Kein ganz neues Phänomen: Seit dreieinhalb Jahren liegt der Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent, seit September zahlen Banken nun 0,5 Prozent Strafzinsen auf Gelder, die sie bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken.
Von einem baldigen Wandel gehen Experten nicht aus: Vor Mitte 2020 plant die EZB nicht, den Leitzins zu erhöhen, ließ sie im Sommer 2019 verlauten. Selbst nach dem Wechsel an der Spitze der EZB rechnen Experten nicht mit einem schnellen Wechsel der Geldpolitik unter der neuen Chefin Christine Lagarde.
Risikoarm anzulegen passt nicht zu Niedrigzinsen
Für Immobilienkäufer ist die Niedrigzinsphase gut: Kredite sind derzeit günstig. Anleger haben dagegen das Nachsehen. "Wir Deutschen neigen dazu, risikoarm anzulegen. Das wird uns gerade zum Verhängnis", sagt Oelmann. Denn mit den Renditen solcher Anlagen gelinge es derzeit oft nicht mehr, die Inflationsrate zu schlagen.
Die lag im November 2019 bei 1 Prozent. Festgeld kam dagegen nach Angaben der FMH Finanzberatung nur auf eine durchschnittliche Rendite von 0,1 Prozent, Sparbücher auf lediglich 0,02 Prozent.
"Wer noch auf herkömmliche Art und Weise spart, der verbrennt mit Blick auf die Inflation regelrecht das hart ersparte Vermögen", erklärt Maik Bolsmann. "Für Sparer war 2019 eine herbe Ernüchterung", lautet das Fazit des Geschäftsführers von B&K Vermögen in Köln.
Der Dax hat zugelegt
Anders verlief das Jahr dagegen an der Börse: "2019 ist ein "Überraschungsei" gewesen. Es hat sich, gerade im Vergleich zum vierten Quartal 2018, für Anleger überraschend gut entwickelt", erklärt Jens Hartmann, Geschäftsführer von ficon börsebius Invest in Düsseldorf.
Das zeigt auch ein Blick auf den Dax. Der deutsche Leitindex legte im Lauf des Jahres bis Ende November 2019 um gut 25 Prozent zu. Hatte das schwierige Börsenjahr 2018 noch mit rund 10 559 Punkten geendet, stieg der Dax bis zum 29. November mit zwischenzeitlichen Einbrüchen auf etwa 13 236 Punkte. Andere wichtige Indizes weltweit verzeichneten ähnliche Entwicklungen.
"Die Entwicklungen der vergangenen beiden Jahre zeigen einmal mehr, dass es wichtig ist, bei seinen Aktieninvestments geduldig dabei zu bleiben, um von langfristigen Aufwärtsbewegungen profitieren zu können", so Hartmann. "Schwankungen, wie wir sie im vierten Quartal 2018 gesehen haben, gehören einfach dazu."
Handelsstreits verunsicherten Märkte
Doch trotz der leichten Erholung belasteten Handelskonflikte und die Abkühlung der Weltwirtschaft nach Einschätzung der EZB auch 2019 die Konjunkturaussichten für den Euroraum. Die Europäische Kommission und die Bundesregierung rechneten nur noch mit einem Wirtschaftswachstum von etwa 0,5 Prozent im Jahr 2019. 2018 waren es noch 1,5 Prozent gewesen. Für das Jahr 2020 wird ein Zuwachs von 1,0 Prozent erwartet.
So verunsicherte der mögliche Brexit immer wieder die Märkte und ließ die Konjunktur schwächeln. Dazu kamen die Verwerfungen wegen des Handelsstreits zwischen den USA und China. "Das Hin und Her im Handelsstreit führte zu einem erheblichen Anstieg der Unsicherheit unter den Unternehmern und somit zu deutlicher Zurückhaltung von Investitionen", erläutert Bolsmann. Dabei sei auch der Einfluss von US-Präsident Donald Trumps Tweets spürbar gewesen.
Die Folge: Gold hat 2019 ein Comeback erlebt. Das Edelmetall gilt als stabil. Doch Erträge wie Dividenden wirft es anders als andere Anlageformen nicht ab. Nur wenn der Goldpreis steigt, profitieren Anleger - und dieser unterliegt Schwankungen. Eine sichere Aussage zur künftigen Wertentwicklung kann keiner treffen.
Experten: Etwas Auf und Ab muss sein
Anleger sollten ihre Strategie an die niedrigen Zinsen anpassen, raten die Experten. "Sachwerte, vor allem Aktien, stehen mehr denn je im Mittelpunkt für langfristig ausgerichtete Investoren", empfiehlt Hartmann. Interessant seien etwa Aktien mit regelmäßigen Dividendenausschüttungen. Beimischen könne man Edelmetalle wie Gold, die sich häufig gegenläufig zu Aktien entwickeln - und so das Depot stabilisieren.
Nachdem sich Aktien, Anleihen und Gold im vergangenen Jahr sehr ähnlich entwickelten, werde sich 2020 voraussichtlich ein breiter aufgestelltes Portfolio stärker lohnen, vermutet Bolsmann. So kann man Schwankungen besser ausgleichen. Er rechnet damit, dass Investoren 2020 mit zehnjährigen Bundesanleihen Verluste machen.
Unternehmensanleihen können dagegen weiter Zinsen liefern, so Bolsmanns Einschätzung. Käufer können sich dabei indirekt auch Stressereignisse wie politische Spannungen zunutze machen: Nach diesen sei der Risikoaufschlag erfahrungsgemäß oft niedriger, so dass auch Hochzinsanleihen von Emittenten mit schlechter Bonität zeitweise beigemischt werden können. Wer solch eine Strategie wählt, sollte sich aber an der Börse schon etwas auskennen und Risiken einschätzen können.
Oelmann rät ebenfalls, unterschiedliche Anlageformen zu mischen. "Der sogenannte Notgroschen kann ruhig aufs Tagesgeldkonto, aber viel mehr sollte da nicht liegen." Mehr Rendite bieten Oelmann zufolge etwa passiv gemanagte Indexfonds (ETFs). Sie bilden einen Index wie den Dax ab und streuen so das Risiko breiter als einzelne Aktien.