Auch Freudenberg will einen Betriebsrat entlassen
Weinheimer wollen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds gerichtlich durchsetzen - Spekulationen um Hintergründe

Von Matthias Kros
Weinheim. Nach den jüngsten Rechtsstreitigkeiten um gekündigte Betriebsratsmitglieder bei dem Heidelberger Schreibgerätehersteller Lamy und dem Walldorfer Softwarekonzern SAP gibt es einen neuen Fall beim Weinheimer Mischkonzern Freudenberg. Eine Sprecherin des Arbeitsgerichts Mannheim bestätigte auf Anfrage der RNZ ein anhängiges Beschlussverfahren, in welchem Freudenberg "die Ersetzung der Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds beantragt" (Aktenzeichen: 13 BV 4/19). Mitte Januar habe es bereits einen Gütetermin gegeben.
Wegen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben genießen Betriebsratsmitglieder in Deutschland einen besonderen Kündigungsschutz. Ein Rauswurf ist grundsätzlich nur bei einer schwerwiegenden Verletzung von Arbeitnehmerpflichten möglich. Voraussetzung ist außerdem, dass die Mehrheit des Betriebsrats der Kündigung im Vorfeld zugestimmt hat. Da das Gremium von Freudenberg der Kündigung widersprochen hat, muss sich der Weinheimer Konzern die Zustimmung zur fristlosen Kündigung nun durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen.
Gewerkschaften sehen solche Vorhaben naturgemäß mit Argwohn. Nach Angaben der bei Freudenberg zuständigen IG BCE richtet sich das Verfahren gegen den Vorsitzenden des erst im Herbst gegründeten Betriebsrates der Freudenberg & Co. KG, also der strategischen Führungsgesellschaft (Holding) der Gruppe mit etwa 240 Mitarbeitern. Unter diesem Dach gibt es bei den Weinheimern zahlreiche operative Gesellschaften mit selbstständiger Leitung und eigenen Betriebsräten. Vertreter aller dieser Arbeitnehmergremien bilden dann den Konzernbetriebsrat.
Über die Hintergründe des Streits lässt sich derzeit nur spekulieren. Nach RNZ-Informationen wird dem Betriebsratsvorsitzenden, der für diese Tätigkeit nicht vollständig freigestellt ist, vorgeworfen, seinen eigentlichen Job im Unternehmen zu vernachlässigen.
Eine Freudenberg-Sprecherin bestätigte auf Anfrage lediglich den Gütetermin vor dem Arbeitsgericht, ohne zum Inhalt des Verfahrens nähere Angaben zu machen. "Wir möchten jedoch klarstellen, dass es bei diesem Verfahren keineswegs darum geht, die Rechte der Arbeitnehmervertretung infrage zu stellen", sagte sie. Freudenberg arbeite bereits seit Jahrzehnten in zahlreichen Konzerngesellschaften und an verschiedenen Standorten mit Betriebsräten und Gewerkschaften gut und vertrauensvoll zusammen und auch die Zusammenarbeit mit dem neu gewählten Gremium bei der Freudenberg & Co. KG "gestaltet sich bislang konstruktiv und vertrauensvoll".
Auch Steffen Seuthe, Bezirksleiter der IG BCE Mannheim, betonte, dass die Gewerkschaft grundsätzlich gut mit Freudenberg zusammenarbeite. Im vorliegenden Fall könne man aber den Eindruck gewinnen, dass die Unternehmensleitung den bei der Holding neu gegründeten Betriebsrat am liebsten wieder los wäre. Bedenken dagegen habe es jedenfalls von Anfang an gegeben. Seuthe warnte außerdem davor, dass sich Einzelpersonen bei dem Thema "verrennen könnten".
Bei der Freudenberg & Co. KG hatte es jahrelang keinen Betriebsrat gegeben ehe im vergangenen Sommer eine kleine Gruppe von Mitarbeitern, zu der auch der heutige Vorsitzende zählt, die Initiative für eine Gründung startete. Nach Angaben der IG BCE haben sich an der anschließenden Wahl des neunköpfigen Gremiums rund drei Viertel der Beschäftigten beteiligt, was Seuthe als hohen Rückhalt des Betriebsrats in der Belegschaft wertet.
Eine Lösung des Streits könnte nun ein mögliches Güterichterverfahren bringen, also eine Art Mediation, die aus dem normalen Prozessablauf herausgenommen ist. Erfolgreich wurde dieses gerade erst im Streit zwischen der SAP und einem gekündigten Betriebsratsmitglied angewandt. Beide Seiten fanden dadurch Mitte Januar zu einer einvernehmlichen Lösung.
Seuthe von der IG BCE sagte am Mittwoch, man lehne ein solches Güterichterverfahren nicht ab, solange es wirklich ergebnisoffen geführt werde. Sollte diese Mediation keinen Durchbruch bringen, käme es voraussichtlich im Sommer zu einem Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Mannheim.