Furchtloser Anführer: Davonte Lacy (Mitte) hat in seinen ersten beiden Spielen für die Academics restlos überzeugt. Foto: Thomas Disqué
Von Nikolas Beck
Tübingen. Die Bilder ähneln sich in den vergangenen Tagen. Und sie lassen nichts Gutes vermuten: Am Sonntagabend, unmittelbar nachdem die MLP Academics Heidelberg das dritte Spiel binnen einer Woche verloren hatten, musste sich Trainer Branislav Ignjatovic erst einmal setzen. Konsterniert wirkte der Serbe, enttäuscht und irgendwie ratlos. Ohne Frage: Die Heidelberger durchleben ihre schwierigste Phase, seit der 53-Jährige im Sommer 2014 das Kommando übernommen hat. Nach dem besten Saisonstart in der Zweitligageschichte mit acht Siegen aus den ersten zehn Partien folgten in den weiteren neun Spielen nur noch zwei weitere Erfolge. Fünf Gründe für den Absturz.
1. Import und Export
Es liegt in der Natur der Sache, dass in der Pro A vor allem die Profis aus den USA, die sogenannten "Import"-Spieler, über das Wohl und Wehe eines Klubs entscheiden. Und während die deutschen Leistungsträger der Academics, allen voran Niklas Würzner, Phillipp Heyden und Armin Trtovac, solide ihren Job machen, kommt von den vier US-Amerikanern in Summe viel zu wenig. Shy Ely ist über jeden Zweifel erhaben, aber schwer verletzt. In der vergangenen Saison empfahl sich Jaleen Smith für einen Platz in der Bundesliga und wurde nach Ludwigsburg "exportiert". Davon sind Zamal Nixon, Stephon Jelks und vor allem "Rookie" Adam Eberhard weit entfernt. Joe Kilgore musste bereits nach der Vorbereitung ausgetauscht werden.
2. Gestiegene Erwartungen
Beim Blick auf die Fakten ist eigentlich alles halb so wild. Zehn Siege, neun Niederlagen, Playoff-Platz acht – und in Schlagdistanz zu Rang vier, der Heimrecht in der ersten Runde bedeuten würde. Die Formkurve zeigt nach unten, aber die Ziele sind nach wie vor zu erreichen. Wer kurz- bis mittelfristig allerdings in die Bundesliga will, vor dem Umzug in eine moderne Arena steht und in den zurückliegenden Jahren Fünfter, Dritter und in die Vorsaison Zweiter war, der darf sich auf Rang acht nicht wohlfühlen.
3. Fluch der guten Tat
Eben jene starken Jahre haben nicht nur die Erwartungshaltung der Fans, sondern auch den Respekt der Gegner erhöht. Tübingens Coach Andy Hipsher schwärmte nach der Partie dermaßen von Ignjatovic und dessen Team, dass man meinen konnte, die Academics hätten das Feld als Sieger verlassen. Heidelberg hat sich den Ruf als Spitzenteam der Liga verdient. Unterschätzt werden sie von niemandem mehr.
4. Zu selten an der Linie
Gegen die Tigers war’s einmal mehr eklatant: Fast doppelt so viele Freiwürfe durften die Tübinger schießen (27/14). Ligaweit steht durchschnittlich kein Team seltener an der Linie als die Academics (17,8). Hat man einfach bei den Schiedsrichtern einen schweren Stand? Oder wird der Korb zu zaghaft attackiert? Fakt ist: Den Heidelbergern fehlen Bonuspunkte.
5. Nummer fünf
Grund Nummer fünf trägt die Nummer fünf: Shy Ely, der US-Amerikaner, der längst zur Identifikationsfigur geworden ist, aber den Rest der Runde aufgrund eines Ermüdungsbruchs im Knie ausfällt, wäre auch in keinem anderen Team zu ersetzen. Verletzungspech anzuführen, klingt zwar immer erst einmal nach einer Ausrede. Aber die Korbjagd hängt nun mal mehr als jeder andere Mannschaftssport von Individualisten ab.
Das macht Hoffnung
Davonte Lacy! Mit dem Ely-Ersatz haben die Verantwortlichen einen echten Glücksgriff gelandet. Lacys 29 Zähler in Tübingen bezeichnete Ignjatovic als "beste individuelle Leistung, die ich als Trainer in Heidelberg gesehen habe". Der US-Amerikaner tritt mit genau dem Zutrauen in die eigene Stärke auf, das gerade seinen Landsmännern aktuell fehlt. In einem Testspiel bei den Skyliners in Frankfurt soll der 26-Jährige am heutigen Dienstag weiter Spielpraxis sammeln – um die Academics dann in den kommenden beiden Heimspielen gegen Nürnberg und Chemnitz wieder in die Erfolgsspur zu werfen.