Eine Frau auf einem Fahrrad mit Kinderanhänger fährt an Wohnhäusern der Heidelberger Bahnstadt vorbei. Das neue Stadtviertel ist zum größten Teil fertiggebaut. Foto: dpa
Von Matthias Kros
Heidelberg. Nach Jahren steigender Mieten sieht die Sparkassen-Tochter S-Immobilien Heidelberg GmbH erste Anzeichen für eine Beruhigung. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres seien die Neuvertragsmieten nicht weiter gestiegen und verharrten derzeit auf dem Niveau von 12 bis 13 Euro pro Quadratmeter, sagte Geschäftsführer Georg Breithecker bei einem Pressegespräch in Heidelberg. Gleichzeitig schössen die Immobilienpreise in Heidelberg und Umgebung weiter ungebremst in die Höhe.
Für das vergangene Jahr schätzt Breithecker das Plus auf etwa acht Prozent, für 2020 rechnet er mit weiteren Steigerungen in einer Spanne von fünf bis zehn Prozent. Gerade deutsche Käufer drängten trotz der kräftig steigenden Preise in den Markt. Einen ähnlichen Mix aus stagnierenden Neuvertragsmieten und steigenden Kaufpreisen hatten jüngst auch die Immobilienspezialisten F+B (Hamburg), die Kommunen bei der Erstellung von Mietspiegeln unterstützen, für das gesamte Bundesgebiet festgestellt.
Von einer Trendwende oder gar einem Ende des Immobilienbooms wollen aber weder F+B noch die S-Immobilien Heidelberg GmbH sprechen. Auch die Gefahr einer sogenannten Immobilienblase, bei der sich die Kaufpreise deutlich von der sachlich gerechtfertigten Entwicklung abkoppeln, sieht Breithecker weiterhin nicht. "Ich erkenne derzeit keine Überproduktion von Wohnungen", sagte der Geschäftsführer. Im Gegenteil: "Wir können die hohe Nachfrage weiterhin nicht befriedigen".
Zudem seien die Immobilien in der Regel mit einem hohen Eigenkapitalanteil solide finanziert, fügt Rainer Arens, Chef der Sparkasse Heidelberg, hinzu. "Daher ist nach wie vor nicht von einer massiven Verschuldung der deutschen Haushalte auszugehen". Letztlich würden sich die steigenden Immobilienpreise bei parallel nicht mehr wachsenden Neuvertragsmieten allerdings in sinkenden Renditen für die Käufer niederschlagen, die ihr Geld anlegen wollen. Man müsse nun abwarten wie viel Renditeminderung der Markt vertrage, so Arens.
"Es ist zu früh, um eine Trendwende auszurufen", urteilt auch Reiner Braun, Geschäftsführer des Immobilienspezialisten Empirica, gegenüber der dpa. Die Lage beruhige sich allenfalls. Fallende Mieten auf breiter Front seien erst in Sicht, wenn günstiger gebaut und die Nachfrage nach Wohnraum gestillt werde, sagte Braun. "Davon sind wir weit entfernt."
Auch in Heidelberg und Umgebung. "Wir verzeichnen weiterhin keine nennenswerten Leerstände", so Breithecker. Angesichts der niedrigen Zinsen und einem anhaltenden Zuzug in die Region seien die Rahmenbedingungen weiterhin gut. Allein in den vergangenen zehn Jahren habe Heidelberg rund 12.000 Einwohner hinzugewonnen.
Und das Phänomen der steigenden Preise sei keineswegs nur auf das Heidelberger Stadtgebiet beschränkt. "Im Umland steigen die Preise teilweise noch schneller". Hauptgrund dafür seien vermutlich die durch die Konversion gewonnenen Neubaugebiete Heidelbergs wie die Bahnstadt. "Die Angebote der Bahnstadt haben dafür gesorgt, dass die Preise in der Heidelberger Innenstadt zuletzt nur moderat gewachsen sind".
Gleichwohl ließen sich die Preissteigerungen für Immobilien in Heidelberg sehr gut an dem noch jungen Viertel ablesen, erklärt Breithecker: Während zu Beginn der Bahnstadt-Vermarktung im Jahr 2010 noch Preise von etwa 3000 Euro pro Quadratmeter gezahlt worden seien, seien es jetzt bereits etwa 5000 Euro. Der Geschäftsführer erinnert dabei aber daran, dass die Preise für Grundstücke und die Baukosten ähnlich schnell gestiegen seien.
Gleichzeitig räumt er ein, dass diese rasante Wachstum für junge Familien nicht ohne Folgen bliebe. Trotz der aktuell historisch niedrigen Zinsen könnte sich diese Gruppe eine Immobilie oft einfach nicht mehr leisten. Das führe bereits dazu, dass junge Familien entweder ins Umland zögen oder notgedrungen kleinere Wohnungen kauften.
So sei es mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass sich Familien mit einer drei- oder Vier-Zimmer-Wohnung begnügten und Alleinstehende mit zwei Zimmern zurechtkämen. "Wohnungen werden in Zukunft tendenziell kompakter werden", ist Breithecker überzeugt. "Die Wohnfläche pro Einwohner wird in den kommenden Jahren weiter sinken". Als Ausgleich gebe es in Mehrfamilienhäusern dann verstärkt Gemeinschaftsflächen, die Bewohner je nach Bedarf abwechselnd nutzen können.
Und noch einen bemerkenswerten Wandel beobachten S-Immobilien Heidelberg und F+B gleichermaßen: Internationale Großanleger zögen sich immer stärker zurück aus Deutschland. Ein Grund sei die unübersichtliche und kaum kalkulierbare Mietenregulierung, die sich auch je Bundesland unterscheide, glaubt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner. Für die satten Preisaufschläge seien vor allem Käufer aus dem Inland verantwortlich, etwa von Immobilienkonzerne, Fonds, reiche Privatanleger und Selbstnutzer. Zu Investments in Immobilien sähen sie angesichts des Zinstiefs oft keine Alternative.
Leutner warnt in diesem Zusammenhang vor einem "Herdeneffekt" und finanziellen Einbußen, sollten die Preise fallen. Schon oft hätten deutsche Investoren verzögert auf internationale Kapitalmarktrends reagiert und spät Immobilien ge- oder verkauft. So hätten sich zwischen 1998 und 2005 vor allem angelsächsische Fonds beim Verkauf von Werkswohnungen und öffentlichen Immobilienbeständen engagiert und hohe Gewinne gemacht.
Deutsche Anleger seien erst spät dazugekommen. "Besonders prozyklisch agiert die öffentliche Hand, die ihre Bestände aus heutiger Sicht zu Spottpreisen verkaufte, um diese nun mit enormen Aufschlägen teils wieder zurückzukaufen - teilweise auf einem Preisniveau, auf dem private Kaufinteressenten längst ausgestiegen sind", so Leutner.