Verletzte durch Knallkörper-Wurf aus Hoffe-Block
Bei der Explosion eines Knallkörpers gab es mehrere Verletzte. Die Polizei, die Vereine und der Schiedsrichter geben Auskünfte. Zwei Männer werden verdächtigt.

Von Achim Wittich (mit dpa)
Augsburg. Die TSG Hoffenheim musste am Samstagnachmittag beim 1:1 (0:1) in Augsburg erkennen, dass der FC unter dem neuen Trainer Jess Thorup ein ganz schwer zu besiegbarer Gegner ist. Das Spiel wurde überschattet durch eine minutenlange Unterbrechung in der zweiten Halbzeit, nachdem ein Feuerwerkskörper im Hoffenheimer Block detoniert war. Es sind wohl mehrere Personen leicht verletzt worden, eine Person erlitt nach Augsburger Angaben ein Knall-Trauma, aber sonst habe es keine größeren Schäden gegeben.
"Ich möchte mich in aller Form entschuldigen im Namen der TSG Hoffenheim", sagte TSG-Geschäftsführer Alexander Rosen nach Spielschluss. Es sei eine "große Idiotie" und "ein nicht zu fassender Unsinn" und habe auf dem Fußballplatz nichts zu suchen. Ein möglicher Verursacher stehe bereits in Verdacht: "Ein Täter ist auf den Videobildern sichtbar", sagte FCA-Geschäftsführer Michael Ströll, die Polizei führe eine Vernehmung durch. Hoffe-Kapitän Oliver Baumann war nach Abpfiff im Fanblock und sprach mit den Fans. Es sei niemand aus der aktiven Fanszene gewesen, wurde ihm versichert.
"Hervorragend, wie der Schiedsrichter reagiert hat. Besonnen und unaufgeregt", sagte Rosen. Auch Ströll verteilte ein "großes Kompliment" an Felix Brych – und an Rosen, der direkt nach dem Vorfall zum Hoffenheimer Fan-Block gegangen war.
Der Schiedsrichter selbst hat einen Vorfall wie die Knallkörper-Explosion laut eigener Aussage "noch nie" erlebt. "Ich habe noch nie einen so lauten Knall in einem Fußballstadion gehört", sagte der Unparteiische, der die Partie für gut fünf Minuten hatte unterbrechen müssen.
Auch interessant
"Ich habe klar gesagt, wenn so etwas nochmal passiert, müssen wir das Spielfeld verlassen", sagte Brych über die Minuten nach dem Vorfall und verwies auf den sogenannten Dreistufenplan des Deutschen Fußball-Bundes, der als finale Reaktion einen Spielabbruch vorsieht. Als erste Stufe hatte Brych die Spieler im Mittelkreis zum Gespräch versammelt. Der Feuerwerkskörper war aus dem Hoffenheimer Fanblock geworfen worden und nahe der Eckfahne lautstark explodiert.
"Ich habe mir schon überlegt, was mit den Menschen passiert, die da in der Nähe sind, diesen Knall aushalten müssen", sagte der 48-Jährige. "Natürlich, wenn es schlimmer gewesen wäre, hätten wir auch andere Maßnahmen ergreifen müssen", sagte Brych.
Die Entscheidung zum Weiterspielen sei "im Verbund mit allen Beteiligten" getroffen worden. In der Folge habe er besonders aufmerksam sein müssen. "Wie reagieren die Spieler, wird es hektisch? Sind sie so betroffen, dass sie gar nicht mehr richtig spielen können?", sagte Brych. "Natürlich habe ich auch geguckt, was passiert auf den Rängen."
Gespielt wurde aber auch noch: Ersatzgeschwächt und mit Andrej Kramaric auf der Bank begann das Spiel für die Hoffenheimer verheißungsvoll. Schon nach ein paar Sekunden hatte Finn Ole Becker eine gute Einschusschance, doch der noch leicht abgefälschte Ball strich knapp am Augsburger Tor vorbei (1. Minute). Auf der Gegenseite musste 1899-Torwart Oliver Baumann, der gerade seinen nach der Saison auslaufenden Vertrag bis 2026 verlängert hat (wir berichteten), erstmals bei einem verdeckten Schuss von Elvis Rexhbecaj auf dem Posten sein (6.).
Fehlerhaft auf beiden Seiten ging’s zu in der Anfangsphase. Glück dann für die Kraichgauer, dass der Kopfball von Ruben Vargas nach einem Freistoß von Hans Fredrik Jensen nicht im Netz zappelte (12.). Jensen hätte in der 21. Minute Baumann mit seinem Versuch fast überrascht, doch ganz so leicht ist Hoffenheims Nummer eins dann doch nicht zu düpieren. Und dann war Wout Weghorst zur Stelle.
Der Niederländer verwertete eine Hereingabe von Marius Bülter zum 0:1 (23.). Jetzt blieb es aufregend. Schiedsrichter Felix Brych nahm seine Handelfmeter-Entscheidung gegen Kevin Akpoguma, der von Jensen angeschossen worden war, nach dem Videostudium zurück (26.). Zur Pause lag die Mannschaft von TSG-Coach Pellegrino Matarazzo knapp vorne – sollte im sechsten Liga-Auswärtsspiel der sechste Erfolg gelingen?
Mit einem spektakulären Fallrückzieher eröffnete Augsburgs Stürmer Ermedin Demirovic die zweite Hälfte (46.). Beide Teams waren unverändert auf den Rasen gekommen. Grischa Prömel bekam die Riesenchance zum 0:2 auf den Fuß serviert, scheiterte aber zu unentschlossen (50.) Das sollte sich rächen. Demirovic mit einer unglaublichen Willensleistung und einem herrlichen Kunstschuss glich für die Fußballer aus der Stadt der Puppenspieler aus (53.).
Maxi Beier hätte kontern können, scheiterte aber am glänzenden Finn Gilbert Dahmen (55.).
Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall im Hoffenheimer Block, wo ein Feuerwerkskörper explodiert war. Sanitäter rannten herbei, eine Plane wurde über einer Person, die augenscheinlich verletzt wurde, aufgezogen. Das Spiel war minutenlang unterbrochen.
Es wurde weiter gespielt. Demirovic hätte fast das 2:1 markiert, Oliver Baumann parierte glänzend. Niklas Dorsch drosch den Ball frei in die Wolken (84.). "Hoffe" im Glück. Am Ergebnis änderte sich nichts mehr trotz neunminütiger Nachspielzeit. Sportlich reichte es zu einem Zähler. Doch freuen konnte sich darüber im TSG-Lager angesichts der Geschehnisse keiner.
Hoffenheim bat am Abend in einer Stellungnahme um Entschuldigung und kündigte an, die Ermittlungsbehörden zu unterstützen, damit die Tat vollumfänglich aufgeklärt wird. "In den 16 Jahren unserer Bundesliga-Zugehörigkeit sehen wir uns zum ersten Mal mit einer solchen irrsinnigen Entgleisung konfrontiert", hieß es. Die TSG stehe mit ihren Werten für ein friedliches Miteinander.
Augsburg: Dahmen - Gumny, Gouweleeuw, Uduokhai, Pedersen (76. Iago) - Rexhbecaj, Dorsch - Jensen (83. Mbabu), Demirovic (90.+3 Beljo), Vargas (76. Engels)- Tietz (90.+3 Tietz)
Hoffenheim: Baumann - Kabak, Vogt, Akpoguma - Bebou (70. Justvan), Stach, Bülter - Becker (70. Kramaric), Prömel - Weghorst, Beier
Schiedsrichter: Brych (München)
Zuschauer: 28.260
Tore: 0:1 Weghorst (23.), 1:1 Demirovic (56.)
Update: Samstag, 11. November 2023, 18.29 Uhr