Containerschiffe im Mannheimer Hafen, dem größten Binnenhafen Deutschlands. Foto: Alfred Gerold
Von Gaby Booth
Mannheim. Wer Titan und die anderen riesigen Kräne in den Containeranlagen im Mannheimer Hafen beim Verladen der bunten Kisten beobachtet und die monatlichen Umschlagszahlen anschaut, kann erkennen, ob die Wirtschaft der Region brummt, oder ob der Export schwächelt. Mit vier Hafengebieten, 14 Hafenbecken und drei Stromhäfen sowie einer ausgeklügelten Infrastruktur ist der Binnenhafen ein Pulsmesser für das Wohlbefinden der Unternehmen.
Der Zugang zum Wasser, die Transportwege von Rhein und Neckar, haben den Menschen in der Quadratestadt und der Region in den vergangenen Jahrhunderten Wohlstand und Lebensqualität gebracht. Die zentrale Lage und gute Erreichbarkeit sorgten für Prosperität.
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Hafen zwar schwerste Schäden durch Luftangriffe, insbesondere der stadtnahe Handelshafen war fast völlig zerstört, doch danach begann ziemlich rasch ein Strukturwandel. Vom Umschlaghafen hin zum Industriehafen. Die Nachfrage nach am Wasser gelegenen Industriegrundstücken stieg schnell.
Heute haben knapp 500 Unternehmen mit 20.000 Arbeitsplätzen im Hafengebiet ihren Sitz. Mit der Eröffnung des bundesweit ersten Containerterminals in einem Binnenhafen im Jahr 1963 hatte der Mannheimer Hafen die Nase vorne.
Gemeinsam mit dem Nachbarhafen in Ludwigshafen wurden im vergangenen Jahr insgesamt fast 15 Millionen Tonnen wasserseitig umgeschlagen, die Hälfte davon auf der rechten Rheinseite. Derzeit ist das Bild aufgrund der Coronakrise allerdings eingetrübt, wie die jüngste Bilanz zeigt. Der Umschlag ging im ersten Halbjahr bei fast allen Güterarten zurück und liegt gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 13 Prozent niedriger, wie die Hafengesellschaft Anfang der Woche mitteilte. Das ist eine Momentaufnahme und war nicht vorhersehbar. Hafendirektor Roland Hörner ist zuversichtlich, dass sich die Situation bald wieder stabilisiert.
So wie es bei den Umschlagszahlen ein Auf und Ab gibt, ist das auch bei den Wasserständen zu beobachten. In diesem Jahr war Niedrigwasser bislang kein großes Thema, dennoch wird genau beobachtet, wie sich die Pegelstände verändern und wie sich die Klimakrise auswirkt.
Im Hitze-Sommer 2018 sah das anders aus. Wegen des Niedrigwassers im Rhein hatte etwa der Chemiekonzern BASF erhebliche Lieferprobleme. Inzwischen hat der Konzern reagiert und entwickelt eigene Schiffe für Niedrigwasser im Rhein. Zudem soll der Fluss vertieft werden.
Mannheim und seine Häfen sind in der glücklichen Lage, dass sie gleich an zwei Flüssen liegen: den Bundeswasserstraßen Rhein und Neckar. Beide Ströme sollen in Zukunft beim Gütertransport eine größere Rolle spielen. Das aktuell vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg veröffentlichte Güterverkehrsgutachten weist den Flüssen eine größere Bedeutung für die Zukunft zu. Mehr Verkehr soll auf die Wasserstraßen verlegt werden, die Neckarschleusen den seit langem geforderten Ausbau erfahren. Unter dem Stichwort "Kombinierte Verkehre" ist eine bessere Vernetzung der Wasserwege mit Straße und Schiene geplant.
Wasser ist der Treibstoff für Handel und Wandel. Das wussten schon jene Menschen, die sich lange vor der eigentlichen Stadtgründung an den Ufern von Rhein und Neckar niederließen. Vor mehreren Jahrhunderten wurde bereits Holz den Neckar hinab geflößt, am Rhein wurde gefischt. Die Holländer schickten ihre Waren, die Römer bauten ihre Siedlungen.
Die Wasserstraßen ermöglichten den Aufschwung der 1607 gegründeten Stadt. Im gleichen Jahr begann der Ausbau des Handels- und Stapelplatzes. 1827 genehmigte der badische Großherzog den Bau des Freihafens an der Stelle, wo heute der Verbindungskanal liegt. Schon ein paar Jahre später reichte der Platz nicht mehr und musste ausgebaut werden. 1854 erhielt der Hafen dann den ersten Eisenbahn-Anschluss. Ein paar Jahre später, im Oktober 1868, wurde die "Mannheimer Akte" unterzeichnet, die den freien Warenverkehr auf dem Rhein, dem größten Fluss Deutschlands, regelte. In ihren Grundsätzen gilt diese Akte bis heute.
Der Rhein ist die Verbindung zur Nordsee und zum Atlantik. Der Neckar als sein größter Nebenfluss liefert verlässlich Wasser für die Schifffahrt und vereinigt sich im Norden bei Mannheim-Sandhofen mit dem großen Strom.
Und weil der Mannheimer Hafen ein trimodaler Verkehrsknoten ist, eine Schnittstelle für ein dichtes Schienen- und Straßennetz, ist er mit mehreren großen europäischen Wirtschaftszentren verbunden. Über diese kombinierten Verkehre bestehen täglich Verbindungen zu den Seehäfen in Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Antwerpen, Rotterdam und Amsterdam.