Sie brachten den Stein ins Rollen: Andre Rott (links) und Kevin Oliveira haben beim TSV Ittlingen mit sofortiger Wirkung ihren Rücktritt erklärt und trainieren nun den Lokal- und Ligarivalen SG Kirchardt. Foto: Lörz
Von Eric Schmidt
Ittlingen/Kirchardt. Man bekommt nichts geschenkt im Fußball – auch nicht an Weihnachten. Alexander Breunig hat schon so viel erlebt in seiner Karriere, da ist man einiges gewohnt, da lässt er sich den Heiligabend nicht verderben, trotz der unschönen Nachricht, die ihn am 23. Dezember erreichte. Dass er als Trainer der SG Kirchardt Knall auf Fall beurlaubt wurde, dass er zwei jüngeren Kollegen des Nachbarklubs weichen musste, das kann der 49-Jährige verschmerzen. "Das ist Business. Angefressen bin ich nicht. Schade ist nur, wie die Sache abgelaufen ist", sagt Breunig.
Alexander Breunig ist nicht mehr Coach der SGK. Inmitten des Corona-Lockdowns hat der Fußball-Kreisligist den Shutdown vollzogen und sich von seinem Aufstiegstrainer getrennt. Auf der Suche nach Ersatz ist der Tabellendrittletzte blitzschnell in unmittelbarer Nähe fündig geworden. Beim Lokalrivalen TSV Ittlingen, in derselben Liga Tabellenzweiter, hatten nahezu zeitgleich Trainer Andre Rott (29) und Co-Trainer Kevin Oliveira (26) ihren Rücktritt erklärt – die SG Kirchardt fackelte nicht lange und griff zu.
Der fliegende Wechsel an Weihnachten ist nicht ohne Pikanterie. In der vergangenen Saison in der Kreisklasse A waren Rott und Oliveira erbitterte Gegenspieler der SG Kirchardt im Kampf um die Meisterschaft, Oliveira selbst kickte vor ein paar Jahren schon einmal für die SG, suchte aber nach wenigen Wochen das Weite, weil er fremdelte und seine "Kumpels" aus Ittlingen vermisste.
Nun ist er also wieder zurück – als Co-Trainer an der Seite von Andre Rott, mit dem er Alexander Breunig aus dem Amt verdrängt. "Jeder hat eine zweite Chance verdient. Auch Kevin. Als ich gehört habe, dass er und Andre in Ittlingen aufhören wollen, habe ich sofort reagiert und ein Gespräch mit ihnen vereinbart", sagt Thomas Hafner, der SG-Spielausschussvorsitzende, und ergänzt: "Alexander Breunig hätte bei uns im Sommer eh aufgehört. Wenn wir so lange gewartet hätten, wären Andre Rott und Kevin Oliveira wahrscheinlich nicht mehr auf dem Markt gewesen. Deshalb haben wir das jetzt vorgezogen."
Was die beiden können, wissen die Kirchardter aus leidvoller eigener Erfahrung. Drei Mal trafen TSV und SG in den vergangenen 13 Monaten aufeinander, drei Mal gewann der TSV – in dieser Saison sowohl im Kreispokal (6:4 n.E.) als auch in der Kreisliga (3:1). Klar, dass dabei auch Kevin Oliveira traf. Der Stürmer und Dränger führt mit elf Treffern die Torjägerliste in der Kreisliga an und soll nun auch in Kirchardt für Tore und Furore sorgen; Andre Rott wiederum, der mit Ittlingen den Durchmarsch von der B- in die Kreisliga schaffte, wird als Defensivspezialist die Abwehr in Angriff nehmen – als Spielertrainer, wie Thomas Hafner betont: "Wir haben nur acht Punkte, wir müssen etwas tun. Wir wollen den Klassenerhalt schaffen und uns langfristig in der Kreisliga etablieren." Als zweiter Co-Trainer neben Kevin Oliveira wird Jonas Stötzel installiert.
Und der TSV Ittlingen? Der Aufsteiger, mit 17 Punkten aus zehn Spielen stark in die Saison gestartet, wird für den weiteren Verlauf der Corona-Runde keinen neuen Trainer verpflichten. Do it yourself heißt erst einmal die Maxime. "Wir haben viele gute Leute bei uns im TSV, die das übernehmen können. Dann werden wir in aller Ruhe einen neuen Trainer suchen. Wir haben eine Liste, die wir abarbeiten, und schauen, wer am Ende übrig bleibt", erklärt Sportdirektor Niels-Robert Neef.
Dass er an Heiligabend plötzlich ohne Trainer dasteht, war eine unschöne Bescherung, das hätte Neef vor wenigen Wochen nicht im Entferntesten für möglich gehalten. Als Rott und Oliveira um ein Gespräch gebeten hatten, habe er gedacht, es gehe um die Planungen für die Rückrunde. Weit gefehlt. Der Draht zur Mannschaft sei nicht mehr vorhanden, man wolle jetzt im Winter die Ämter niederlegen, bekam der Sportdirektor von den beiden Trainern zu hören. Neef bat um eine einwöchige Bedenkzeit, führte sowohl mit Rott als auch mit Oliveira Einzelgespräche – vergebens. "Es war zu weit fortgeschritten. An Heiligabend hat Andre Rott den Aufhebungsvertrag unterschrieben", so Neef.
Sorgen, was den weiteren Saisonverlauf betrifft, macht sich der TSV-Verantwortliche nicht. Die Mannschaft steht gut da, sehr gut sogar. "Wir können auch ohne Kevin Fußball spielen. Ich glaube nicht, dass wir noch unten reinrutschen", ist Neef zuversichtlich. Dass Rott und Oliveira ausgerechnet zum Lokalrivalen wechseln – was soll’s. "Ob Kirchardt oder Waldangelloch macht keinen Unterschied. Wir müssen halt nur aufpassen, wenn Kevin gegen uns spielt."
Bleibt die Frage, wann überhaupt wieder gespielt werden kann. Alexander Breunig arbeitete insgesamt eineinhalb Jahre bei der SG – eineinhalb Jahre, die in Netto-Zeit allenfalls zwölf Monate waren. "Nur im ersten halben Jahr war ein Rhythmus drin. Der Rest war durch Corona abgehackt", sagt Breunig. Dass es in Kirchardt für ihn zu Ende gehe, sei absehbar gewesen. "Da gab es zu viele Diskrepanzen mit den Verantwortlichen von Kirchardter Seite, was die Planungen angeht." Leid tun ihm vor allem die Mannschaft und das Trainerteam: Co-Trainer Dominik Schneider müsse ebenfalls gehen, so wie er. "Dominik hat immer für Grombach oder Kirchardt gespielt, er wohnt in Kirchardt. Mit ihm hat man ein richtiges Eigengewächs rausgekickt."
Um ihn selbst muss man sich keine Sorgen machen. Silvester wird er genauso entspannt verbringen wie Weihnachten – Alexander Breunig wird sehen, was das neue Jahr mit sich bringt. Ob er nochmals irgendwo einsteigen wird als Trainer? "Das lass‘ ich offen. Es kommt darauf an, was kommt. Auf Biegen und Brechen mache ich nichts, auf keinen Fall", stellt der 49-Jährige klar. Und was, wenn der TSV Ittlingen anklopft? Breunig grinst: "In der Theorie wäre es möglich, dass ich Trainer in Ittlingen werde. In der Praxis eher nicht. Ich habe kaum Berührungspunkte zu Ittlingen."