Mit Weltrekordler Karlos Nasar will der TSV Heinsheim in die 1. Bundesliga
Die Verpflichtung des Bulgaren sorgte für Aufsehen. Nun steht die Premiere beim Heimkampf gegen den SGV Böbingen an. Wird die Heinsheimer Hebe-Bühne nun zur "Bebe-Bühne"?

Von Eric Schmidt
Bad Rappenau-Heinsheim. Martina Dosquet staunte nicht schlecht. Als die Abteilungsleiterin des TSV Heinsheim an einem Freitag im Juni in der Josef-Müller-Halle vorbeischaute, traf sie doch tatsächlich Robin Künzel an. Der Gewichtheber der ersten Mannschaft war trotz Sommerpause im Trainingsraum zugange und hievte Hanteln in die Höhe. "Aber du weißt, dass es erst im November losgeht", sagte Dosquet. "Ich weiß", antwortete Künzel und hob weiter.
Das Beispiel des unermüdlichen Künzels zeigt: Der TSV Heinsheim hat viel vor, sehr viel sogar. Wenn am Samstag, 20 Uhr, mit dem Heimkampf gegen den SGV Böbingen die neue Saison beginnt, will er vorne mitmischen. Nein, er will nicht nur Meister seiner Staffel, der Gruppe C, werden.
Er will im Olympiastützpunkt Heidelberg auch das "Final Three", das Aufstiegsfinale gegen die Meister der anderen beiden Zweitliga-Staffeln, gewinnen. Ob der TSV dann auch den Aufstieg in die 1. Bundesliga wahrnehmen würde? "Wir würden es gerne schaffen, ja", bekräftigt Martina Dosquet.
Prominenter Neuzugang
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Es sind neue, forsche Töne des sonst so bescheidenen TSV Heinsheim. Der Grund für das gestiegene Selbstbewusstsein: Der Verein am Ufer des Neckars hat einen richtig dicken Fisch an Land gezogen: Karlos Nasar. Der 19-jährige Bulgare ist Weltmeister des Jahres 2022, in diesem Jahr wurde er in Eriwan/Armenien Europameister im Stoßen und im Zweikampf – er holte Silber im Reißen und stellte nebenbei noch mehrere Weltrekorde auf. Martina Dosquet ist sich sicher: Die Heinsheimer Hebe-Bühne wird dank seines Mitwirkens zur Bebe-Bühne: "Er wird die Halle zum Beben bringen", erklärt die First Lady der Gewichtheber.
Dass Nasar bei seiner Premiere in Heinsheim wie in Eriwan 174 Kilogramm reißt und 221 Kilogramm stößt, ist eher nicht zu erwarten. Denn: Kaum war er Europameister und Weltrekordler, verletzte er sich im Bad eines Hotels in Sofia folgenschwer. Wie dieses Missgeschick passierte, wäre Stoff für jede Pleiten-Pech-und-Pannenshow. "Er stand unter der Dusche, als er gemerkt hat, dass er das Shampoo vergessen hat. Er ging raus aus der Dusche und hat sich am Waschbecken abgestützt. Das Waschbecken ist runtergekracht und hat ihm kerzengerade die Achillessehne durchtrennt", berichtet Dosquet. "Statt zur Ehrung ging es dann zur Not-OP."
Der Schock saß tief. Dank Betreuer Iliyan Tzankov und dessen exzellenten Kontakten nach Bulgarien konnte der TSV mit Gabriel Marinov Ersatz verpflichten. Der 19-Jährige ist mehr als nur ein Backup. Bei der EM krallte sich Marinov in der Gewichtsklasse bis 61 Kilogramm die Bronzemedaille. Am Samstag wird er Publikumsliebling Bozhidar Andreev vertreten, der aufgrund muskulärer Probleme passen muss. Karlos Nasar ist dagegen einsatzbereit.
Ansonsten stehen die bewährten Kräfte parat. Bis auf Nikolai Georgiev, der dem TSV nicht mehr angehört, packen Robin Künzel, Christian Martens, Patrick Carvalho, Natalie Fein und Amelie Burkert mit an. Sie scheinen gut in Schuss zu sein. Ein Vorteil des TSV: Vier seiner sechs Wettkämpfe darf er zu Hause bestreiten, der AC Weinheim hat sein Heimrecht getauscht.
Martina Dosquet redet nicht um den heißen Brei herum: "Wir sind in der Favoritenrolle und nehmen diese auch an", erklärt die Abteilungsleiterin, betont aber: "Dafür muss die Mannschaft möglichst verletzungsfrei durch die Runde kommen. Wichtig ist auch, dass unsere bulgarischen Athleten trotz Olympia im nächsten Jahr verlässlich ihre Wettkämpfe bestreiten."
Der Heimkampf am Samstag gegen Böbingen dient als erster Gradmesser. Der SGV ist nicht irgendwer. In der vergangenen Saison wurde er Meister in der Staffel B und scheiterte in der Aufstiegsrunde, vor wenigen Wochen führte er sich mit einem 3:0 (502,1:397,4)-Erfolg gegen den Kraftclub am Lech in die neue Saison ein. Zum besten Heber avancierte dabei David Mahovsky mit 96,4 Punkten.
Der TSV freut sich auf das Kräftemessen, dem ersten seit 24 Jahren gegen diesen Gegner, und peilt 650 Punkte an. Was geschehen kann, zeigte der Saisonauftakt, als der AC St. Ilgen eine überraschende 1:2-Schlappe gegen das A-Team Lifting aus Augsburg einstecken musste – einer der AC-Aktiven hatte im Stoßen gepatzt und ein "Loch" fabriziert; nicht einer seiner drei Versuche war gültig. "Das sollte uns bitte nicht passieren", hofft Martina Dosquet.
Ein Weltmeister und Weltrekordler beim TSV Heinsheim
Die Verpflichtung von Karlos Nasar hat in der Gewichtheber-Szene viel Staub aufgewirbelt. "Es gab da ein paar Leute, die waren richtig beleidigt. Ein Vorwurf lautete: ,Das Geld hätte man doch besser in die Jugendarbeit stecken können’", sagt Abteilungsleiterin Martina Dosquet und kontert: "Man kann uns ja viel vorwerfen, aber nicht, dass wir unsere Jugendarbeit vernachlässigen."
Klar ist: Weltklasse-Athleten wie Karlos Nasar und Bozhidar Andreev heben nicht zum Nulltarif. Aber sie könnten andernorts weit mehr verdienen. "Bozhidar hatte viel bessere Angebote. Aber er wollte unbedingt bei uns bleiben. Wir haben – auch dank Iliyan Tzankov – einen sehr guten Ruf in Bulgarien." Im Falle von Karlos Nadar sei es sein Trainer gewesen, der den Kontakt gesucht habe. "Er ist auf uns zugekommen", sagt Dosquet, die klarstellt: Harakiri-Abenteuer ist der TSV nicht eingegangen.
"Wir haben es so finanziert, dass wir es uns drei, vier Jahre leisten können. Normalerweise planen wir für einen Zeitraum von zehn Jahren." Der ein oder andere Sponsor sei entgegengekommen, außerdem werde man 2024 nicht nur eine Bezirks-, sondern auch zwei baden-württembergische Meisterschaften ausrichten. esc