Sandhausen begleicht "Rechnung" mit Natur für SVS-Aufstieg
Wegen Bauarbeiten nach Drittliga-Aufstieg des SVS - Für Ausgleich mussten neue Flächen her

Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Erst jetzt hat der Gemeinderat ein sogenanntes Maßnahmenkonzept auf den Tisch bekommen, das noch auf den Aufstieg des heutigen Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen (SVS) in die dritte Liga im Jahr 2008 zurückgeht: Daraus folgende Eingriffe in die Natur durch den Stadionausbau und die Schaffung zusätzlicher Parkplätze wurden bis heute nicht wie in den Umweltberichten vorgesehen ausgeglichen.
So beschloss das Gremium in seiner jüngsten Sitzung die Anpassung von Ausgleichsmaßnahmen für die beiden Bebauungspläne "Sport- und Erholungsgebiet" und "Stellplätze Sandhäuser Höfe". Angepasst werden mussten diese bereits seit zwölf Jahren feststehenden Maßnahmen, weil die damals dafür vorgesehenen Flächen teilweise nicht mehr zur Verfügung stehen.
Hintergrund
"Der SVS hat seine Schuldigkeit getan"
Der Gemeinderat hat mit seinem Votum den Weg dafür geebnet, dass die infolge des Aufstiegs des SV Sandhausen (SVS) in die dritte Liga angefallenen Ausgleichsmaßnahmen nach zwölf Jahren vollständig umgesetzt werden
"Der SVS hat seine Schuldigkeit getan"
Der Gemeinderat hat mit seinem Votum den Weg dafür geebnet, dass die infolge des Aufstiegs des SV Sandhausen (SVS) in die dritte Liga angefallenen Ausgleichsmaßnahmen nach zwölf Jahren vollständig umgesetzt werden können (vgl. Artikel links). Die Vorgeschichte dieses Beschlusses sorgte bei den Räten für unterschiedliche Reaktionen.
"Wenn es ums Bauen geht, ja dann ist die Verwaltung jederzeit aktiv und bemüht, leider besteht offenbar ein gerüttelt Maß an Verdrängung, wenn es um die Ausgleichsflächen geht", kritisierte Beate Würzer (GAL). Sie "persönlich" schloss daraus, dass es die Verwaltung "bis heute noch nicht geschafft" habe, dem Aufgabenbereich "Natur, Klima und Umwelt genügend Aufmerksamkeit zukommen zu lassen". Auch die nun beschlossenen Ausgleichsmaßnahmen überzeugten Würzer nicht. Sie zitierte das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem bei derartigen Maßnahmen "vorrangig zu prüfen" ist, ob dabei auch bereits versiegelte Flächen entsiegelt werden können. Beim nun getroffenen Beschluss gehe es "leider hauptsächlich um eine Umwandlung von nicht versiegelten Flächen zu einer anderen Art Nutzung", sagte sie. So könne ihre Fraktion letztlich nur "zähneknirschend" zustimmen. Künftig werde die GAL "sämtliche Projekte gleicher Art inhaltlich prüfen und die Umsetzung der Kompensation mit Argusaugen verfolgen" sowie die Einrichtung einer Stelle "Umwelt- und Klimabeauftragte" beantragen, kündigte Würzer an.
Thomas Schulze (SPD) hob hervor, dass der SVS bereits 2008 das Geld für die nötig gewordene Waldaufwertung an die Gemeinde gezahlt hat. Diese Maßnahme sei zwar nicht umgesetzt worden. "Aber man hat damals schon Waldaufwertungen in der Nähe durchgeführt – zwar nicht durch den SVS finanziert, aber als Vorwegmaßnahme seitens der Gemeindeverwaltung", so Schulze. "Der SVS hat seine Schuldigkeit getan", stellte er klar, "da wird ja immer ganz genau hingeschaut, was der SVS gemacht hat".
Auch Volker Liebetrau (FDP) interessierte sich für die finanziellen Hintergründe dieses Themas. "Kostet das den Steuerzahler noch etwas, oder reicht das vom SVS gezahlte Geld von 2008 aus?", wollte er wissen. Bürgermeister Georg Kletti erklärte darauf, dass der heutige Fußball-Zweitligist bereits vor zehn Jahren eine auf "Planungsvorstellungen" beruhende Summe von 8000 Euro beglichen habe. "Die Fettwiese und die Waldaufwertung beliefen sich auf etwa 44.000 Euro. Auch dieser Betrag wurde vor circa zehn Jahren vom SVS beglichen", so Kletti. Weitere Kosten übernehme derweil die Gemeinde, "das gilt allerdings für jeden Bebauungsplan", ergänzte Christian Niemann vom Ortsbauamt.
Lars Albrecht (CDU) betonte ebenfalls, dass "der oft gescholtene SVS schon damals seiner Verpflichtung nachgekommen" sei. "Es ist auch festzustellen, dass der SVS der einzige Verein ist, der sich an den Kosten beteiligt hat, obwohl es auch andere Profiteure gab", sagte er mit Blick auf die Baumaßnahmen rund um das Hardtwaldstadion. (luw)
"Ich gelobe Besserung" – mit diesen Worten leitete Bürgermeister Georg Kletti zur Abstimmung über diesen Tagesordnungspunkt über. Vorausgegangen war eine etwas längere Stellungnahme von GAL-Rätin Beate Würzer, von der sich Kletti als "Chef der Verwaltung in eine Ecke gestellt" fühlte, wonach er "unmoralisch" sei.
Aber von vorne: Christian Niemann vom Ortsbauamt erläuterte Räten und zuhörenden Bürgern zunächst die verzwickte Situation, die auf die genannten Bebauungspläne infolge des SVS-Aufstiegs 2008 zurückging. Zu jedem der Pläne gab es auch einen Umweltbericht, der für die Eingriffe in "Schutzgüter" wie Boden, Tiere und Pflanzen jeweils Ausgleichsmaßnahmen vorsah. "Aus verschiedenen Gründen wurden diese Ausgleichsmaßnahmen bisher nicht umgesetzt", sagte Niemann.
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In der Sitzungsvorlage erklärt die Gemeindeverwaltung dies so: "Aufgrund von anderen, seinerzeit dringlicher erscheinenden Projekten, kam es nie zur konkreten Umsetzung der festgesetzten Maßnahmen." Nun führte Niemann weiter aus, dass die Maßnahmen wie etwa die Pflanzung von Obstbäumen inzwischen "zum Großteil" nicht mehr umgesetzt werden könnten, weil zum Beispiel einige dafür vorgesehene Flächen seit der Flurbereinigung nicht mehr Eigentum der Gemeinde seien.
Laut Verwaltung als "sinnlos" herausgestellt hätte sich zudem aus heutiger Sicht eine ursprünglich vorgesehene Waldaufwertung auf 1,7 Hektar im Distrikt Bandholz. Denn dort wurde erst kürzlich das Naturschutzgebiet "Brühlwegdüne" ausgewiesen, wofür wiederum zahlreiche Bäume gefällt werden mussten. Nachdem die Idee zu diesem Schutzgebiet laut Kletti "erstmals 2010" aufgekommen war, habe man zunächst mit der Waldaufwertung abgewartet: "Wenn wir jetzt da Bäume anpflanzen und das Naturschutzgebiet geht durch, dann hauen wir die gepflanzten Bäume wieder um", fasste der Rathauschef die damalige Haltung zusammen.

"Außerdem", fügte Kletti an, "haben wir keine 500 Meter Luftlinie von der Brühlwegdüne entfernt eine Waldaufwertung gemacht." Durch diese freiwillige Maßnahme aus den Jahren 2012 bis 2014, bei der 7,6 Hektar Gemeindewald in einen "standortgerechten Traubeneichen-Buchenwald" umgebaut wurden, erhielt die Kommune 1,8 Millionen Ökopunkte. Ein Gespräch zwischen Gemeindeverwaltung und Unterer Naturschutzbehörde habe dann ergeben, dass die ursprünglich im Umweltbericht vorgesehene Waldaufwertung mit Ökopunkten ausgeglichen werden könne. So wurde der Eingriff in die Natur durch den Bebauungsplan "Sport- und Erholungsgebiet" quasi rückwirkend anderweitig kompensiert. "Und die Ausgleichsmaßnahme für die Stellplätze geschieht jetzt", erklärte Kletti, "dieses Vorgehen ist transparent, offen und ehrlich mit dem Baurechtsamt und der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt."
Mit der Ermittlung geeigneter Flächen und Maßnahmen für den noch ausstehenden Ausgleich und der entsprechenden Anpassung des Maßnahmenkonzepts wurde nun das Planungsbüro "Spang. Fischer. Natzschka" beauftragt. Daraus ging hervor, dass mehrere Maßnahmen auf drei verfügbaren Flurstücken stattfinden können, die insgesamt rund 0,5 Hektar groß sind. Dazu gehören etwa das Anlegen einer Feldhecke, zweier besonders nährstoffreicher, sogenannter Fettwiesen sowie die Pflanzung von Obstbäumen. Diese Maßnahmen sollen noch in diesem Jahr stattfinden, wodurch sozusagen die offene Rechnung der Natur mit der Gemeinde endgültig beglichen wird. Für die entsprechende Anpassung des Konzepts stimmten alle Räte außer Peter Köllner (CDU), der sich enthielt.