Hat sich "irgendein Asozialer in unseren Block" geschmuggelt?
Beim 1:1 in Augsburg detoniert ein Böller in der Hoffenheimer Fankurve und verletzt elf Menschen. Zwei Verdächtige sind in Gewahrsam – und haben lebenslanges Stadionverbot.

Von Achim Wittich
Augsburg. Es war die 57. Spielminute am Samstagnachmittag in der Augsburger Arena, als ein Fußballspiel durch einen ohrenbetäubenden Knall zur Nebensache wurde. Wie die Polizei am Montag danach berichtete, wurden insgesamt 13 Personen verletzt, darunter Kinder und Jugendliche. Mittlerweile seien zwei 28-jährige Tatverdächtige ermittelt wurde und befinden sich in Untersuchungshaft. Die Kriminalpolizei Augsburg ermittelt wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion.
Die TSG Hoffenheim hat den mutmaßlichen Böller-Werfern ein lebenslanges Hausverbot ausgesprochen: "Für solche Menschen ist kein Platz in der Hoffenheimer Kurve. Nie mehr", sagte TSG-Geschäftsführer Alexander Rosen am Montag und bedankte sich bei der TSG-Fanszene, die offenbar dabei geholfen hatten, die Verdächtigen zu ermitteln.

Felix Brych, international gestählter Schiedsrichter der Partie zwischen dem heimischen FCA und der TSG Hoffenheim (1:1), sagte bereits am Samstag in der Interviewzone: "Ich habe so etwas noch nie erlebt, noch nie so einen lauten Knall in einem Fußballstadion gehört." Dem RNZ-Berichterstatter erging es nicht anders. Weit oben auf der Pressetribüne vom Detonationspunkt im "Hoffe"-Fanblock gebührend weit entfernt, zuckte nicht nur er zusammen.
Unweit der Eckfahne war ein Knallkörper explodiert. Sanitäter sprinteten über den Rasen, um augenscheinlich verletzten Personen zu Hilfe zu eilen. Eine Plane wurde zur Abdeckung benutzt, TSG-Fans leisteten mit ihren Fahnen Sichtschutz bei der Versorgung. TSG-Geschäftsführer Alexander Rosen sprintete in die Kurve und diskutierte dort mit den Ultras.
Derweil griff an der Mittellinie die "Erste Stufe" eines sogenannten "Drei-Stufen-Planes", wie Brych verriet. Zunächst sieht dieser vor, dass der Unparteiische beide Mannschaften an der Mittellinie zum Gespräch vereint. "Wenn so etwas noch einmal passiert, müssen wir das Spielfeld verlassen", teilte Brych den Profis mit. Nach einem eventuellen Verlassen des Rasens wäre als letzte Maßnahme der Spielabbruch erfolgt.
Dazu kam es nicht. Es wurde weiter gekickt, weil "es Gott sei Dank nur Leichtverletzte" gegeben hatte, wie es Rosen nach seinem ersten Informationsstand kurz nach dem Abpfiff formulierte. Unter den Verletzten sollen laut der Augsburger Allgemeinen auch ein 12- und ein 17-jähriges Mädchen sein. Die ersten Meldungen bestätigten sich zum Glück. Lebensgefahr besteht bei keiner Person, in erster Linie hätten die Opfer Knall-Traumata erlitten. Was das Geschehene allerdings keineswegs besser macht, ganz im Gegenteil.

Nicht nur dem 44 Jahre alten gebürtigen Augsburger Rosen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Er übernahm sofort Verantwortung. "Ich entschuldige mich im Namen der TSG Hoffenheim, weil davon auszugehen ist, dass es aus unserem Block kommt", sagte Rosen und fragte zu Recht: "Warum wirft ein TSG-Anhänger auf einen TSG-Anhänger? Irgendwas stimmt an dieser Geschichte nicht. Das ist ein nicht in Worte zu fassender Irrsinn."
Die Ultras stellten sofort die Unterstützung ein, wollten so dokumentieren, dass sie sich von der Aktion distanzieren. Gleichzeitig teilten sie Rosen mit, aktiv bei der Tätersuche mitzuwirken.
In Zeiten der Videoüberwachung in einem Stadion gelang es sehr schnell, zwei tatverdächtige Männer zu identifizieren und in Gewahrsam zu nehmen. Die beiden angeblich 28-Jährigen aus dem Raum Göppingen befanden sich am Sonntagabend in der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen.
Der Kraichgau-Klub hatte am späten Samstagabend eine offizielle Stellungnahme veröffentlicht. "Die TSG Hoffenheim verurteilt den Böllerwurf und bittet alle Zuschauer im Stadion, unseren Gastgeber, den FC Augsburg, die gesamte Fußball-Gemeinde, vor allem aber die zu Schaden gekommenen Personen um Entschuldigung. In den 16 Jahren unserer Bundesliga-Zugehörigkeit sehen wir uns zum ersten Mal mit einer solchen irrsinnigen Entgleisung konfrontiert. Wir werden alles in unserer Macht stehende unternehmen, dass es bei diesem Einzelfall bleibt", heißt es darin.
Auch die TSG-Spieler fanden klare Worte. "Irgendein Asozialer, was auch immer, hat sich in unseren Block geschmuggelt. Wir haben mit der aktiven Fanszene gesprochen und bekamen versichert, dass es keiner von ihnen war. Ich glaube denen schon. So etwas habe ich noch nie erlebt", davon distanzieren wir uns ganz klar", sagte Kapitän Oliver Baumann.
Der Deutsche Fußball-Bund hat auf die Vorkommnisse reagiert und wird in dieser Woche Ermittlungen einleiten. Es gibt viel Arbeit für den Kontrollausschuss. Nicht nur in Augsburg hat es, im wahrsten Sinne des Wortes, gekracht. Vor dem Spiel des VfL Bochum gegen den 1. FC Köln kam es beim Samstagabendspiel zu einem Polizeieinsatz gegen Gäste-Fans. Am Hamburger Millerntor wurden am Freitagabend beim Zweitliga-Duell des FC St. Pauli gegen Hannover 96 bei Krawallen über 30 Verletzte gezählt.
"König Fußball" – einst die schönste Nebensache der Welt – zeigt sich sieben Monate vor der Heim-EM wieder einmal von seiner hässlichen Seite.
Info: Weitere Personen, die bei dem Vorfall verletzt wurden und auch nach der Versorgung durch den Rettungsdienst im Stadion noch keinen direkten Kontakt mit der Polizei hatten, werden gebeten sich unter folgenden Rufnummer zu melden: Polizeirevier Sinsheim, Telefon: 07261/6900, zur Terminvereinbarung Fanbetreuung der TSG Hoffenheim, Telefon: 07261/9493305 oder fanbetreuung@tsg-hoffenheim.de