Satzung? Plan? Dialog?

Gespaltener Rat bei Rainbach "in einer Sackgasse"

In Neckargemünd wurde über klare Regeln fürs Bauen diskutiert. Doch mit welchem Mittel? Der Investor hat angekündigt, schnell einen Bauantrag beim Landratsamt zu stellen.

06.10.2021 UPDATE: 07.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden
Von Fachwerkhaus bis Villa: Die Bebauung im Ortsteil Rainbach ist vielfältig. Foto: Priebe

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Wie geht es weiter nach dem Bürgerentscheid über die Neubebauung im Ortsteil Rainbach? Das war natürlich ein zentrales Thema im Gemeinderat, der nun erstmals nach der Abstimmung tagte. Bekanntlich wurde der Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan "Rainbach 2.0" im Ortsteil unlängst durch den Bürgerentscheid mit deutlicher Mehrheit gekippt. Der zur Onigkeit-Gruppe gehörende Investor "Red Real Estate Development GmbH" hatte bereits zuvor angekündigt, für diesen Fall einen Bauantrag beim Landratsamt zu stellen. Dann müssen sich die auf dem Areal der früheren Gaststätte "Zur Rainbach" geplanten Gebäude – zuletzt mehrere Mehrfamilienhäuser und ein Restaurant – laut Paragraf 34 Baugesetzbuch nach der Umgebungsbebauung richten.

Hintergrund

> Eine Gestaltungssatzung ist ein Mittel für eine Kommune, das Erscheinungsbild von Gebäuden zu beeinflussen. Gestaltungsvorschriften können als eigenständige Gestaltungssatzung auftreten oder in Form von sonstigen Festsetzungen in Bebauungsplänen. Mit Gestaltungssatzungen

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> Eine Gestaltungssatzung ist ein Mittel für eine Kommune, das Erscheinungsbild von Gebäuden zu beeinflussen. Gestaltungsvorschriften können als eigenständige Gestaltungssatzung auftreten oder in Form von sonstigen Festsetzungen in Bebauungsplänen. Mit Gestaltungssatzungen können zum Beispiel die Form von Dächern und Fenstern sowie zu verwendende Baumaterialien und Farben bestimmt werden. Aber auch die Gestaltung von Freibereichen kann festgelegt werden. Gestaltungssatzungen können zwar schneller erarbeitet werden als Bebauungspläne, der Spielraum für Festlegungen ist aber auch deutlich kleiner. Nur in Bebauungsplänen können zum Beispiel zulässige Höhen festgelegt werden. In Neckargemünd gibt es bereits eine Gestaltungssatzung für die Altstadt, die oft "Altstadtsatzung" genannt wird. Das über 30-seitige Werk mit fast ebenso vielen Paragrafen enthält mal mehr und mal weniger detaillierte Regelungen zur Gestaltung von Fassaden, Dächern, Sockeln, Türen, Fenstern, Sonnenschutzanlagen und Werbeanlagen. Die seit 2017 geltende Satzung soll überarbeitet werden. Besonders umstritten ist das Verbot von Photovoltaikanlagen. cm

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Es war kurz vor Mitternacht, als es auf Antrag der SPD um eine Gestaltungssatzung für den Ortsteil Rainbach ging. Jens Hertel (SPD) erklärte, dass für Gebiete ohne Bebauungspläne – wie eben Rainbach – Regelungen hermüssten. Immer öfter genehmige das Landratsamt Vorhaben, zu denen die Stadt kein Einvernehmen erteilt habe. "Es geht oft nur noch um die Größe und nicht mehr um Kubatur und Dachformen", so Hertel: "So geht es nicht weiter." Hertel schlug deshalb das Instrument der Gestaltungssatzung vor und mit dem gesamten Ortsteil oder zumindest einem großen Teil von Rainbach zu beginnen.

Die städtische Fachbereichsleiterin Susanne Lutz erklärte, dass eine Gestaltungssatzung nicht die Art und das Maß einer Bebauung festlegen könne. Wenn man aber zum Beispiel Dachformen vorgeben wolle, müsse man sich erst die bereits vorhandenen Dächer anschauen. Und deren Formen seien im Ortsteil Rainbach sehr vielfältig. Dort gebe es keine gebietsspezifische Bebauung wie in der Altstadt, wo eine Gestaltungssatzung gelte. Nur Satteldächer zu erlauben, sei mit dem "Eigentumsrecht nicht vereinbar". "Wir fürchten, dass eine Gestaltungssatzung nicht zielführend ist", so Lutz. Und diese nur für ein Grundstück zu erlassen, wäre "nicht rechtssicher".

Hintergrund

Ist Neckargemünd wirklich machtlos?

Es dauerte nicht lange, da war "Rainbach 2.0" in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates Thema. Es war Edith Mayer von der Bürgerinitiative "Achtung! Rainbach und Neckartal", die die umstrittene Neubebauung im

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Ist Neckargemünd wirklich machtlos?

Es dauerte nicht lange, da war "Rainbach 2.0" in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates Thema. Es war Edith Mayer von der Bürgerinitiative "Achtung! Rainbach und Neckartal", die die umstrittene Neubebauung im Ortsteil in der Bürgerfragestunde ansprach. Sie zeigte sich irritiert über Aussagen von Bürgermeister Frank Volk nach dem Bürgerentscheid, dass es vom Landratsamt in Heidelberg eindeutige Signale gebe und dieses die umstrittenen Gebäude mit der Form eines Schiffsrumpfes – die sogenannten "Schiffchen" – nun genehmigen werde.

"Wir haben diese Signale nicht gehört", betonte Mayer. "Das können wir nicht nachvollziehen." Die Stadt solle nun über einen eigenen Bebauungsplan für das Areal oder eine Gestaltungssatzung für den Ortsteil nachdenken. Aber auch bei einem Bauantrag sei die Stadt nicht machtlos, so Mayer. Ortschaftsrat und Gemeinderat könnten diesen ablehnen.

Bürgermeister Frank Volk erklärte, dass sich eine Bebauung nun laut Paragraf 34 Baugesetzbuch nach Art und Maß an der Umgebungsbebauung orientieren müsse. "Von Form steht da nichts", betonte er. "Das ist der Knackpunkt." Nun liege die finale Entscheidung nicht mehr in der Hand des Gemeinderates, sondern beim Landratsamt. Die Stadt könne nur noch ihr Einvernehmen versagen, was aber vom Landratsamt ersetzt werden könne, falls das Einvernehmen rechtswidrig versagt wurde. "Wir werden immer gehört – ob wir aber auch erhört werden, ist unklar", so Volk. Der Bürgermeister zeigte sich überzeugt, dass der Gemeinderat die "Schiffchen" nach den massiven Protesten nicht genehmigt hätte. Mayer bezweifelte dies jedoch.

Ex-Grünen-Stadtrat Thomas Schmitz berichtete von seiner Erfahrung als Wahlhelfer, dass "der Großteil der Leute angesichts des komplexen Themas nicht wusste, worüber sie abstimmten". "Wir wurden im Wahllokal gefragt, um was es geht", erzählte er und fand: "Eindeutig ist anders." Schmitz sprach eine Gestaltungssatzung für Rainbach an, die auf der Tagesordnung der Sitzung stand. Er hielt eine solche für rechtlich nicht zulässig, da sich diese de facto nur auf ein Einzelvorhaben beziehen würde. Bürgermeister Volk erklärte, dass für ein größeres Gebiet zwar Fensterformen und Fassadenfarben festgelegt werden können, aber keine Höhen.

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Jens Hertel wehrte sich gegen den Eindruck, dass es seiner Fraktion nur um das vom Bürgerentscheid betroffene Areal der ehemaligen Gaststätte gehe. Es gehe um ein grundsätzliches Problem: "Unser Spielraum ist eingeschränkt oder schon gar nicht mehr vorhanden."

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Dennoch drehte sich die folgende Diskussion im Gemeinderat um das Areal der ehemaligen Gaststätte. Steffen Wachert (Freie Wähler) regte einen städtischen Bebauungsplan für das Areal an und bat um Prüfung. Ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan sei mit anderem Inhalt möglich, bestätigte Fachbereichsleiterin Lutz. Anne von Reumont (CDU) sprach sich grundsätzlich dafür aus, alle Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen. "Aber wo fangen wir an und wo hören wir auf?", fragte sie. Wenn man eine Gestaltungssatzung ausschließlich für das Areal der ehemaligen Gaststätte erlasse, könne der Investor rechtliche Schritte einleiten. "Wir möchten aber kostenintensive Gerichtsverfahren vermeiden", so von Reumont. Die Stadt solle prüfen, ob eine Gestaltungssatzung für den gesamten Ortsteil zulässig sei.

Felix Konrad (Grüne) meinte, dass nun ein weiterer Verfall des ehemaligen Gasthauses verhindert werden müsse. "Eine Gestaltungssatzung hilft da nicht und ein Bebauungsplan würde sich rechtlich auf dünnem Eis bewegen", meinte er. Ohne den Dialog mit dem Bauherrn gehe nichts. Konrad wünschte sich deshalb einen Runden Tisch: "Wenn wir nicht mit ihm sprechen, ist die Gaststätte platt und wir verlieren ein Kleinod." Die Stadt solle deshalb das Gespräch suchen. "Es wurde demokratisch entschieden und die Bürgerinitiative hat uns gestoppt", so Giuseppe Fritsch (fraktionslos): "Wir sind in einer Sackgasse und der Rat ist gespalten."

Hermino Katzenstein (Grüne) gab zu bedenken, dass die Erarbeitung einer Gestaltungssatzung mehrere Monate dauere. Was aber, wenn der Investor vorher einen Bauantrag stellt? Fachbereichsleiterin Lutz erklärte, dass der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend für die Frage sei, ob sich der Bauantrag nach der Gestaltungssatzung richten müsse. Und der Investor hatte bereits angekündigt, schnell einen Bauantrag zu stellen.

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