Erst Glück, dann Käsebrötchen
Ein unglaublich spannendes Europapokal-Duell endet mit einem 32:31 für die Löwen gegen Nimes

Von Tillmann Bauer
Mannheim. Als hätte Kristjan Andresson nicht schon genug Stress gehabt, stand der Übungsleiter der Rhein-Neckar Löwen schon kurz nach dem Abpfiff wieder auf der Spielfläche der Mannheimer GBG Halle – er tröstete seinen Sohn, der sich gerade beim traditionellen "Nachspiel" der Spielerkinder weh getan hatte. "Puh, das war wirklich ein spannendes Duell", sagte Andresson: "Am Ende hatten wir vielleicht etwas Glück, aber das war auch wirklich mal an der Zeit."
Zur Einordnung: Die Löwen hatten gerade in einem kampfbetonten Spiel USAM Nimes Gard mit 32:31 besiegt und sich damit einen erfolgreichen Auftakt in die Gruppenphase des EHF-Pokals gesichert. Auch Patrick Groetzki strahlte, als er die Autogrammwünsche der Kinder erfüllte: "Da war wirklich alles drin, was zu einem Europapokal-Spiel gehört – das hat richtig Spaß gemacht." Was er meinte? Rund fünf Sekunden vor Schluss nahm sich Andy Schmid ein Herz, stieg hoch und zog beim Stand von 31:31 ab. Der Wurf blieb in der Mauer hängen, doch sein Kollege Jannik Kohlbacher schaltete am schnellsten, schnappte sich das Spielgerät und versenkte es quasi mit der Schlusssirene zum umjubelten Heimsieg ins Tor. Es war Drama, Spannung, Emotionen pur.
Man hätte meinen können, dass sich das turbulente Wetter auch auf das Spielfeld übertragen hatte. Denn es ging mehr als stürmisch zu in der gut gefüllten GBG Halle, es war laut, umkämpft – und hitzig. Die rund 30 Anhänger, die sich aus dem Süden Frankreichs auf den Weg nach Deutschland gemacht hatten, zeigten, dass sie diese Reise nicht angetreten waren, um still und heimlich in der Ecke zu sitzen. Ganz in Grün waren sie gekleidet, Trommeln und Fahnen hatten sie im Gepäck. Weil die Löwen-Fans sich aber nicht einschüchtern ließen und ebenfalls mit ihren Klatschpappen für Lärm sorgten, entwickelte sich am Herzogenried genau das, was sich die Löwen von der Austragung in der kleinen Spielstätte erhofft hatten – ein echter Europapokal-Hexenkessel.
Nicht, dass sich die Franzosen davon verunsichern ließen. Im Gegenteil, man hatte vielmehr das Gefühl, dass sie richtig Spaß daran hatten, sich mit allen Mitteln in dieses stimmungsvolle Auftaktduell zu werfen. So machten sie bei jeder sich bietenden Möglichkeit das Spiel schnell und scheuten sich nicht davor, den Ball aufs Tor zu werfen. "Wir wussten, dass Nimes extrem schnellen Handball spielt und trotzdem haben sie uns damit Probleme gemacht", sagte Andresson: "Das machen sie wirklich gut." Allen voran Michael Guigou, der mit der französischen Nationalmannschaft so ziemlich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, bewies mit seinen 38 Jahren, dass auf der linken Außenbahn noch immer auf ihn Verlass ist. Blitzschnell sprintete er von einer zur anderen Seite. Aufgrund seiner Laufweise wirkte es fast, als hätte er Sprungfedern unter seine Schuhe geschraubt.
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Topleistung im fortgeschrittenen Alter? Dafür ist auch Alexander Petersson bekannt. Dem isländischen Routinier half seine Dynamik, um sich durch die Deckung zu spielen oder große Lücken für Mitspieler zu reißen. War Kreisläufer Kohlbacher noch gegen Melsungen gut abgeschirmt worden, erfreute sich der Publikumsliebling diesmal über viele passgenaue Abspiele.
Fünf Minuten vor dem Seitenwechsel schnappte sich Andresson mit der linken Hand eine Wasserflasche, fasste sich mit rechts ins Gesicht und schüttelte den Kopf. Er konnte selbst kaum glauben, was er sah. Zwar spielte seine Mannschaft nicht schlecht und kam immer wieder zu guten Chancen – verlor dann aber meist freistehend die Nerven. So scheiterte Gedeon Guardiola im Gegenstoß an der Latte, Co-Kapitän Uwe Gensheimer mutterseelenallein vom Kreis, Andy Schmid knallte einen Siebenmeter an den Pfosten – es waren Situationen, die Löwen Fans zur Verzweiflung brachten.
Die Entscheidung war dann Kohlbacher vorbehalten. Zur Belohnung für den Sieg gegen die Franzosen gab es passenderweise Käsebrötchen – die standen nach Abpfiff schon vor der Kabine bereit…
Löwen: Kohlbacher 6, Petersson 7, Lagarde 1, Schmid 8/1, Gensheimer 3, Mensah 3, Kirkelokke 1, Groetzki 2.
Nimes: Salou 4, Nyateu 5, Sanad 8/2, Guigou 5/3, Prandi 4, Acquevillo 1, Rebichon 3, Dupuy 1,
Stenogramm: 3:1, 4:4, 8:9, 10:12, 14:14, 16:16 (Halbzeit), 18:19, 18:21, 22:21, 22:24, 25:25, 32:31 (Ende).
Zuschauer: 1541.



