Märchen-Reise endet nach packendem Overtime-Krimi
Die Basketballer scheiden durch das 82:94 gegen den Meister im Halbfinale aus.

Von Nikolas Beck
Heidelberg. Um 22.26 Uhr ertönte am Dienstagabend die finale Sirene. Sie beendete nicht nur Spiel vier der Halbfinalserie gegen Bayern München. Sondern auch eine 290 Tage andauernde, fast märchenhafte Reise der MLP Academics.
Was mit dem Heidelberg Basketball-Cup im vergangenen August begonnen hatte, führte die Jungs vom Neckar in ungeahnte Höhen. Daran erinnerte Sportchef Alex Vogel vor der Partie einmal mehr: "Wir können wahnsinnig stolz sein, dass wir es schaffen können, mit einem Heimsieg ein Spiel fünf im Halbfinale zu erzwingen."
Keine Widerrede! Wenngleich es mit Spiel fünf durch die 82:94 (79:79/41:36)-Niederlage nach Verlängerung, die dritte gegen den Meister hintereinander, nichts wird. Für den Branchenprimus geht’s in die Finalserie, die am Sonntag in München gegen Würzburg oder Ulm beginnt, für die Academics in den wohlverdienten Urlaub.
Nicht allerdings, ohne den Titelfavoriten noch einmal in einen packenden Basketball-Thriller zu verwickeln. Samt Last-Minute-Rettung in die Overtime.
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Doch der Reihe nach: Die Marschrichtung hatte Vogel vorgegeben. "Heute geht es darum, in diesem einen Spiel noch mal alles rauszuhauen."
Und viel besser hätten die Schützlinge von Head Coach Danny Jansson das nicht umsetzen können. Im mit 4568 Zuschauern einmal mehr ausverkauften SNP Dome machten Bakary Dibba, DJ Horne und Co. mit dem ersten Sprungball deutlich, dass sie alles andere als bereit waren, sich dem großen Favoriten kampflos zu ergeben.
Dibba erzielte nach nur sieben Sekunden die ersten Punkte des Spiels von der Freiwurflinie, Münchens Jack White antwortete per erfolgreichem Dreier zur ersten – und vorerst auch letzten Führung der Gäste. Heidelberger Herrlichkeit im Hexenkessel herrschte fortan.
Ob’s an Janssons Schachzug lag, erstmals in dieser Serie Michael Weathers (für Paul Zipser) in die erste Fünf zu stellen? "Die Jungs glauben daran, dass sie die Bayern noch mal schlagen können", hatte Vogel versprochen. Nach dem offensiv wie defensiv bärenstarken 28:14 nach dem ersten Viertel teilte auch das Publikum diesen Glauben.
Auch in den vorangegangen beiden Partien, die mit minus 29 und minus 30 aus Sicht der Academics ein bitteres Ende fanden, hatten sie in der ersten Halbzeit zumindest gut mitgehalten. Diesmal bestimmten sie das Geschehen, lagen viereinhalb Minuten vor der Pause mit 17 Zählern in Front (37:20).
Doch die Bayern wären nicht die Bayern, würden sie nicht stets eine passende Antwort parat haben. Mit einem 10:0-Lauf beendete das Team von Weltmeister-Trainer Gordie Herbert die erste Halbzeit, verkürzte binnen weniger Minuten auf minus fünf (41:36).
Was er seinen Spielern in der Halbzeitpause deshalb mit auf den Weg gab, verriet Jansson im Pauseninterview. "Wenn wir das Tempo drosseln, wird es Bayerns Spiel. Wir müssen weiter Gas geben, ins Laufen kommen – dann haben wir vielleicht eine Chance", so der Finne.
Ein Spiel auf des Messers Schneide war’s nun. Als Niels Giffey per erfolgreichem Dreier ausgleichen konnte, schwante so manchem Böses. Doch die Academics zeigten sich wesentlich resilienter als in den vorangegangenen Partien, blieben am Ball und in Front.
DJ Horne, der elf Punkte im ersten Viertel erzielt hatte, danach aber erst einmal keinen mehr, traf mit Ablauf der Schussuhr aus der Distanz (57:52/28.). Münchens Shabazz Napier flog artistisch zum Ende des dritten Viertels zum Korb (62:58.).
"Wir geben hier keine Zentimeter nach", schwor Hallensprecher Kevin Gerwin die Halle vor den finalen zehn Minuten noch einmal ein. Als ob das nötig gewesen wäre! Der SNP Dome bleibt ein Tollhaus, im vierten Viertel, in dem die Heidelberger schon so manchem Gegner den Zahn gezogen hatten, ganz besonders.
Diesmal sah es dennoch lange so aus, als würde auch der lautstärkste Support nichts helfen. 25 Sekunden vor Schluss musste DJ Horne mit seinem fünften Foul vom Feld – und Napier verwandelte die folgenden Freiwürfe (70:75). Die vorentscheidenden? Mitnichten! Niki Würzner 17 Sekunden und Erol Ersek fünf Sekunden vor Schluss verwandelten zwei wilde Dreier und schickten die Partie tatsächlich noch mal in die Verlängerung (79:79).
Es war der pure Wahnsinn, aber auch das letzte Aufbäumen. Lediglich Weathers von der Freiwurflinie punktete in den fünf Minuten Basketball-Zuschlag noch für die Academics, die selbstredend trotzdem gebührend gefeiert wurden.
Die Reise ist zu Ende. Von diesem Märchen wird man sich in Heidelberg aber noch lange erzählen.
Heidelberg: Horne 17 (5), Weathers 16, Dibba 12, Mikesell 10 (1), Zipser 8, Keßen 7 (1), Würzner 7 (1), Ersek 3 (1), O’Brien 2.
München: Obst 19 (5), Napier 19 (3), Giffey 13 (4), Lucic 10 (2), Voigtmann 10 (2), Booker 7 (1), Weiler-Babb 7 (1), White 6 (1), Hollatz 3.
Stenogramm: 6:3 (3.), 16:5 (6.), 23:9 (8.), 28:14 (1. Viertel), 33:17 (23), 41:26 (27.), 41:36 (Halbzeit), 50:50 (25.), 57:52 (28.), 62:58 (3. Viertel), 65:63 (33.), 70:72 (38.), 79:79 (4. Viertel), 82:94 (Endstand).