KSC-Fans sind nun im Visier der Fahnder
Die Polizei durchsuchte zahlreiche Wohnungen nach Pyrotechnik. Der Anwalt kritisiert das harte Vorgehen der Behörden.

Von Christoph Ruf
Karlsruhe. Der Dienstagmorgen begann für einige Fans des Karlsruher SC mit einer unangenehmen Überraschung: Sie erhielten Besuch von der Polizei, die Razzien in deren Privaträumen durchführte. Betroffen waren dabei Wohnungen in Karlsruhe Stadt und Land, den Landkreisen Rhein-Neckar, Baden-Baden, Rastatt sowie dem Ortenau- und dem Neckar-Odenwald-Kreis. Dabei seien "pyrotechnische Gegenstände und Vermummungsmaterialien" gefunden worden, heißt es in einer Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Anlass sei das "massive Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände am 12.11.2022" beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli gewesen. Ermittelt wurde wegen des "Verdachts der schweren Gefährdung durch Freisetzen von Giften", der "gefährlichen Körperverletzung" sowie "Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz".
Bei der Razzia, an der rund 100 Beamte insgesamt 25 Objekte durchsuchten, soll es zum Teil zu Szenen wie in einem US-Krimi gekommen sein: Ein betroffener Fan berichtet, dass zuerst seine Tür eingetreten wurde, und dann bei der Durchsuchung der Wohnräume weiterer Sachschaden entstanden sei. Eine andere Person wurde an ihrem Arbeitsplatz in Gewahrsam genommen – unter dem Einsatz von Handschellen. Dem Vernehmen nach sei bei einigen Durchsuchungen zuerst geklingelt worden, bei einigen anderen seien die Türen aber ohne Vorwarnung eingetreten worden.
Von der Maßnahme betroffen waren offenbar auch einzelne Angestellte des Sicherheitsdienstes, sie sollen bei den Eingangskontrollen beide Augen zugedrückt haben. "Aus ermittlungstaktischen Gründen" wollte das die Polizei weder bestätigen noch kommentieren. Am Dienstagnachmittag gab sie bekannt, dass es keine Verhaftungen gegeben habe. Man ermittle nun weiter und sichte das sichergestellte Material, zu dem auch Mobiltelefone und Speichermedien gehören.
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Es ist davon auszugehen, dass die betroffenen Fans dem Umfeld der Ultragruppe "Rheinfire" angehören. Die hatte ihr 20-jähriges Jubiläum vor dem Spiel so exzessiv mit Pyrotechnik und Feuerwerk gefeiert, dass die Partie eine Viertelstunde später angepfiffen werden musste – auch weil der Rauch unter dem vorstehenden Tribünendach nicht abziehen konnte. Die von Ultragruppen gerne getätigte Behauptung, Pyrotechnik sei, wenn sie richtig gehandhabt werde, ungefährlich, wurde am 12. November erschüttert. Nach Vereinsangaben erlitten damals neun Personen eine Rauchgasvergiftung.
Der Verein habe daraufhin unter anderem mit den vier Ultragruppen "kritisch, offen und vertrauensvoll" diskutiert, wie KSC-Sprecher Michael Wolf am Dienstag erklärte. Einstweilen habe man ein Verbot großer Choreografien beschlossen, im Wiederholungsfall drohen von Vereinsseite strengere Strafen. "Von unserer Seite war alles geklärt", sagt Wolf, dessen Verein auf eine eigene Stellungnahme verzichtete. Der auf Fan-Angelegenheiten spezialisierte Anwalt René Lau ist indes wenig verwundert über die Razzien. Unabhängig davon, wie man zu Pyrotechnik stehe, gebe es keinen Grund, die Fans so zu behandeln, als hätten sie sich der schweren Körperverletzung oder schlimmerer Delikte schuldig gemacht. Doch zum einen sei "die Karlsruher Staatsanwaltschaft dafür bekannt, dass sie im Fußball-Kontext gerne mit Kanonen auf Spatzen schießt". Und zum anderen entspräche das Vorgehen der bundesweiten polizeilichen Linie seit dem Ende des Corona-Spielbetriebes: "Von dem vorher begangenen Weg, auf Dialog und Deeskalation zu setzen, ist nichts mehr zu merken."