Nagelsmann und Tedesco

Hochamt der Eitelkeiten

Die beiden Lehrgangskumpel mit Fachvorträgen über Fußballtaktik

18.02.2018 UPDATE: 19.02.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden

Domenico Tedesco

Von Andreas Morbach

Gelsenkirchen. Seinen Ruf als gewissenhafter Fußballdoktor pflegt Domenico Tedesco in Gelsenkirchen schon seit acht Monaten, doch die Expertise des 32-jährigen Deutsch-Italieners zum 2:1 seiner Mannschaft gegen Hoffenheim stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Tedescos Zuhörern im Presseraum der blau-weißen Arena brummten die Köpfe, als Schalkes Cheftrainer innerhalb weniger Sekunden gefühlte zehn taktische Umstellungen während der Partie aufdröselte und erklärte, wann er wie auf welche Systemänderungen des Kollegen Julian Nagelsmann reagiert hatte. Ehe er den kleinen Fachvortrag mit dem Hinweis auf den ganzheitlichen Ansatz in seiner Arbeit schloss: "Wir müssen immer die Ursachen bekämpfen, nicht die Symptome."

Der gebürtige Kalabrier ist ein besonders ehrgeiziger Mensch - genau wie der zwei Jahre jüngere Nagelsmann, von dem er in Hoffenheim einst die U19 übernahm. Den Trainerlehrgang schlossen die beiden im Frühling 2016 gemeinsam ab, Tedesco mit dem Schnitt von 1,0 als Jahrgangsbester. "Ich weiß diesen Titel einzuschätzen. Der mit der besten Note ist nicht immer der beste Trainer", pflegt Tedesco dabei gerne die Etikette der Bescheidenheit.

Während des Trainerlehrgangs bildeten er und Nagelsmann noch eine Fahrgemeinschaft - jetzt in der Bundesliga werden ihre Treffen zu einem Hochamt taktischer und sonstiger Eitelkeiten.

Beim Hinspiel im Kraichgau siegte Hoffenheim mit 2:0, nun gab’s auf Schalke die Revanche. Doch ehe der Verlierer des Samstagabends die verschlafene erste halbe Stunde seiner Elf als Kern der Niederlage freilegte, rügte er das schäbige Verhalten der Schiedsrichter, mit denen er nach Abpfiff leidenschaftlich diskutiert hatte.

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"Ich pflege gerne einen Umgangston, in dem keine beleidigenden Worte vorkommen. Das habe ich ihnen verklickert", berichtete Nagelsmann, dessen Ärger offensichtlich speziell auf Schiedsrichterassistent Robert Schröder abzielte. Der 32-Jährige aus Hannover knickte zu Beginn der zweiten Halbzeit an der Seitenlinie um, musste wegen Verdachts auf Bänderriss vom Vierten Offiziellen Guido Kleve vertreten werden.

Ob dieser skurrile Vorfall und die angeblichen Beleidigungen gegen Nagelsmann in einem Zusammenhang standen, blieb unklar. Der pikierte TSG-Coach erzählte nur so viel: "Fragen Sie direkt den Assistenten. Vielleicht sagt der was dazu, wahrscheinlich aber nicht."

Die Botschaft des gebürtigen Oberbayern an den DFB war klar. "Ich sage nichts - sonst sind wir Trainer wieder die Dummen. Aber die Schiedsrichter dürfen es scheinbar", beklagte Nagelsmann, dass im nationalen Dachverband offenbar mit zweierlei Maß gemessen wird. Genau auf dieser Welle surfte auch Domenico Tedesco - aber aus einem anderen Grund.

Der Freude über den ersten Heimsieg im Jahr 2018 durch die Treffer von Thilo Kehrer und Breel Embolo, der einen Blackout von Hoffenheims Kapitän Kevin Vogt nutzte, ließ er zwar freien Lauf. Auch lobte er seine oft als wenig unterhaltsame Ergebnismonster gescholtenen Profis, die nur das Anschlusstor durch Andrej Kramaric zuließen, gezielt für ihr "diesmal sehr vertikales, sehr mutiges Spiel". Zugleich wollte Tedesco vor Feierabend aber ebenfalls ein kritisches Wort an die DFB-Adresse loswerden.

Ihm ging es dabei nicht um schlechte Umgangsformen - sondern um eine Szene zwischen dem ersten und zweiten Schalker Tor, in der der 21-jährige Embolo Oliver Baumann schon einmal überlistet hatte. Via Videoassistent kassierte Referee Benjamin Brand den Treffer wieder ein. "In der Hinrunde haben wir so ein Tor gegen uns bekommen. Damals hieß es, das sei nicht überprüfbar, der Videobeweis trat nicht in Kraft", fiel Tedesco dazu ein. Sprach’s und ergänzte mit spitzer Zunge: "Da sind wir heute wieder eines Besseren belehrt worden."

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