Tim Kister und Nils Röseler (v.l.) sind untröstlich, während die Spieler des FC St. Pauli jubeln. Auswärts bleibt Sandhausen schwach. Foto: dpa
Von Claus Weber
Hamburg/Sandhausen.Kenan Kocak sei Dank. Der ehemalige Trainer des SV Sandhausen gewann am Samstag mit Hannover 96 das Niedersachsen-Derby gegen Eintracht Braunschweig nach 0:1-Rückstand noch mit 2:1. Braunschweig blieb damit Vorletzter und Sandhausen konnte den Relegationsplatz trotz der 1:2-Pleite am Abend zuvor beim FC St. Pauli behaupten.
Die Lage für die Kurpfälzer hat sich dennoch zugespitzt. Mit St. Pauli ließen sie einen direkten Konkurrenten, der monatelang hinter ihnen lag, davonziehen. Da zudem Nürnberg in Darmstadt gewann, vergrößerte sich der Rückstand aufs rettende Ufer auf vier Punkte.
Die Niederlage im Kellerduell auf dem Kiez war verdient, das musste selbst Mikayil Kabaca zugeben – auch wenn sie durch einen abgefälschten Schuss unglücklich eingeläutet worden war. "Wenn man das Spiel über 90 Minuten betrachtet, war es zu wenig", sagte der Sportliche Leiter, "spielerisch haben wir es gar nicht auf den Platz bekommen, kämpferisch will ich keinem etwas vorwerfen, aber im Abstiegskampf muss man mehr dagegenhalten."
Nach ermutigenden Ergebnissen gegen Heidenheim (4:0), Nürnberg (2:0) und Bochum (1:1) verfiel die Mannschaft in alte Muster: vorne harmlos, in der Mitte ideenlos und hinten fehlerhaft.
Ähnlich wie der Sportchef kritisierte auch Jürgen Machmeier das Team. "Zu wenig für den Abstiegskampf", lautete das Urteil des Präsidenten.
In die Kritik geraten aber auch zunehmend Michael Schiele und Mikayil Kabaca. Der Trainer wird für seine schwache Bilanz (neun Niederlagen mit 14:31 Toren in 13 Pflichtspielen) gerügt, der Sportchef für die Zusammenstellung des Kaders.
Allerdings wurden die Entscheidungen vor allem im Sommer unter Trainer-Vorgänger Uwe Koschinat getroffen. Zu alt, zu satt, zu teuer sei die Mannschaft, so der begründete Verdacht. Jürgen Machmeier hat eingestanden, dass das Teamgefüge und die Hierarchie durcheinandergeraten sind, dass man zu viel des Guten gewollt und nun zu viele Häuptlinge und zu wenige Indianer im Team hat. Dass der SV Sandhausen nach acht Jahren Abstiegskampf höhere Ziele ausgegeben hat, war nachvollziehbar und richtig, doch an der Umsetzung hat es gehapert.
Im Winter gegenzusteuern, ist fast unmöglich. Unterschiedsspieler sind dann nicht zu haben. Dennis Diekmeier stellte vor zwei Jahren die große Ausnahme dar.
Ein abschließendes Urteil über die Neuen wäre allerdings verfrüht. Die Leihe von Stefanos Kapino war riskant, brachte vermutlich neue Unruhe ins Team, weil Ersatzmann Rick Wulle seine Chance nach dem Rauswurf von Martin Fraisl eigentlich gut genutzt hatte.
Allerdings: Der ehemalige griechische Nationaltorwart ist eine Verstärkung, hat in bislang vier Partien erst einmal einen kleinen Fehler gezeigt, am Freitag in St. Pauli, als er sich beim Rauslaufen verschätzt hat und Sandhausen auch deshalb in Rückstand geraten ist.
Bei den Fans hat Michael Schiele keinen Kredit mehr. Für sie ist es fünf nach zwölf. Die Forderung nach einer Rückkehr von Ex-Trainer Alois Schwartz wird lauter.
Die erschreckende Auswärtsschwäche – neun von zehn Partien gingen verloren – erhöht den Druck in den Heimspielen. Mit dem Karlsruher SC kommt am Samstag (13 Uhr/Sky) eine der besseren Mannschaften der Liga zum Derby. "In Sandhausen wird niemals jemand aufgeben", sagt Jürgen Machmeier. Durchhalteparolen?