Tischtennis

Noch einmal wie in Alicante?

Timo Boll gibt auch mit 41 Jahren kein Spiel verloren.

19.08.2022 UPDATE: 19.08.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 1 Sekunde
Noch lange nicht am Ende: Timo Boll nimmt gerade an seiner 18. EM teil. Foto: dpa

Von Michael Rappe

München. Wenn es doch diese verflixten Chinesen nicht gäbe. Dann wäre Timo Boll aus Höchst im Odenwald nicht nur Rekord-Europameister, sondern vermutlich auch Weltmeister und Olympiasieger, und das womöglich im Einzel, Doppel und mit der Mannschaft. Im Alter von 41 Jahren bestreitet er nun seine 18. (!) Europameisterschaft, 27 Medaillen gab es dabei.

Doch einer wie er gibt nicht auf, allen Verletzungen zum Trotz. Das waren in den letzten Jahren nicht wenige, und auch vor diesen EM-Tagen in München war die Vorbereitung nicht ideal. Die Folgen eines Rippenbruchs ließen kontinuierliches Training nicht zu. Er fuhr mehr auf dem Ergometer, als dass er am Tisch stand. Es war zwar schade, dass das aussichtsreiche Doppel mit Patrick Franziska nicht zustande kam, weil dieser kurz vor dem Turnierstart Vater eines Sohnes wurde, für seinen Körper war dies sicher hilfreich. Sozusagen "aus der kalten Hose" musste er bei diesen Titelkämpfen antreten, und doch gibt es nicht wenige, die ihm eine Medaille oder gar den Titel zutrauen.

Er selbst erinnerte an die EM 2018 in Alicante: "Da war es ähnlich, ich hatte auch eine Verletzung vorab, wenig Training, die erste Runde gerade so überstanden mit einem hohen Rückstand gegen einen jungen Spieler.” Am Ende hatte er seinen siebten EM-Einzeltitel gewonnen.

Boll ist ein großer Kämpfer, und seine Fans sind ihm wichtig. Und dafür lieben sie ihn. Der Siebensatzkrimi am Mittwoch gegen das 20-jährige polnische Talent Samuel Kulczycki hätte wohl mit einer Niederlage geendet, wenn die Zuschauer ihn nicht vorwärts gepeitscht hätten. 1:3 nach Sätzen und 3:7 lag Boll zurück, die Partie schien verloren. Doch der größte deutsche Tischtennisspieler aller Zeiten wollte nicht in Runde eins die Segel streichen. "Ich habe mich und die Zuschauer angeknipst", sagte er zur Wende im fünften Satz. "Auf geht’s Timo, auf geht’s", schallte es immer wieder von den Rängen. Danach lief es bei ihm, den sechsten Satz gewann er unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer mit 11:1, den letzten dann mit 11:5. Mit einem sensationellen Vorhandschlag beendete der Düsseldorfer den Satz, stehende Ovationen in der Rudi-Sedlmayr-Halle folgten. An diesem Freitag trifft er auf den Tschechen Lubomir Jancarik, und falls er diesen schlägt, wartet am Abend noch eine zweite Partie auf ihn. Am Donnerstag hatten die Männer frei, Boll konnte sich erholen und trainieren.

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Zweifellos rückt das Karriereende näher, doch ausgeschlossen ist selbst ein Start bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris nicht. "Ich habe immer noch Spaß am Tischtennis und will das Karriereende hinauszögern, wenn der Körper mitmacht. Es hört sich verrückt an, aber ich werde es versuchen, wenn ich immer noch in der Form bin, um zum Team zu gehören", sagte Boll.

Aber selbst, falls er noch vorher aufhören sollte, er ist schon eine Legende. In China ist der Fahnenträger der deutschen Olympiamannschaft 2016 in Rio ein Superstar und sogar einer der bekanntesten Deutschen überhaupt. Bei seinen sporadischen Einsätzen in der chinesischen Superliga wurde er stets gefeiert. Die Chinesen schätzen und fürchten ihn sehr, nicht umsonst haben sie häufig Spieler ausgebildet, die seinen Stil kopieren sollten. Trotzdem hat er fast alle Größen des chinesischen Tischtennissports zumindest einmal geschlagen. Bei dieser EM warten keine Chinesen auf ihn, vielleicht kann er das zum neunten Titel nutzen.

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