strafstoß gegen die TSG, weil der grätschende Steven Zuber Daniel Caligiuris Hereingabe erst an den Körper und dann an den Arm bekam. "Ich habe die Szene jetzt auf Video gesehen, für mich ist es immer noch kein Elfmeter", sagte Zuber. Glück für die TSG, das auch Kampka nach Ansicht der TV-Bilder seine Meinung revidierte.

Dass er dies im zweiten Durchgang nicht noch mal tat, als Ishak Belfodil das Leder aus kurzer Distanz an die Hand von Bastian Oczipka drosch, mag den Regeln entsprechen. "Im Sinne des Fußballs" sei die Elfmeter-Entscheidung aber ganz und gar nicht, meinten sowohl Rekordnationalspieler Lothar Matthäus als auch Peter Gagelmann, Schiri-Experte bei Sky. Andrej Kramaric jedenfalls ließ sich nicht bitten und traf vom Punkt zum 1:0. Es passte ins Bild, dass Schalkes Nabil Bentaleb auch das zweite Tor des Tages per Strafstoß erzielte (73.). Wenngleich die Entscheidung korrekt war - Bicakcic hatte Caligiuri beim Kreuzen aus dem Tritt gebracht.

Hintergrund

Baumann: Tolle Parade in der Schlussphase. Kein Elfmeterkiller. Ausführlicher und offener Analytiker in der Mixed-Zone.

Adams: Noch nicht die erhoffte große Verstärkung im Defensivverbund.

Bicakcic: Geht

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Baumann: Tolle Parade in der Schlussphase. Kein Elfmeterkiller. Ausführlicher und offener Analytiker in der Mixed-Zone.

Adams: Noch nicht die erhoffte große Verstärkung im Defensivverbund.

Bicakcic: Geht in jeden Zweikampf, als wäre es sein letzter. Pech, dass er Caligiuri im Strafraum berührte.

Vogt: Verließ in der Szene, die zu Schalkes Elfmeter führte, ohne Not die Abwehrkette. In der Vorsaison stärker.

Kaderabek: Tschechische Lokomotive auf rechts mit nicht ganz so viel Dynamik wie sonst. Aber okay.

Zuber: Im Hälfte eins auffälligster Hoffenheimer. Erst Fährmann, dann die Latte waren seinen Distanzschüssen im Weg.

Demirbay: Versuchte viel - mit mehr oder weniger Erfolg.

Grillitsch: Der Österreicher war erstmals wieder dabei und muss sich erst wieder einfinden.

Kramaric: Gefiel im Zusammenspiel mit Zuber, eiskalt vom Elfmeterpunkt.

Belfodil: Schoss Oczipka im Strafraum an die Hand, kein schlechter Auftritt des Algeriers.

Joelinton: Vergab die beste Chance der Partie. Hätte mal wieder ein Tor verdient.

Nelson: Wieselflink und dribbelstark, diesmal aber ohne Torgefahr.

Schulz: Zunächst nur auf der Bank. Belebendes Element.

Szalai: Kam spät für Belfodil. Hätte gleich treffen können. nb/awi

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Der Unmut aller Beteiligten richtete sich auch gar nicht an den Unparteiischen. Im Gegenteil: Oliver Baumann wollte ihn sogar ausdrücklich gelobt wissen, aufgrund seiner klaren Kommunikation während der vielen unklaren Situationen. Vielmehr wurde wieder einmal deutlich, dass auch der Videobeweis eher Fluch als Segen sein kann, solange das Regelwerk diffizil bleibt.

Als im Rahmen der Pressekonferenz dann wirklich die Zeit für Fragen gekommen war, sollten beide Trainer ihre Lösung für die Handspiel-Problematik präsentieren. Nagelsmanns pragmatischer Vorschlag: Absicht - Elfmeter. Keine Absicht - Fortfahren. "Brauchst eigentlich nix mehr sagen, Domme", flachste Nagelsmann in Richtung Tedesco. Auch den zweiten "Maulkorb" auf dem Podium nahm der Deutsch-Italiener freilich mit Humor: "Definitiv Bestätigung."

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