Auch gegen Stuttgart volle Offensive
Coach Nagelsmann: "Tore sind die Würze auf dem Grillfleisch" - Obwohl er die Kehrseite der Medaille kennt

Will gegen Stuttgart sein Siegerlächeln zeigen: TSG-Trainer Julian Nagelsmann. F.: APF
Von Nikolas Beck
Zuzenhausen. Jede Medaille hat zwei Seiten. Es war in der Nacht auf Mittwoch, als sich Julian Nagelsmann das einmal mehr bewusst machte. "Ich kann nach Spielen immer relativ schwer einschlafen und habe viel Zeit nachzudenken", berichtete der Trainer der TSG 1899 Hoffenheim. Er habe im Bett gelegen und sich überlegt, was denn nun eigentlich überwiege: Zufriedenheit oder Enttäuschung?
Zufriedenheit darüber, mit seiner Mannschaft beim spektakulären 3:3 gegen Olympique Lyon abermals den Beweis geführt zu haben, dass man nicht zu unrecht in der Champions League spielen darf. Oder Enttäuschung, weil wieder einmal der Lohn für eine herausragende Leistung ausblieb. Zu einem endgültigen Ergebnis ist der grübelnde Trainer auch zwei Nächte später noch nicht gekommen. "Das ist immer ein bisschen zweischneidig", blickte Nagelsmann am Donnerstagvormittag noch einmal zurück.
Gemessen am Spielverlauf sei das Remis natürlich ärgerlich, ebenso für die Tabellenkonstellation. Dann müsse man aber auch auf die Verteilung der "psychologischen Momente" schauen. "Trotz eines seht guten Spiels geraten wir innerhalb von relativ kurzer Zeit in Rückstand - dann in der 91. Minute noch mal zu treffen, tat uns natürlich sehr gut."
Warum er nicht zum ersten Mal versuchen musste, die eigene Gefühlslage zu deuten, dazu habe er eine Theorie: "Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es am Ende des Tages einfach mehr auffällt, dass man großen Aufwand betreibt, aber der Ertrag nicht passt, wenn man eine Spielphilosophie hat, die sehr auf Dominanz ausgelegt ist", sagte der überzeugte Anhänger des Offensivfußballs.
Auch interessant
Und an seiner Herangehensweise wird Nagelsmann auch nichts ändern - ob Festspiel in der Königsklasse oder Bundesligaalltag, wie er zumindest auf dem Papier nicht trister sein könnte: Am Samstag kommt mit dem VfB Stuttgart der Vorletzte der Tabelle zur Topspielzeit um 18.30 Uhr in die Rhein-Neckar-Arena. Doch Nagelsmann ist gewarnt.
Nicht nur, weil im ausverkauften Stadion vermutlich eine hitzige Derbyatmosphäre herrschen wird. "Alleine schon deshalb, weil wir in der jüngeren Vergangenheit nicht immer die besten Erfahrungen mit dem VfB gemacht haben", so der "Hoffe"-Coach. Stimmt: Im Mai setzte es eine 0:2-Auswärtsniederlage, vor Stuttgarts Strafrunde in Liga zwei sogar ein 1:5 für das Team von Nagelsmann, der damals gerade die TSG-Profis übernommen hatte und sich aufmachte, den Klassenverbleib zu sichern.
"Ein neuer Trainer bringt meistens auch neuen Schwung", weiß der 31-Jährige also aus eigener Erfahrung und warnt, sich vom 0:4 beim Debüt des neuen VfB-Coaches Markus Weinzierl gegen Dortmund nicht blenden zu lassen.
Der Landsberger will auch nichts von einer vermeintlichen Favoritenrolle seiner Elf wissen. "Ich bin kein großer Freund von Favorit und ,Underdog’, außer man spielt vielleicht gegen ManCity oder Bayern München", sagte Nagelsmann. "Grundsätzlich ist es immer falsch, irgendeinen Gegner in der Bundesliga zu unterschätzen."
Apropos Bundesliga: In Deutschlands Oberhaus fallen im Schnitt über drei Tore pro Partie - keine andere europäische Topliga bietet mehr Spektakel. Ist es gar die attraktiveste Bundesliga aller Zeiten, Julian Nagelsmann? "Tore sind natürlich das Salz in der Suppe, die Würze auf dem Grillfleisch", so der TSG-Trainer.
Für ihn sei dies aber ein interessantes Beispiel, wie man Statistiken auslegen könne: Wären die deutschen Klubs international nicht so erfolgreich, würde man sagen, in Deutschland kann keiner verteidigen. "Jetzt stehen wir gerade ordentlich da - und es heißt, die Bundesliga ist attraktiv wie nie." Jede Medaille hat eben zwei Seiten.