Jesper Nielsen (rechts) vergräbt den Ball unter sich. Mit ihm im Innenblock fingen sich die Löwen noch zu viele Gegentore ein. Foto: vaf
Von Tillmann Bauer
Mannheim. Mait Patrail ist keine Schlafmütze. Vielmehr könnte man den Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen als Frühaufsteher bezeichnen, denn der Tag beginnt für den Familienvater in den Morgenstunden mit einem Spaziergang in den Weinbergen von Rauenberg. Dort dreht er – man munkelt, dass er dies manchmal auch in Badelatschen und kurzen Hosen tut – mit seinem Golden Retriever die frühmorgendliche Gassi-Runde und begrüßt den Tag gebührend mit einer Tasse Kaffee. Patrail ist dann hellwach.
Aufgeweckt war beim umkämpften 31:27 (15:15)-Heimsieg der Rhein-Neckar Löwen im Bundesliga-Derby gegen die Eulen Ludwigshafen aber lange Zeit niemand, der ein gelbes Trikot anhatte. Die Nachbarn von der anderen Rheinseite machten den Löwen am Donnerstagabend das Leben wieder einmal extrem schwer – Mait Patrail stabilisierte nach seiner Hereinnahme in der zweiten Halbzeit zumindest die Abwehr deutlich und hatte großen Anteil daran, die nächste Schlappe doch noch abzuwenden.
"Mait hatte ja auch seine Einsatzzeiten in der Vergangenheit", sagte Trainer Martin Schwalb: "Wir können in der Abwehr aber noch besser werden."
Schließlich spielt Patrail, dessen Vertrag zum Rundenende ausläuft, aktuell nicht nur um den sportlichen Erfolg, sondern quasi auch um seine eigene Zukunft. So sagte er noch kürzlich: "Niemand weiß, wie es weitergeht." Es gibt wohl leichtere Dinge als Vertragsverhandlungen in Zeiten einer Pandemie.
Doch der Bartträger hat nun plötzlich mehr Chancen, sich zu empfehlen, als noch in den vergangenen Wochen. Der Grund? Ilija Abutovic, der zuletzt im Innenblock an der Seite von Ymir Örn Gislason gesetzt war, hat sich eine Sehnenverletzung an der rechten Hand zugezogen und wird wohl die gesamte Saison ausfallen. Heißt: mehr Spielzeit für den Rest.
So durfte gegen die Eulen zunächst aber nicht Patrail, sondern Jesper Nielsen – auch sein Vertrag läuft aus – beginnen. Das schaute sich "Schwalbe" dann gut 35 Minuten an, um dann zu der traurigen Erkenntnis zu kommen, dass seine Jungs nur wenig Zugriff bekamen. Zu wenig.
Einfach erklärt – waren die Eulen im Angriff, folgten sie einem altbekannten Muster: Sie spielten und spielten und spielten. So lange, bis sie es geschafft hatten, die Löwen mit ihrem in die Länge gezogenen Angriffsspiel einzuschläfern. Und dann schlugen sie eiskalt zu.
"Du kriegst einfach nicht den Ball", sagte Schwalb: "Sie spielen das sehr lang, stoßen nochmal an und stoßen nochmal an. Das machen sie sehr, sehr gut."
Allen voran der aus Wiesloch stammende Hendrik Wagner (9 Tore) überragte wieder einmal bei den Eulen – seinen wuchtigen Wurf bekam keine der Löwen-Deckungsformationen in den Griff.
So war der Spielausgang bis wenige Minuten vor dem Ende noch offen. Positiv: Man behielt diesmal in der entscheidenden Phase die Nerven und musste keinen weiteren Dämpfer einstecken. So richtig zufriedenstellen kann dieser Auftritt aber niemanden. Verschlafen sollten die Löwen also möglichst kein weiteres Bundesliga-Spiel mehr. Zwölf Minuspunkte sind bereits eine gewaltige Hypothek. Wenn’s am Sonntag (16 Uhr/Sky) in Leipzig darum geht, sich für die bittere Heimpleite im Hinspiel zu revanchieren, müssen die Raubkatzen möglichst hellwach sein. Aber damit kennt sich Mait Patrail ja aus.
Löwen: Palicka 2, Lagergren 3, Groetzki 6, Kohlbacher 6, Schmid 4, Tollbring 5/3, Lagarde 3, Kirkelokke 1, Patrail 1.
Eulen: Haider 3, Mappes 1, Bührer 3, Wagner 9, Scholz 1, Neuhaus 6, Dietrich 1, Durak 1/1, Falk 2,
Strafminuten: Nielsen 2, Kirkelokke 2 – Klimek 2, Scholz 2, Remmlinger 2.
Stenogramm: 1:1 (5.), 3:3 (10.), 5:5 (15.), 9:7 (20.), 12:11 (25.), 15:15 (Halbzeit); 16:18 (35.), 20:18 (40.), 23:21 (45.), 26:23 (50.), 28:26 (55.), 31:27 (Ende).