Die Amateursportler lehnen ein neues Stadion ab
Turngemeinde schlägt Einladung des Profi-Fußballvereins SV Sandhausen aus. Das Walter-Reinhard-Stadion ist für sie nicht ersetzbar.

Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Von einer "Win-Win-Situation" für Fußballclub und Gemeinde sprach Jürgen Machmeier als Präsident des SV Sandhausen (SVS), als er Mitte Januar bei einer Informationsveranstaltung für den Neubau eines Stadions bei den Sandhäuser Höfen an der Autobahn A 5 warb (vgl. Hintergrund). Völlig anders sieht das die Turngemeinde Sandhausen (TG): Die beiden Vorsitzenden des mitgliederstärksten Vereins der Hopfengemeinde betonen, dass bereits jetzt die Kapazitätsgrenze für den Amateursport im Ort weit überschritten sei. Und ein Stadionneubau des SVS würde diese Situation weiter verschärfen, sind sie überzeugt. Zudem machen sie klar: "Wir haben keine Ambitionen, ein Gast des SVS zu sein."
Von einer "einmaligen Zukunftschance" sprach Machmeier, eben nicht nur für den Proficlub aufgrund der "gigantischen Vermarktungschancen" und der Erweiterung an sich. Sondern durch die Umgestaltung des bestehenden SVS-Stadionareals schaffe man zudem Platz für Wohnraum, der auf der Fläche des dann nicht mehr benötigten Walter-Reinhard-Stadions entstehen könne, so Machmeier. Genau hier widersprechen aber die TG-Vorsitzenden Wilhelm Schrameier und Rolf Schneider im RNZ-Gespräch. "Es gibt am Walter-Reinhard-Stadion auch ein Kleinspielfeld, das von Basketballern und Handballern sowie anderen Vereinen genutzt wird", sagt Schneider als Leiter der TG-Basketballabteilung. "Würde das dann einfach wegfallen?" Außerdem werde das Stadion von den Schulen der Gemeinde – etwa für Sportfeste, Sportunterricht und Vorbereitung zum Sport-Abitur – genutzt. Und es beherberge mehrere Vereinsräume, die rege von TG, SC und den Fußballern des FC beansprucht würden. "Und die dortige Grillhütte wird von Keglern und Privatpersonen genutzt", ergänzt Schneider. Hinzu komme ein Veranstaltungsraum, der ebenfalls von Privatpersonen für Feiern gemietet werden könne und auch schon als Impfzentrum diente.
Hintergrund
> Die Pläne für einen Stadionneubau des SV Sandhausen (SVS) gehen auf eine ursprünglich geplante Erweiterung des bestehenden Vereinsgeländes um zwei Sportplätze zurück. Nach Protesten gegen eine damit verbundene Waldrodung wurde ein Runder Tisch zur Suche nach alternativen
> Die Pläne für einen Stadionneubau des SV Sandhausen (SVS) gehen auf eine ursprünglich geplante Erweiterung des bestehenden Vereinsgeländes um zwei Sportplätze zurück. Nach Protesten gegen eine damit verbundene Waldrodung wurde ein Runder Tisch zur Suche nach alternativen Erweiterungsmöglichkeiten einberufen. Nach mehreren Sitzungen und coronabedingten Verzögerungen wurden letztlich mehrere Varianten erarbeitet. Drei davon sehen den Umzug eines der SVS-Nachbarn – entweder FC Sandhausen oder Tennisclub 1970 – vor; dabei würde der SVS zwei weitere Sportplätze erhalten. Als weitere Alternative brachte Club-Präsident Jürgen Machmeier den Neubau eines Stadions samt zwei Trainingsplätzen an der Autobahn A 5 ins Spiel; das bestehende Vereinsgelände würde mit drei Sportplätzen für die Jugendmannschaften des Vereins umgestaltet. Zudem würde um einen dieser Plätze eine Tartanbahn entstehen, sodass nach Machmeiers Worten Vereine und Schulen nicht mehr auf das gegenüberliegende Walter-Reinhard-Stadion angewiesen wären – wo dafür wiederum ein Wohngebiet entstehen könnte. Machmeier betonte beim Informationsabend Mitte Januar, dass diese Pläne auch im Fall eines Abstiegs in die Dritte Liga gültig wären. Dabei gehe es unter anderem um die Sicherung von Arbeitsplätzen im Verein. Welche Variante letztlich umgesetzt wird, entscheidet der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung – ein Termin ist noch nicht bekannt (siehe auch Artikel unten). luw
Machmeier kündigte an jenem Informationsabend auf Nachfrage aus dem Publikum an, das bestehende SVS-Gelände nicht nur für die eigene Jugend umzugestalten, sondern auch neue Räume für die anderen Vereine zur Verfügung zu stellen. Und man wolle um einen der neuen Sportplätze herum eine Tartanbahn bauen. Damit gehe eine "Einladung" an alle örtlichen Schulen und Vereine einher, hier Sport zu treiben. Doch die TG-Vorsitzenden zeigen sich angesichts dieser Ankündigungen nicht nur skeptisch, sie winken gar aus grundsätzlichen Erwägungen ab: "Wir wollen kein Vertragspartner des SVS sein, wir sind Bürger der Gemeinde Sandhausen", sagt Schneider. "Ich hätte ein komisches Gefühl dabei", meint auch Schrameier. Aufgrund der bisherigen "Einschränkungen" als direkter Nachbar des Proficlubs sei man bereits vorbelastet: "Wenn wir gleichzeitig mit dem SVS ein Spiel in der Hardtwaldhalle haben, werden für uns die Parkplätze am Walter-Reinhard-Stadion abgesperrt", nennt Schneider ein Beispiel. Auch das Freitagstraining der TG in der Hardtwaldhalle könne nicht stattfinden, wenn am selben Abend ein Fußballspiel des Zweitligisten anstehe: Man müsste sich momentan mit den Fans einen Zugang teilen, sodass die Amateursportler zurückstecken würden.
Ohnehin fragt Schneider mit Blick auf die Parksituation im Süden der Hopfengemeinde: "Wenn auf der Fläche des Walter-Reinhard-Stadions Wohnraum entsteht, wo werden die ganzen Parkplätze ersetzt?" Und selbst wenn alles so bleibe wie aktuell, sei zu wenig Platz für die Bedürfnisse der TG mit ihren über 1500 Mitgliedern und sechs Abteilungen. "Wir haben beim Kinderturnen einen Aufnahmestopp, ebenso bei einigen Basketball-Mannschaften und fürs Kinderschwimmen sind momentan zwei Jahre Wartezeit angesagt", so Schrameier. "Wir haben seit Monaten einen Zulauf an Mitgliedern, so viele wie aktuell hatten wir noch nie", berichtet er von einer eigentlich erfreulichen Situation. Doch unterm Strich fehle im Ort eine komplette Sporthalle mit drei Feldern, um dem Bedarf gerecht zu werden: "Seit den 90er Jahren wurde die bestehende Hallenstruktur nicht mehr erweitert." So weiche man etwa mit Gymnastik- und Yoga-Gruppen bereits in die Festhalle aus. "Seit der Pandemie finden hier aber auch Gemeinderats- und Ausschusssitzungen sowie Blutspenden statt", so Schrameier. Folglich müsse man ständig umorganisieren und improvisieren. "Und das alles als Ehrenamtliche", wirft Schneider ein.
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Hinzu kämen vermeintliche Kleinigkeiten: "Der Verband schreibt mittlerweile für Basketball-Jugendspiele bis zur U 12 höhenverstellbare Körbe vor", erzählt Schneider. Doch Sandhausen sei unter den Jugend-Basketball-Standorten in der Region inzwischen eine von wenigen Ausnahmen, bei denen die Kinder immer noch auf die hohen Körbe der Erwachsenen spielen müssten. "Die Gemeinde stellt sich seit vier Jahren hier quer, neue Körbe zu beschaffen", ärgert sich der Basketball-Trainer.
Auch den dringenden Bedarf an Sportstätten allgemein habe man bereits Bürgermeister Hakan Günes in einem persönlichen Gespräch aufgezeigt. Dieser habe keine Zusagen gemacht und wolle die Situation zunächst prüfen. "Wir merken aber schon, dass die Gemeinde uns unterstützen will", merkt Schrameier an. Doch als ehrenamtlich getragener Verein mit 80 Prozent Sandhäuser Mitgliedern fühle man sich in direkter Nachbarschaft des Fußball-Proficlubs durchaus benachteiligt.
SV Sandhausen ist Thema hinter verschlossenen Türen
Über die Erweiterungspläne des Fußballvereins tagen die Räte und die Verwaltung nicht-öffentlich. Es gehe allerdings lediglich um "eine Vorberatung zum aktuellen Stand".
Sandhausen. (luw) Die geplante Erweiterung des Fußball-Zweitligisten SV Sandhausen (SVS) ist am heutigen Montagabend Thema einer nicht-öffentlichen Sitzung aller Ausschüsse mit Gemeinderäten und Verwaltung. Dies bestätigte Gemeindesprecher Jochen Denker auf RNZ-Anfrage. Demnach gehe es hinter verschlossenen Türen "lediglich um eine Vorberatung zum aktuellen Stand" in der Angelegenheit. Derweil wird auch in der Bevölkerung über die verschiedenen Varianten diskutiert.
Bekommt der SVS ein neues Stadion an anderer Stelle? Oder wechselt einer der benachbarten Vereine seinen Standort, damit der Proficlub zwei weitere Sportplätze bauen kann? Oder geht es am Ende gar "zurück auf Los", indem im Zuge der "Variante 0" letztlich doch 2,5 Hektar im Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardt gerodet werden? Aktuell scheint alles möglich – fest steht nur, dass der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung darüber entscheidet. Und allzu viel Zeit dürfte bis dahin nicht mehr vergehen.
SVS-Präsident Jürgen Machmeier hatte bekanntlich im Januar bei einem Informationsabend des Vereins erklärt, dass die für Spielbetrieb, Lizenzierung und Vermarktung der Bundesliga zuständige Deutsche Fußball Liga (DFL) eine Entscheidung bis zum 1. April dieses Jahres verlange. Bürgermeister Hakan Günes kündigte in seiner Haushaltsrede vor drei Wochen an, dass die Gemeindeverwaltung eine "Bewertung" der auf dem Tisch liegenden Varianten vornehme und deren Ergebnis "im Rahmen eines Tagesordnungspunkts" öffentlich präsentiert werde. Weder für diese Präsentation noch für die Abstimmung des Gemeinderats über die Varianten ist bisher ein Termin bekannt.