Heidelberg ist keine Fußballstadt, oder etwa doch?
Heydecker hat mit dem SV Sandhausen große Pläne - Derby am Samstag gegen Darmstadt voller Brisanz

Dag Heydecker sieht Parallelen zum ehemaligen Arbeitgeber Mainz 05. Foto: vaf
Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Bayern-Trainer Hermann Gerland bezeichnete ihn als den "Eishockey-Spieler von der SAP". Dag Heydecker erinnert sich. Er erzählt schmunzelnd: "Ich habe als Hoffenheimer Geschäftsführer die Problematik angesprochen, dass Mehmet Scholl in der einen Woche in der Bundesliga spielt und in der nächsten Tore in der Regionalliga schießt."
Weder stand Heydecker jemals im Leben auf dem Eis, noch auf der Gehaltsliste des Software-Unternehmens. Der Lebenslauf des neuen Geschäftsführers beim Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen in Kürze: 57 Jahre alt, aufgewachsen in Bad Nauheim, gelernter Journalist, 27 Jahre Freier Mitarbeiter bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim, Marketing-Chef der SAP Arena und zuletzt zehn Jahre Geschäftsführer für den Marketingbereich beim Bundesligisten FSV Mainz 05.
Vor dem Derby gegen Darmstadt 98 am Samstag (13 Uhr/direkt bei Sky) sprach die Rhein-Neckar-Zeitung mit dem gebürtigen Darmstädter und neuen Sandhäuser Marketingleiter im Rang eines Geschäftsführers.
Jürgen Machmeier hat nach dem 2:0-Sieg in Duisburg den Abstiegskampf für beendet erklärt. Doch vier Spieltage vor Schluss sind vier Punkte Vorsprung kein dickes Polster. Geben Sie Ihrem Präsidenten trotzdem Recht?
Wir können alle rechnen. Aber wenn die Mannschaft so stark und stabil auftritt wie in den letzten drei Spielen ohne Niederlage, dann wird der SV Sandhausen mit absoluter Sicherheit nicht absteigen.
Und wenn doch, geht dann die Ära Dag Heydecker zu Ende, bevor sie richtig begonnen hat?
Nein. Mein Vertrag gilt auch für die Dritte Liga. Aber dieser Fall wird nicht eintreten.
Am Samstag kommt Darmstadt 98 an den Hardtwald. Für die abstiegsbedrohten Südhessen geht es um Alles oder Nichts. Wird Sandhausen wieder mal ein Auswärtsspiel im eigenen Stadion haben?
Das wollen wir verhindern. Darmstadt wird alles mobilisieren und ein paar Tausend Fans mit ins BWT-Stadion an den Hardtwald bringen. Aber auch wir machen Werbung. Am Montag waren bereits 8500 Karten verkauft. 2600 davon nach Darmstadt. Ich habe mit dem Mainzer Pressesprecher Tobias Sparwasser um ein Abendessen gewettet, dass wir am Samstag eine fünfstellige Zuschauerzahl haben werden.
Apropos Mainz, es gibt Leute, die sagen, dass Dag Heydecker nach zehn Jahren Bundesliga nach Sandhausen gewechselt ist, um in der Zweiten Liga seinen Vorruhestand zu genießen.
Das Gegenteil ist der Fall. Ich will hier was bewegen. Was der SV Sandhausen in den letzten Jahren geleistet hat, ist für mich eine der größten Sensationen im deutschen Fußball. Der Verein ist von Grund auf sympathisch. Das wollen wir vermitteln. Wir wollen eine emotionale Nähe herstellen. In der Region, aber auch in der Stadt Heidelberg sehe ich eine Menge Potenzial.
Heidelberg sei keine Fußballstadt, heißt es.
Das hat man von Mainz auch behauptet. Aber auch dort ist über die Jahre hinweg und schon weit vor meiner Zeit eine tolle Fußball-Kultur entstanden. Ich sehe durchaus die eine oder andere Parallele zwischen meinem früheren und jetzigen Arbeitgeber. Auch in Sandhausen wird aus wenig viel gemacht. In Mainz wird das übrigens erkannt. Nach dem Sieg in Duisburg habe ich von dort 176 Glückwunsch-SMS erhalten, auch Christian Heidel und Sandro Schwarz waren dabei.
Viele Fußballfreunde der Region haben dies noch nicht wahrgenommen. Zu den Heimspielen kommen im Schnitt kaum 6000 Zuschauer. In Duisburg waren 231 Sandhausen-Anhänger dabei. Sky hat sie gezählt.
Natürlich haben wir hier eine erstklassige Konkurrenz: 1899 Hoffenheim, die Adler und die Rhein-Neckar-Löwen. Andererseits, der SV Sandhausen spielt in der besten Zweiten Liga der Welt, zu der in der kommenden Runde vermutlich auch der Hamburger SV und der 1. FC Köln gehören werden. Wir haben uns fußballerisch weiter entwickelt und einen der besten Trainer der Klasse. Wir werden versuchen, uns ebenfalls als Marke zu etablieren und zeigen, was den SV Sandhausen ausmacht. Das geht aber nicht von heute auf morgen und nur im Teamwork.
Sollten der HSV und Köln absteigen, wird sich die Zahl der ehemaligen deutschen Meister noch erhöhen. Mittendrin das kleine Sandhausen.
Gemessen an den knapp 15.000 Einwohnern sind 6000 Zuschauer nicht so schlecht. Überträgt man es auf Berlin mit seinen dreieinhalb Millionen Einwohnern müssten zu jedem Spiel von Hertha BSC so um die 1,6 Millionen Zuschauer kommen. Das bedeutet nicht, dass wir uns zufrieden geben. Wir haben mit dem Fan-Beauftragten Frank Löhnung und unseren kreativen Fans bereits einige Ideen besprochen. Sandhausen muss und wird auch präsenter werden in der Region.
Der Terminkalender in der 2. Bundesliga meint es gut.
Richtig. Am Samstag bei der Partie gegen Darmstadt ist alles dabei, was den Fußball interessant macht: Ein Nachbarschaftstreffen mit Endspiel-Stimmung. Und dann kommt Nürnberg, das am Hardtwald die Rückkehr in die Bundesliga feiern will.
Dennoch, warum steigt ein Top-Mann wie Dag Heydecker freiwillig aus der Bundesliga ab?
Ich wohne seit Kurzem wieder in Walldorf. In der Nähe leben drei meiner vier Töchter. Die Metropolregion ist zu meiner zweiten Heimat geworden und ich kenne hier wahnsinnig viele Leute. Jürgen Machmeier und Otmar Schork, mit dem ich seit vielen Jahren befreundet bin, hatten es nicht zu schwer, mich von der neuen Aufgabe zu überzeugen.