Gute Laune und rasante Action: Julian Nagelsmann und Assistent Benjamin Glück haben Spaß beim Austüfteln der richtigen Taktik. Fotos: Hinterramskogler
Von Joachim Klaehn
Windischgarsten. Die Ziele sind hochgesteckt beim Champions-League-Neuling TSG 1899 Hoffenheim. Auch wenn sich der Kraichgauklub mit seinem rund 60-köpfigen Tross zu einem moderaten Einstieg ins zweite Trainingslager entschied, die gespannte Erwartungshaltung und Vorfreude auf die nächste Dimension in der jungen Vereinshistorie ist deutlich spürbar. Auf dem hoteleigenen Trainingsgelände des Vier-Sterne-Wellnesstempels "Dilly’s", in der Ortsmitte von Windischgarsten gelegen, stellte Cheftrainer Julian Nagelsmann seinen Schützlingen nach einem knappen Monat Vorbereitung ein hervorragendes Zwischenzeugnis aus. "Wir sind deutlich weiter als im Vorjahr", sagte Nagelsmann am Spielfeldrand, "wenn wir morgen starten würden, ginge das. Die Jungs wirken alle total fokussiert, gierig und hungrig. Sie nehmen alles an wie vor einem Bundesliga-Spiel."
Am Sonntagabend waren die prominenten Fußballgäste in der beschaulichen Region Pyhrn-Priel angekommen. Hier fühlen sich die "Nagelsmänner" bis zum 5. August wie zu Hause, in Windischgarsten wurde 2017 der Grundstein für die erfolgreichste Saison in der Vereinshistorie gelegt. Alles sei hier nahezu perfekt - die Infrastruktur und die kurzen Wege, das Hotel, der Rasenplatz, die Umgebung mit einem teilweise spektakulären Bergpanorama.
Pünktlich am Montagmorgen um zehn Uhr erfolgte der sportliche Auftakt ins zweite Basiscamp nach dem Trainingslager von Garmisch-Partenkirchen. Nagelsmann trug das Flipchart mit Gestänge selbst auf das Feld - und los ging’s in drei Kleingruppen. Dynamisches Dehnen, Torwartübungen und erweiterte Grundschule mit dem Ball. Nach 30 Minuten und einer Trinkpause folgten die berühmt-berüchtigten Spielformen mit bis zu sechs Toren des ambitionierten Fußballlehrers. Ballbesitz und Anzahl der Ballkontakte, Umschaltspiel, eine Abseitslinie und Torabschluss in vorgegebenen Zonen, die rund 30 Kiebitze und eine Handvoll Medienvertreter erfreute sich an den Segmenten, aber auch an den präzisen Kommandos von Nagelsmann wie etwa: "Gegengleiche Bewegung mit Dynamik, Männer!"
Mitunter musste einer der Erfahrenen den Neuzugängen Abläufe und Übungsmuster erläutern, doch insgesamt ist der Kern des Teams in zweieinhalb Jahren unter Nagelsmann (Nichtabstieg, Rang vier, Rang drei) eng zusammengerückt und hat den Stil des fordernden-fördernden Trainers verinnerlicht. "Man merkt, dass ein großer Teil der Truppe schon lange da ist. Sie hören dies ja alles zum dritten Mal und können gewisse Dinge mitvermitteln", so Nagelsmann entspannt über die Integration der Neuzugänge Kasim Adams Nuhu, Joshua Brenet, Vincenzo Grifo, Leonardo Bittencourt, Ishak Belfodil und von Rückkehrer Joelinton (Rapid Wien).
Nach gut 90 Minuten geht die Einheit für 22 Feldspieler und drei Torhüter zu Ende, für Vogt, Demirbay, Amiri, Grifo, Bittencourt und Kaderabek sogar einen Tick eher, da sie zur Regeneration in die Eistonne dürfen. "Es war noch ein bisschen ein Reinkomm-Training", meinte Nagelsmann zum Thema der individuell angepassten Belastungssteuerung. Ab Dienstag wird es intensiver.
Trotz eines Überangebots von summa summarum 33 Profis bricht bis dato keine hektische Betriebsamkeit auf dem internen Hoffenheimer Markt aus, zumal das Transferfenster erst am 31. August schließen wird. "Sie haben alle Verträge hier - ich werde keinen wegschicken", spielte Nagelsmann den Ball an interessierte andere Vereine und wechselwillige Spieler weiter. Dass "Hoffe" freilich noch den Kader (Verkäufe, Leihen) reduzieren möchte, ist kein Betriebsgeheimnis. Siehe die Innenverteidigerposition mit momentan acht Akteuren …
Am Nachmittag durften die Cracks beim Teamevent im Hochseilgarten von Rosenau am Hengstpass jede Menge Adrenalin ausschütten. Der risikofreudige "Bergmensch" Nagelsmann geht auch hier stets voran. Rüstzeug für das große, bevorstehende "Abenteuer Königsklasse" kann den TSG-Tabellenkletterern von 2017/18 gewiss nicht schaden. Vor der elften Erstliga-Spielzeit heißt die TSG-Devise, Grenzen nach oben auszuloten.