1899 Hoffenheim

Kampfansage vor dem Pokalknüller

Die TSG Hoffenheim und Bayer Leverkusen zeigen beim 2:1 ein Fußball-Offensivspektakel

02.02.2020 UPDATE: 03.02.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden
Torschütze und Torverhinderer zugleich: Hoffenheims Däne Robert Skov erzielt das entscheidende 2:1 (l.) gegen die Werkself aus Leverkusen mit Schmackes. Fotos: APF

Von Joachim Klaehn

Sinsheim. Meist sind es nur Nuancen, die im Duell zweier nahezu gleichstarker Teams den kleinen, aber feinen Unterschied ausmachen. Beim rasanten 2:1 (1:1) zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und Bayer Leverkusen hätte nach 94 höchst unterhaltsamen, niveauvollen Bundesliga-Minuten genauso gut ein 2:3 oder 3:4 auf den beiden Videoleinwänden der Sinsheimer Arena aufleuchten können. In diesem Fall wären die Aussagen der Spieler, Trainer und Verantwortlichen genau entgegengesetzt ausgefallen. "Hoffe" hätte wohl eklatante Versäumnisse beklagt, Bayer hingegen seine Vorzüge in den Vordergrund gerückt. Doch der Konjunktiv ist im Profisport eher Ballast, Mathematik ist wichtiger als Grammatik oder gar Stilistik.

Hoffenheim gewann vor offiziell 24.489 Zuschauern, weil die Schreuder-Schützlinge vor dem gegnerischen Kasten mehr Kaltschnäuzigkeit zeigten, während die begabten Bosz-Schüler Chancenwucher betrieben und letztlich nach dem wunderbaren 0:1 von Moussa Diaby (11.) durch die Treffer von Andrej Kramaric (23.) und Robert Skov (65.) gnadenlos bestraft wurden. Und da die forsche Heimelf in Oliver-Baumann-Vertreter Philipp Pentke über einen überragenden Torhüter verfügte, schlug das Pendel Richtung Kraichgauklub aus. "Unsere Mannschaft hat das mit großer Leidenschaft und Mentalität geschafft. Ich bin sehr stolz auf die Jungs", sagte TSG-Cheftrainer Alfred Schreuder über eine Auseinandersetzung voller Kampfgeist, Klasse und Tempo.

Hintergrund

Die Spieler in der Einzelkritik

Pentke: Sehr, sehr starker Rückhalt. Bester bei der TSG – hat sich ein Sonderlob redlich verdient!

Posch: Ließ sich vor dem 0:1 von Diaby austanzen. Ansonsten ordentlich.

Akpoguma: Hatte zunächst Mühe, steigerte sich aber

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Die Spieler in der Einzelkritik

Pentke: Sehr, sehr starker Rückhalt. Bester bei der TSG – hat sich ein Sonderlob redlich verdient!

Posch: Ließ sich vor dem 0:1 von Diaby austanzen. Ansonsten ordentlich.

Akpoguma: Hatte zunächst Mühe, steigerte sich aber enorm.

Hübner: Konsequenter Abfangjäger. Vorbildlich.

Skov: Retter in höchster Not. Verwertete eiskalt zum 2:1.

Rudy: Manchmal zu zögerlich. Schaltstelle.

Samassékou: Powerkraft. Stopfte unglaublich viele Löcher.

Kaderabek: Vorlagengeber mit großem Offensivdrang. Laufmaschine.

Baumgartner: Viel unterwegs als Demirbay-Nachfolger.

Dabbur: Muss bereits nach 1:35 Minuten das 1:0 machen. Zu wenig.

Kramaric: Antizipierte den abgefälschten Flankenball von Kaderabek am schnellsten. Somit Torjägerinstinkt bewiesen. Hätte alles klar machen können (80.).

Adamyan: Edeljoker. Tolle Balleroberung vor dem 2:1, klasse Diagonalball für Kramaric. Musste leider nach 23 Minuten Einsatzzeit verletzt raus.

Grillitsch: Von der Bank zu kommen, liegt ihm nicht.

Bicakcic: Für Adamyan (umgeknickt) in der Schlussphase rein. jog

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Man fühlte sich unweigerlich an die Spielphilosophie des Voetbal totaal erinnert, den einst die niederländischen Legenden Johan Cruyff und Rinus Michels prägten und perfektionierten. Ja, Hoffenheim gegen Leverkusen sollte sich als Offensivspektakel im besten Sinne entpuppen. Ein Schlagabtausch mit beiderseits offenem Visier, ein ständiges Hin und Her mit vielen, vielen Strafraumszenen, intensiven Zweikämpfen und Turbo-Elementen. Wie Hoffenheim die Geschwindigkeitsdefizite kompensierte und diese klug und effizient in spielerische Lösungen umfunktionierte, war imponierend und zugleich schön anzusehen. Zähneknirschend musste Gästetrainer und Schreuder-Kumpel Peter Bosz deshalb einräumen: "Ich muss Hoffenheim gratulieren, am Ende war ihr Sieg berechtigt, weil wir es schlecht gemacht haben. Ich muss heute sehr kritisch mit meiner Mannschaft sein. Das war unnötig."

Wenn man den Perspektivenwechsel wagt, dann war das Lamento des Fußballlehrers durchaus nachzuvollziehen. Die Werkself besaß ein Chancenplus, ließ aber die letzte Konsequenz vermissen und musste in Sachen Champions League einen neuerlichen Rückschlag hinnehmen. "Unterm Strich haben wir uns selbst geschlagen", meinte der Ex-Hoffenheimer Kevin Volland in der Mixed Zone, "wenn du oben in der Tabelle ranwillst, musst du die Dinger reinmachen und solche Spiele gewinnen."

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Nach dem knappen TSG-Erfolg freilich hat sich die tabellarische Situation für den Dorfverein positiv verändert. "Hoffe" ist an Bayer Leverkusen und Schalke 04 herangerückt und darf vor dem DFB-Pokalknüller am Mittwochabend (20.45 Uhr/live in der ARD) beim FC Bayern München im Ligageschäft wieder von der Europa League träumen. "Es sieht so aus, als wüssten wir, wie man die großen Teams schlägt", durfte Siegtorschütze Robert Skov im Brustton der Überzeugung anmerken.

Auffällig: Der 23-jährige Däne, im spanischen Marbella geboren, stellt sich in den Dienst des TSG-Kollektivs. Er wurde von Schreuder vom Rechtsaußen zum Linksverteidiger umfunktioniert und erledigt seinen Job einwandfrei. "In meinem Herzen bin ich Offensivspieler, doch im Fußball ist das manchmal so, du musst für das Team da sein", sagte der bekennende Fan der deutschen Bundesliga. Nun kann er sich zusätzlich auf seinen Landsmann und Nationalmannschafts-Spezi Jacob Bruun Larsen (21, Vertrag bis 2024) freuen, den die Blauen von Borussia Dortmund losgeeist haben.

Das mit Abstand beste Heimspiel seit längerer Zeit fördert zudem das Selbstvertrauen bei den Liga-Bayern-Bezwingern vom 5. Oktober. Schreuders neuerliche Kampfansage ließ nicht lange auf sich warten. "Die wissen, was wir können. Die werden uns nicht unterschätzen", so Schreuder im Stadionbauch, "es wird eine große Herausforderung für uns. Doch es soll nicht arrogant klingen: Wir wollen in Berlin das Pokalfinale spielen. Wir wollen Pokalsieger werden! Mit dieser Ausstrahlung und diesem Selbstverständnis müssen wir nach München fahren."

Wer Bayer eine bittere Pille verabreicht, die Leverkusener wiederum haben die Bayern am 30. November mit 2:1 in der Allianz Arena bezwungen, der darf sich Hoffnungen machen. "Hoffe" hat bereits München, Schalke, Dortmund und nun Leverkusen besiegt. Mitunter lässt sich die Architektur auf dem Fußballfeld mit einem verbürgten Cruyff-Zitat erklären: "Der einfache Fußball ist der schönste. Aber einfacher Fußball ist zugleich auch am schwersten."

"Hoffe" tut sich bekanntlich leichter gegen Hochkaräter. Die Schlusspointe von Bayer-Kapitän Lars Bender am Samstag: "Das Spiel hat Spaß gemacht, nur das Ergebnis bereitet uns keinen Spaß." Bei den Hoffenheimer Akteuren wie Anhängern herrschte unterdessen allerbeste Laune. Nach Fußball pur eben.

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