Neckargemünd

Wie richtig mit dem Wald umgehen?

Bei der Waldbegehung kam es zu kontroverse Diskussionen. Fachleute des Forstamts verteidigten sich gegen die Kritik des "Waldwende jetzt"-Forstwirts.

05.11.2021 UPDATE: 06.11.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Volker Ziesling (r.) von „Waldwende jetzt“ war einer der Experten bei der Begehung mit über 50 Bürgern im Kommunalwald. Foto: Alex

Von Anna Haasemann-Dunka

Neckargemünd. "Wir sind hier, weil wir Sorge haben" – so formulierten die Initiatorinnen der Waldbegehung, Monika Habermann und Ingrid Daar, ihr Anliegen. In den Kommunalwald der Stadt am Neckar hatten sie gemeinsam mit dem Verein "Waldwende jetzt" eingeladen. Sie wollten die Veranstaltung, an der mit über 50 Besuchern großes Interesse herrschte, als Einstieg in eine Diskussion um die Waldbewirtschaftung verstanden wissen.

Und als Anregung zu einem runden Tisch mit allen Beteiligten. Mit Revierförster Uwe Reinhard und dem Leiter des Kreisforstamts Manfred Robens nahmen auch die derzeitigen Waldbewirtschafter an der Begehung teil. Entsprechend kontrovers gestaltete sich der Austausch – und die Frage stand auch für die Besucher im Raum: "Wer hat mit seiner Argumentation nun recht?" Beide Seiten beriefen sich auf wissenschaftliche Studien.

Diplom-Forstwirt Volker Ziesling von "Waldwende jetzt" forderte einen Paradigmenwechsel im Umgang mit dem Wald und den Ressourcen angesichts sich häufender Extremwetterereignisse durch den Klimawandel. Eine weitere Herausforderung machte er im Artensterben aus. Von den rund sechs Millionen Arten ist bereits eine Million ausgestorben. Er stellte die Frage, ob der Wald nur als Ort der Holzproduktion zu betrachten sei, oder ob nicht andere Funktionen priorisiert werden müssten. Dabei machte er Zielkonflikte aus.

Anhand von Waldbildern auf einem rund einen Kilometer langen Weg erläuterte Ziesling unter Einbindung der Initiatorinnen der Waldbegehung das Anliegen von "Waldwende jetzt". Dabei wandte er sich gegen die gängige Praxis des Schirmschlags – also der Auflichtung des Waldkronendachs – und das Abernten von bereits etwa 140 Jahre alten Buchen. Nachteile sah er im Aufreißen der geschlossenen Waldkronenschicht, die zu einer Erhöhung der Waldinnentemperatur führe und damit dem Austrocknen der Humusschicht sowie dem Sonnenbrand auf der Rinde der verbliebenen Bäume Vorschub leiste.

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Außerdem führe eine solche Maßnahme zur Verbreiterung der Kronen von Schirmbuchen und damit zu einer höheren Verdunstung. Auf der Fläche bedeute dies letztlich Wassermangel für Alt- und Jungbäume. Außerdem werde das Aufwachsen eines Altersklassenwaldes anstelle eines mehrstufigen strukturreichen Waldes begünstigt. Die frühere Entnahme der wichtigen Altbäume geschehe auch auf Kosten der Biodiversität.

Demgegenüber verteidigten sich die beiden Fachleute vom Kreisforstamt und wehrten sich gegen den Eindruck einer nicht an der Natur orientierten Forstwirtschaft. Revierförster Reinhard verwies auf das Totholzkonzept sowie die Zwischenrevision der Forsteinrichtung und der daraus folgenden Verringerung des jährlichen Hiebsatzes. Außerdem sei man auf sonnenexponierten Standorten vom Schirmschlag abgekehrt hin zu einer eher räumlichen Ordnung. Man setze auf trockenverträgliche Mischbaumarten und fördere insbesondere die Eiche.

Mit den Besuchern diskutiert wurden zudem die Effekte, die sich die Forstwirtschaft von der Entnahme einzelner Bäume beziehungsweise von Baumgruppen – und damit von einem lichteren Wald – verspricht. Dieser biete nach Zieslings Ansicht insbesondere bei Sturmereignissen Angriffspunkte für Sturmwurf. Durch einen lichteren Wald könnte Regenwasser besser in den Waldboden gelangen, argumentierten die Forstfachleute. Ziesling wiederum hielt eine dichte Kronendecke für erforderlich, um der Verdunstung Einhalt zu gebieten.

Zum Ende der gut zweistündigen Begehung mit Diskussion ging es auch um den Wald als Kohlendioxid-Speicher, Bodenverdichtung durch schwere Erntemaschinen, schonendere Waldnutzung und Holzverbrauch. Habermann hatte hierzu ein Plakat vorbereitet, nach dem rund 50 Prozent des Papierverbrauchs in Verpackungen verwertet würden.

Die Erkenntnis machte die Runde, dass jeder aufgefordert sei, sein Verhalten als Verbraucher zu überdenken. Denn der Neckargemünder Wald decke den errechneten Pro-Kopf-Bedarf von 1,3 Kubikmeter Holz jährlich nur zu einem Viertel. Drei Viertel müssten importiert werden, nur: woher? Global würden knapp 90 Prozent der Wälder ohne Rücksicht auf die Belange der Natur bewirtschaftet – anders als im PEFC-zertifizierten und damit offiziell "nachhaltig bewirtschafteten" Neckargemünder Kommunalwald.

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