Bei den Herren gewann Vorjahressieger Nikki Johnstone über 50 km. Fotos: vaf
Von Christoph Ziemer
Heidelberg. Ein Energy-Drink aus Österreich, ein Wasser oder doch ein Bier? Pierre-Emmanuel Alexandre musste da nicht lange überlegen. Beherzt griff der Franzose zum Gerstensaft, der natürlich alkoholfrei war. In der linken Hand hielt der Spezialist für Langstrecken zum gesunden Ausgleich einen Apfel. "Das hat doch mal richtig Spaß gemacht", sprach der angehende Molekular-Biologe und genehmigte sich einen kräftigen Bissen in das Kernobst.
Spaß hatte die Konkurrenz allerdings nur sehr begrenzt. Denn der souveräne Sieg über die 30-Kilometer-Marke beim Gelita Trail-Marathon war eine One-Man-Show des Franzosen. Satte 22 Minuten Vorsprung lief der Titelverteidiger bei seinem ungefährdeten Sieg heraus – und das ohne Wettkampfpraxis. Eigentlich wollte Alexandre über die 50-Kilometer-Distanz starten, war aber vor einigen Wochen beim Training mit dem Fuß umgeknickt. "Da wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen", verriet der Sieger, der mehr mit seiner Gesichtsmaske zu kämpfen hatte als auf der Strecke.
Bei den Frauen gewann Merle Brunnée über 42 km. Foto: vafSeinen letzten Wettbewerb war der angehende Doktor am 17. März im Elsass gelaufen. Die Konkurrenz und Dichte in Frankreich sei generell größer, findet Alexandre. Nach Heidelberg, wo er viele Jahre gewohnt hat, kommt er aber immer gerne zurück. 2017 hatte der Wahl-Karlsruher am Neckar noch über die volle Distanz gewonnen, nächstes Jahr würde Alexandre sich gerne an die 50 Kilometer wagen. Er hofft, dass nach dem "Annus horribilis" in der Läuferszene dann wieder halbwegs Normalität einkehrt: "Wir können ja kaum planen, wenn man nicht weiß, welche Läufe überhaupt stattfinden. Umso mehr freue ich mich heute." Den Himmelsleiter-Trail am Vorabend hatte Alexandre ebenfalls für sich entschieden – und war dabei so schnell unterwegs gewesen, dass er nicht einmal auf den Gebrauch der obligatorische Nachtlampe angewiesen war.
Über die Marathondistanz war der Favorit der schnellste. Markus Mingo war schon nach 3:11:24 Stunden im Ziel. "Dieser Königstuhl is schon a fieses Ding", äußerte sich der Sieger in feinstem Bajuwarisch. "Die Strecke aber einfach der Hammer, nach Heidelberg kommt man immer gerne."
Zum Spaß war Nikki Johnstone nicht nach Heidelberg gereist. Ganz und gar nicht. In normalen Zeiten tingelt der Englisch- und Sportlehrer aus Neuss nahezu jedes Wochenende durchs Land, um irgendwo einen Laufwettbewerb zu gewinnen. Da es davon seit März nicht allzu viele gab, war der Siegeshunger des Schotten umso größer. "Ich war ungewohnt nervös heute", gab der Titelverteidiger über die 50-Kilometer-Marke zu: "Du hast nach so einer langen Pause ja keine Ahnung, wo du stehst."
Natürlich ganz oben. Denn schon an der ersten Steigung ließ der Mann, der sich seit März einen Corona-Bart wachsen lässt, die Konkurrenz im Wald stehen. Ideal seien die Laufbedingungen gewesen, befand der alte und neue Sieger über 50km: "Als Schotte mag ich es aber noch einen Tick kühler. Und gerne auch nass."
Für Michael Chalupsky war es dagegen warm genug. Der Sieger des Heidelberger Halbmarathons 2019 war zum ersten Mal beim Gelita Trail-Marathon am Start. Erfolgreich. In 4:12:51 Stunden kam der 36-Jährige zwar 27 Minuten hinter Johnstone ins Ziel – als Zweiter. Der Straßenspezialist war durchaus zufrieden mit seiner Trail-Premiere: "Dass Niki sein eigenes Rennen läuft, war eh klar. Wenn es in meinen Terminkalender reinpasst, komme ich gerne wieder." Das lädierte Knie von Michael Chalupsky dürfte sich bis dahin auch erholt haben. Der Waibstädter ließ es bergab auch deutlich vorsichtiger angehen: "Mit den Cracks, die da runter sprinten wie die Feuerwehr, wollte ich mich erst gar nicht anlegen." Musste er auch nicht. Schnell genug war er auch so.
Zwei Heidelbergerinnen gewinnen über 42km und 50km
Sieg über 50km: Joanna Zukowska. Foto: czi.Heidelberg. (czi) Der Name ist ein echter Zungenbrecher. Möglicherweise war auch das der Grund, dass vor dem 50-Kilometer-Lauf niemand Joanna Zukowska-Kasprzyk auf dem Favoritenzettel hatte. Gewonnen hat sie trotzdem. Die Polin, die seit sieben Jahren auf dem Boxberg wohnt, war bislang zweimal beim Gelita Trail gestartet – allerdings nur über zehn Kilometer.
Beim einzigen Favoritensturz in Heidelberg überholte die 31-Jährige, die erst seit diesem Jahr Langstrecken läuft, Vorjahressiegerin Pia Winkelblech an der Himmelsleiter. Die Titelverteidigerin musste passen. "Ab Kilometer 30 war es heute eine Qual", gab die Pfälzerin zu, die dennoch zufrieden war: "Ich war schneller als letztes Jahr, das passt schon." Joanna Zukowska-Kasprzyk hatte vor dem Lauf sogar Bedenken, gar nicht ins Ziel zu kommen. Nun ist die Wahl-Heidelbergerin offenbar auf den Geschmack gekommen. Eine Trail-Spezialistin wolle sie nun werden, sagt die Frau aus Zywiec nahe Krakau und hält ihre Medaille in die Kamera. Den Mundschutz setzt sie sofort wieder auf. Dass die Siegerehrung Corona-bedingt ausfiel, konnte die Siegerin über 50km ebenso verschmerzen wie Merle Brunneé.
Denn auch die zweite Wahl-Heidelbergerin durfte sich in die Siegerliste eintragen – über die Marathondistanz. Bei ihrem ersten Trailstart lief die 26-jährige Ärztin ein starkes Rennen und distanzierte nach 3:35:11 Stunden die Ungarin Eszter Varga um 17 Minuten. "Ich glaube, ich habe Blut geleckt", freute sich die Premieren-Siegerin. Die zusätzlichen Höhenmeter, die die angehende Doktorin in der Vorbereitung absolviert hatte, haben sich mehr als gelohnt. An diesem Montag hat sie wieder Dienst im Krankenhaus. Manchmal verfolgen die Kollegen ihre Läufe, sagt sie. Der Heimsieg dürfte ihnen nicht entgangen sein.