Rurik Gislason (r) fühlte sich gemobbt, Sandhausen spricht von „schlechtem Stil“. Foto: vaf
Von Wolfgang Brück
Sandhausen. Vor dem gegnerischen Tor hatte Rurik Gislason mehr als zwei Jahre lang Ladehemmung. Doch jetzt schießt der Stürmer scharf. In einem Interview mit Radio Regenbogen erhebt der isländische Nationalspieler schwere Vorwürfe gegen den SV Sandhausen. Sie gipfeln darin, dass er den Präsidenten Jürgen Machmeier, den Sportlichen Leiter Mikayil Kabaca und Trainer Uwe Koschinat als "rotten characters" bezeichnet. Zu deutsch: Verdorbene Charaktere.
Der 32-jährige Profi fühlt sich vom SV Sandhausen "gemobbt". Der Streit entbrannte, nachdem Gislason nach einem dreiwöchigen Sonderurlaub im April aus Reykjavík zurückgekehrt war. Dort hatte er seine 66-Jährige schwer kranke Mutter in den Tod begleitet. Danach weigerte sich der Isländer, wegen der Corona-Krise auf einen Teil seines Gehaltes zu verzichten. Die Rede ist von 20 Prozent, nach RNZ-Informationen soll der Betrag aber weitaus geringer gewesen sein.
"Alle Profis, Trainer und Betreuer haben unterschrieben", sagt der Sportliche Leiter Kabaca, "auch Rurik war in einem Telefongespräch damit einverstanden. Zurück in Sandhausen wollte er davon nichts mehr wissen." Ihm schwebte vor, das Geld an eine wohltätige Einrichtung zu spenden. Damit wäre dem Zweitligisten, der wie fast alle Profiklubs ums Überleben kämpfte, aber nicht geholfen gewesen.
Nicht nur das "gestörte Vertrauensverhältnis" (Kabaca) führte zum Bruch. "Rurik kam in einer desolaten körperlichen Verfassung aus Island zurück", stellt Machmeier fest Der Präsident: "Hätten wir ihn mit der Mannschaft trainieren lassen, wäre die Verletzungsgefahr groß gewesen. Deshalb haben ihn die Trainer erst mal in den Wald geschickt." Von einem Hausverbot könne keine Rede sein.
Gislason fasste es anders auf. Er habe über Wochen nicht mehr bei der Mannschaft sein und das Trainingsgelände betreten dürfen. "Deshalb habe ich meinen Anwalt eingeschaltet", sagte er zu Regenbogen-Sportreporter Francesco Romano. Der Profi behauptet: "Ich war top-fit. Ich habe mich an die Pläne von Athletik-Coach Dirk Stelly gehalten, ich bin immer gelaufen. Um Sandhausen helfen zu können, habe ich sogar die Beerdigung meiner Mutter verpasst. Es ist Bullshit, wenn behauptet wird, dass ich nicht so fit wie die anderen war. Das sollen die fantastischen Fans wissen."
Machmeier kann die Anschuldigungen in keiner Weise nachvollziehen. Seine erste Reaktion: "Ich bin perplex." Gerade er habe Rurik immer wieder in Schutz genommen, obwohl die Leistungen gegen ihn sprachen", sagte der Boss.
In 55 Spielen für den SV Sandhausen erzielte der Stürmer gerade mal drei Tore. Sein letztes am 1. April 2018. Zuvor war er in 30 Spielen für den 1. FC Nürnberg völlig leer ausgegangen. Dennoch verlängerte Sandhausen nach einem starken ersten Halbjahr den Vertrag. Zu besten Konditionen. Wie die RNZ herausfand, soll der Nationalspieler rund 400.000 Euro jährlich verdient haben. Damit war er Spitzenverdiener.
Doch von der WM in Russland, wo er eine knappe halbe Stunde gegen Argentinien und Lionel Messi spielen durfte, kam er nicht gestärkt zurück. Zwar wurde er mit dem Prädikat "Schönster Spieler der WM" bedacht und stieg die Zahl seiner Follower in den sozialen Medien von 40.000 auf über eine Million, doch auf dem Platz war wenig zu sehen von #sexyrurik. Deshalb wurde das Arbeitspapier nicht verlängert. .Machmeier: "Er war mehr mit seiner neuen Rolle als Model beschäftigt." Die Rhein-Neckar-Zeitung schrieb: "Schönheit schießt keine Tore."
Der Präsident spricht von der "größten Enttäuschung der letzten Jahre", der sportliche Leiter von "schlechtem Stil". Mikayil Kabaca meint: "Wer eine Saison wie Rurik hinter sich hat, sollte besser in sich gehen, als auf diese Weise noch mal gegen seinen Ex-Verein nachzutreten."