Getötete 64-jährige Sinsheimerin

Angeklagter im Mordprozess ist tot – Prozess eingestellt

Der 66-Jährige starb in der Nacht zum Samstag in der Justizvollzugsanstalt Mannheim.

15.01.2023 UPDATE: 04.02.2023 16:30 Uhr 21 Minuten, 50 Sekunden
Die Stichstraße „Annagrund“ im Gewerbegebiet: Das Auto mit der Leiche der 64-Jährigen im Kofferraum wurde hier geparkt.. Archivfoto: Julian Buchner

Heidelberg. (dpa) Der Angeklagte im Mordfall um eine Frauenleiche im Kofferraum eines Autos in Sinsheim ist tot. Der 66-Jährige sei in der Nacht zum Samstag in der Justizvollzugsanstalt Mannheim vermutlich durch Suizid gestorben, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Heidelberg. Das Strafverfahren werde eingestellt, die kommenden Prozesstermine fielen aus. Die Staatsanwaltschaft habe ein Verfahren zur Todesursache eröffnet.

Der Mann stand seit Mitte Januar vor Gericht, weil er seine Ehefrau aus Habgier mit einem Hammer erschlagen und die Leiche in einem Kofferraum versteckt haben soll. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Deutschen Mord vorgeworfen. Aus ihrer Sicht wollte der Angeklagte an die Hinterbliebenenrente seiner Frau kommen. Dem Mann hatte eine lebenslange Freiheitsstrafe gedroht. Die beiden erwachsenen Kinder des Paares waren in dem Prozess Nebenkläger.

Der Fall hatte im vergangenen Sommer in der Region Sinsheim viel Aufsehen erregt, weil das Auto samt Leichnam der 64-Jährigen in einem Gewerbegebiet entdeckt worden war. Den Tatverdächtigen nahm die Polizei knapp einen Monat später fest.

Hinweis der Redaktion: Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800/1110111 und 0800/1110222 sowie 116123. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.d.

Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/adressen/

Auch interessant
Getötete 64-Jährige in Sinsheim: Mit dem Hammer hinterrücks erschlagen?
Getötete 64-Jährige in Sinsheim: Die Frau wurde daheim getötet und am Tag der Tat gefunden
Getötete 64-Jährige in Sinsheim: Hinweise auf Ehemann haben sich weiter verdichtet

Wenn Sie sich von Depressionen betroffen fühlen, kontaktieren Sie die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Unter der kostenlosen Hotline 0800/1110111 oder 0800/1110222 oder 116123 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Update: Samstag, 4. Februar 2023, 16.30 Uhr


Abgehörte Telefone der Familie trugen zur Festnahme bei

Von Christian Beck

Sinsheim/Heidelberg. Auf die großen Erwartungen folgte eine große Enttäuschung im "Dührener Hammermord-Prozess": Nachdem die zwei Anwälte des Angeklagten am Freitagnachmittag um eine Pause gebeten hatten, um sich mit ihrem Mandanten zu besprechen, hatten mehrere Zuhörer gehofft, der 66-Jährige würde den Mord an seiner Frau gestehen – zuvor hatten sich dessen Kinder, die als Nebenkläger auftreten, zu ihm an den Tisch gesetzt. Doch nach rund zwei Stunden gab der Vorsitzende Richter lediglich bekannt, dass ein Zeuge nicht gehört wird. Was in der Zwischenzeit weiter besprochen wurde, blieb unbekannt.

Große Erkenntnisse konnten im Laufe des sechsten Verhandlungstags vor dem Landgericht Heidelberg nicht gewonnen werden. Vielmehr verfestigte sich das Bild, das mehrere Zeugen zuvor geformt hatten: Der Angeklagte habe in gewissen Belangen "unter ihrem Pantoffel" gestanden, berichtete ein Nachbar und Freund des 66-Jährigen. Er habe wegen ihr in geselligen Runden nie mehr als ein Bier trinken dürfen. Waren sie zusammen, hätte nur noch sie geredet.

Was den Umgang mit dem Tod seiner Frau anbelangt, sagten am Freitag mindestens drei Zeugen übereinstimmend: "Er war so gefasst." Der Nachbar erzählte, dass er den Angeklagten zwei Tage nach dem Tod von dessen Frau besucht hat und perplex war, dass der gerade erst zum Witwer gewordene Freund einen perfekt gedeckten Frühstückstisch für eine Person vor sich hatte. Der Kundenberater berichtete, dass der Angeklagte einen Tag nach dem Tod seiner Frau in der Bank angerufen hat, um zu fragen, wann die gemeinsamen Konten auf seinen Namen umgeschrieben werden können. Einen Tag nach der Beerdigung war er dafür in der Filiale. "Hätte er die Konten nicht einfach so lassen können?" fragte Oberstaatsanwältin Kerstin Anderson. Schließlich hatte auch er vollen Zugriff. "Ja", antwortete der Bankberater. Und er teilte mit, dass das Ehepaar ordentlich Geld gespart hatte, eine Lebensversicherung habe es zumindest bei der Sparkasse nicht gegeben.

Wann das Urteil gesprochen wird, ist noch unbekannt

Seine ältere Schwester erzählte, dass sie ihn gefragt hat, wo seine Frau wohl ihrem Mörder begegnet ist: "Er hat darauf nichts gesagt, er ist einfach nur dagesessen", berichtete sie. Unter Tränen hatte sie den Gerichtssaal betreten. Als sie aussagt, dass sie sich immer zu 100 Prozent auf ihn verlassen konnte, bricht er in Tränen aus. Für sie habe sich nach der Festnahme ihres Bruders ein Abgrund aufgetan, seitdem sei ihr Leben ein anderes. "Ich bin froh, dass die Mama das nicht miterleben muss", ruft sie ihm weinend zu, als sie den Saal verlässt.

Dass nach dem Fund des Leichnams die komplette Familie telefonisch überwacht worden war, teilte ein Kripo-Beamter mit. Dieser Umstand hat offenbar wesentlich zur Festnahme des 66-Jährigen beigetragen. Dieser habe sich am Telefon zwar nur knapp und nicht weiter auffällig geäußert, wohl aber dessen Tochter und ihr Mann. So hätten beide ihren (Schwieger)Vater verdächtigt und dabei versucht, zu rekonstruieren, wie dieser die Tat begangen haben könnte, inklusive der zeitlichen Abläufe.

Kritisiert wurde erneut das Vorgehen mancher Ermittler: "Professionelle Ermittlungsarbeit sieht anders aus", sagte Verteidiger Jens Klein zu der Aussage eines Kripo-Beamten, der mehrfach mitgeteilt hatte, nicht selbst entscheiden zu können, was er recherchiert, und sich auf seinen Vorgesetzten berufen hatte.

Mehreren Beobachtern fiel auf, dass die Verteidiger des Angeklagten, dessen zwei Kinder sowie deren Nebenklagevertreter beisammenstanden und sich besprachen. Der Sohn des Angeklagten verabschiedete sich am Spätnachmittag innig von seinem Vater.

Der Prozess wird am Montag, 6. Februar, fortgesetzt. Voraussichtlich wird dann das psychiatrische Gutachten des Angeklagten vorgestellt. Am Mittwoch sollen die Plädoyers gehalten werde. Das Urteil wird laut Richter Sven Herkle zu einem späteren Termin gesprochen.

Update: Freitag, 3. Februar 2023, 19.15 Uhr


Stand der Angeklagte "unter ihrem Pantoffel"?

Sinsheim/Heidelberg. (cbe/mün) Wie haben die Nachbarn den Angeklagten und seine getötete 64 Jahre alte Ehefrau erlebt? Das war Thema zu Beginn des 6. Verhandlungstages im Sinsheimer Hammermord-Prozess am Landgericht Heidelberg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 66 Jahre alten Angeklagten vor, seine Frau erschlagen zu haben.

Zwei Nachbarn wurden in der Verhandlung befragt. Der Angeklagte habe einen ruhigen und eher introvertierten Eindruck gemacht. In gewisser Weise habe er auch "unter dem Pantoffel" seiner Gattin gestanden. Eine Zeugin sagte, wenn sie bei einer Unterhaltung hinzugekommen sei, habe nur noch sie geredet. Der Ehemann habe dann geschwiegen.

Ein anderer Zeuge berichtete, dass der Angeklagte sehr gefasst gewirkt habe, nach dem klar gewesen sei, dass seine Frau ermordet wurde. Man habe eine Trauerphase vermisst.

Am Freitag soll im Verlauf des Prozesses noch ein psychologisches Gutachten vorgestellt werden.

Update: Freitag, 3. Februar 2023, 12.20 Uhr


Der besten Freundin der Toten platzt im Zeugenstand der Kragen

Von Tim Kegel

Sinsheim/Heidelberg. Das Tatwerkzeug fehlt, der Form der Kopfplatzwunde nach war es vermutlich ein Hammer, mit dem die 64-Jährige am 23. Juni erschlagen wurde. Im Auto, in dessen Kofferraum die Tote mit einem Sack über dem Kopf gefunden wurde, wurden lediglich Haare des wegen Mords angeklagten 66-jährigen Ehemanns sowie der Frau selbst sichergestellt. Keine großen Überraschungen und Wendungen hielt der fünfte Verhandlungstag im Hammermord-Prozess vor der Sechsten Großen Strafkammer des Heidelberger Landgerichts bereit.

Ergänzende Auswertungen der Kriminaltechnik zum schwarzen Ford Fiesta brachten kaum weiter: Obwohl das Autoradio in Bauteile zerlegt und sogar Mikrochips ausgelötet und ausgelesen wurden, förderte das nur die Erkenntnis zutage, dass sich die Bluetooth-fähigen Handys des Paars schon einmal im Auto befunden haben. Flecken an der Kleidung der Leiche – unter anderem "schwarzbraune, schwarze, stellenweise glänzende Partikelchen mit weißen Punkten", die sich unter dem Mikroskop bei 80- bis 400-facher Vergrößerung genauer zeigten – deuten auf "Flitter von Nadelholzkohle" hin, wie sie sich im Sack Eierbriketts befanden, der in der Garage am Haus des Ehepaars stand. Braune Reste an den Schuhen der Frau stammen laut einer Analyse mithilfe "Pyrolyse-gekoppelter Gas-Chromatografie und Massenspektrometrie" von Erde und Kot – zu finden rund um Garage und Hausgarten. So weit, so normal. Dass die Antragungen beim Schleifen der Leiche entstanden, liegt im Bereich des Möglichen.

"Hoch-hoch-schwierig" sind laut Rechtsmedizin Angaben zum Todeszeitpunkt. Wegen des heißen Wetters mit Temperaturen bis zu 50 Grad im Kofferraum sei "kein klassisches Arbeiten" möglich gewesen. Die Gutachter begannen um 0.05 Uhr mit Untersuchungen der Leiche und gehen davon aus, dass der Tod "zehn bis zwölf Stunden" zuvor eingetreten ist. Wenn dem so ist, würde das zeitlich zu Indizien aus Handy- und Bewegungsdaten passen, etwa zur letzten Lesebestätigung einer Whatsapp-Nachricht um 9.24 Uhr am Tattag. Es handle sich allerdings um eine "untere Begrenzung", eine obere sowie stunden- oder minutengenaue Angaben ließen sich "nicht seriös" machen.

Ersticken sei Todesursache gewesen; hierauf deute Mageninhalt in den Atemwegen hin, über dessen Art nichts bekannt wurde. Höchstwahrscheinlich sei das Opfer sofort bewusstlos gewesen und der Tod in einem Zeitraum von maximal 20 Minuten eingetreten. Bluteintragungen an den Innenlippen und am Nasenband deuten darauf hin, dass der Frau der Mund zugehalten wurde. Eindeutig ist "eine Hiebverletzung", die "von vorne, von der Seite oder von hinten" zugefügt worden sei. Mangels Tatwerkzeug könne man "zur Position zwischen Täter und Opfer nichts sagen". Rippenbrüche könnten vom Verladen stammen. Dass wenig Blut und einzig in der Garage gefunden wurde, hielt der Fachmann für nicht außergewöhnlich.

Kripobeamte, Freundinnen der Toten sowie Freunde des Beschuldigten sagten in einem zweiten Prozess-Strang aus – und sogar ein Zellengenosse aus der Untersuchungshaft: Letzterer gab an, dass der Mann "nachts immer geweint", die Tat bestritten und oft von der Familie gesprochen habe. Angst vor einem noch frei herumlaufenden Täter habe er nicht geäußert.

Das zerrüttete Verhältnis zum Sohn – drei Monate bis zum Tattag ohne Kontakt – sprach ein Ermittler kurz an: Der 31-Jährige habe sich laut dem Angeklagten "für eine Immobilie interessiert", worüber es Meinungsverschiedenheiten gegeben habe. Die verhaltenen Reaktionen des Ehemanns seien nach Eindruck des Ermittlers in der Akte keinesfalls mit Desinteresse gleichzusetzen, obwohl Prozessbeobachter und Angehörige dies bei dem Witwer zu erkennen glauben. "Er war für mich an dem Tag glaubhaft" und habe möglicherweise "das Ereignis noch nicht in vollem Umfang realisiert" gehabt, sagte der Ermittler.

Der Ehe des Paars spürte Richter Jochen Herkle nach, auf einfühlsame Weise, manchmal mit leisem Lächeln und schwäbelndem Akzent: Erneut wurde ein harmonisches Bild gezeichnet, von Einkaufstouren und Kurztrips; von ihr als lebhaftem, häufiger auch anstrengendem, und ihm als ruhigem Part, der den Eindruck mache, "nicht auf drei zählen" zu können. "Eine griffige Formel" aus der Akte lautet sinngemäß: Sie hat gesagt, was gemacht wird. Und er macht’s. An einen Wutausbruch des Beschuldigten gegenüber der Frau glaubt sich eine entfernte Bekannte zu erinnern. Dessen Schweigen verstört viele: "Warsch’s, oder warsch’s ned?" platzte der besten Freundin der Toten in breitem Sinsheimer Dialekt im Zeugenstand der Kragen: "Sag doch mol was!"

Update: Donnerstag, 2. Februar 2023, 19.48 Uhr


Todeszeitpunkt der 64-Jährigen schwer zu bestimmen

Sinsheim/Heidelberg. (cbe/tk) Wann genau die 64-Jährige ermordet wurde, lässt sich schwer bestimmen – das geht aus dem Bericht des Rechtsmediziners hervor, den dieser am 5. Verhandlungstag im sogenannten "Dührener Hammermord-Prozess" am Donnerstag vor dem Heidelberger Landgericht vortrug. Dies liege an dem heißen Wetter an jenem 23. Juni 2022, zumal der Leichnam längere Zeit in einem aufgeheizten Auto lag. Der Mediziner hatte die Obduktion an der Getöteten noch in der Nacht nach deren Auffinden vorgenommen. Des Weiteren teilte er mit, dass die Tat schwer zu rekonstruieren ist, wenn die Tatwaffe nicht feststeht. Es wird vermutet, dass es sich dabei um einen Hammer handelt, zumal dieser offenbar im Werkzeugkasten des Angeklagten fehlt. Als sicher gilt dies jedoch nicht. Laut Aussage des Rechtsmediziners deuten weitere Verletzungen am Mordopfer aber darauf hin, dass ihr der Mund zugehalten wurde.

Ein ehemaliger Zellengenosse des Angeklagten wurde als Zeuge gehört. Er berichtet, dass der Beschuldigte in der Nacht viel geweint hat. Außerdem wurden rechtsmedizinische Gutachten verlesen. Dabei wird deutlich, dass die Ermittler enormen Aufwand betrieben haben: So kamen beispielsweise Massenspektrometer und hochauflösende Mikroskope zum Einsatz, um zu bestimmen, woher die schwarzen Flecken an der Hose der Ermordeten stammen. Den Erkenntnissen nach handelt es sich dabei um Eierkohle.

Update: Donnerstag, 2. Februar 2023, 12.28 Uhr


Wurde der Mord in der Garage begangen?

Von Christian Beck

Sinsheim/Heidelberg. Wie kamen die Blutspritzer an die Garagenwand? War der 66 Jahre alte Angeklagte in der Lage, den Leichnam alleine in den Kofferraum zu legen? Und aus welchen Gründen wurde er schließlich festgenommen? Um diese Fragen drehte sich der vierte Verhandlungstag im sogenannten Dührener Hammermord-Prozess am Dienstag vor dem Heidelberger Landgericht.

In dessen Rahmen wurden auch Fotos gezeigt, die die Polizei gemacht hatte, kurz nachdem die tote Frau gefunden wurde. Viel Blut ist darauf zu sehen, auch ein Foto der Kopfwunde wird kurz an die Wand geworfen. Die beiden Kinder, die als Nebenkläger auftreten, hatten sich zuvor umgedreht. Doch so manchen Verwandten und Bekannten, die den Prozess als Zuhörer verfolgen, ist das Entsetzen anzumerken und anzuhören.

Der Kofferraum des Autos, ein Ford Fiesta, ist klein. Wohl deshalb war der Rücksitz teilweise umgeklappt, der Kopf des Mordopfers lag, mit einer blauen Mülltüte bedeckt, im Fonds. Um zu ergründen, ob ein älterer Mann die Frau alleine eingeladen haben könnte, rekonstruierten die Ermittler den Vorgang mit einem baugleichen Fiesta und einer Puppe mit identischem Gewicht. Das Fazit des Kriminalhauptkommissars: "Das traue ich gebrechlichen Leuten auch zu."

Viel DNA-Material konnten die Ermittler feststellen, sowohl im Auto als auch im Wohnhaus des Ehepaars. Doch vieles davon scheint eingeschränkt verwertbar zu sein. Zum einen wohnte der Angeklagte in dem Haus und nutzte auch einmal das Auto seiner Frau, ohne dass ihm auf diese Weise ein Vorwurf gemacht werden könnte. Zudem sind laut einer Biologin vom Landeskriminalamt (LKA) häufig auch Spuren der Kinder dabei. Und die sind genetisch sehr ähnlich, schließlich haben die Tochter und der Sohn die Gene von der Getöteten und dem Angeklagten.

Vier Ermittler hatten sich mehrere Tage lang das Haus des Ehepaars vorgenommen. In einem Raum fanden sie Blutflecken: in der Garage, und zwar an einem unteren Teil der Wand, auf dem Boden und an der Innenseite des Garagentors. Das Blut stammt vom Opfer. Eine weitere Biologin des LKAs deutete die Flecken als Schleuderspuren: Sie entstünden nur, wenn ein mit Blut bedeckter Körper oder Gegenstand mit viel Schwung beschleunigt wird. Ein Schlag mit dem Hammer auf den Kopf reiche dafür nicht aus. Wenn der Leichnam vom Täter aufgesetzt wurde und dann wieder umfiel, könnten dann diese Spuren entstanden sein? Auf diese Frage von Sven Höpp, dem Vertreter der Nebenkläger, antwortete die Biologin mit "ja". Bemerkenswert sei aber, dass nur in manchen Bereichen Blutspritzer vorgefunden wurden, es hätten mehr sein müssen. Sie hält es daher für wahrscheinlich, dass der Boden der Garage teilweise abgedeckt war, beispielsweise mit Folie.

Einen Einblick in die Arbeit der Ermittler gab schließlich der Leiter der Sonderkommission. Dass in den ersten Tagen nach dem Fund des Leichnams viele Polizisten beim Lidl-Markt zu sehen waren, lag daran, dass sich das Handy der Frau an ihrem Todestag dort drei Stunden befand. Dass tagelang in zwei Mehrfamilienhäusern Bewohner befragt und Keller in Augenschein genommen wurden, lag mal an Handydaten, mal an einem Spürhund, der dort etwas gewittert hatte. Beide Orte stellten sich als falsche Fährten heraus. Videoaufnahmen des Fiestas erwiesen sich schließlich als hilfreich. Um auszuschließen, dass es sich dabei um einen anderen Wagen dieses Typs handelt, seien rund 700 Fiesta-Fahrer in der Umgebung kontaktiert worden. Kurzzeitig sei auch der Sohn in den Fokus der Ermittler gerückt, doch er habe ein Alibi. Nicht jedoch dessen Vater, befand der Soko-Leiter, die Anwälte des Angeklagten widersprachen.

Der Prozess wird am Donnerstag, 2. Februar, ab 9 Uhr fortgesetzt.

Update: Dienstag, 31. Januar 2023, 20.20 Uhr


Weitere Indizien belasten den angeklagten Ehemann

Sinsheim/Heidelberg. (tk/cbe) Bedrückende Szenen am vierten Verhandlungstag im sogenannten Hammermord-Prozess. Und weitere Indizien wurden vorgestellt, die den 66-jährigen Angeklagten und Ehemann des Mordopfers schwer belasten. Gezeigt wurden Bilder der Auffindesituation der ermordeten 64-Jährigen im Kofferraum ihres Wagens, es ist viel Blut zu sehen.

Unter den zahlreichen Prozessbeobachtern aus dem Umfeld der Familie der Frau herrscht Entsetzen, schweres Atmen ist im Saal zu hören. Für einige bricht eine Welt zusammen, manche halten sich die Augen zu. Tochter und Sohn, die als Nebenkläger auftreten, drehen sich weg, um den Anblick zu vermeiden.

Ein Kriminalhaupkommissar gibt Einblick in die Ermittlungen: Mithilfe einer 78 Kilogramm schweren Puppe - dem exakten Gewicht der Ermordeten - wurde das Verladen des Leichnams in den Kofferraum des Ford Fiesta mit mehreren Personen von unterschiedlicher körperlicher Kraft geprobt, um die Frage zu klären, ob der Angeklagte - er ist klein und schmächtig - dazu in der Lage ist. Fazit des Zeugen: "Das traue ich auch gebrechlichen Leuten zu." 

Update: Dienstag, 31. Januar 2023, 12.05 Uhr


Minuten nach dem Fund der toten 64-Jährigen am 23. Juni 2022 im Kofferraum ihres schwarzen Ford Fiesta werden im Sinsheimer „Annagrund“ Spuren gesichert. Archivfoto: Julian Buchner

Auf dem Handy wurde "Kopfschlag" und "Müllsack" gegoogelt

Von Tim Kegel

Sinsheim. "Wie viel Rente als Frau 45 Jahre" oder "Wenn Frau stirbt wie viel" oder "Schläge auf den Hinterkopf" – so lauten Google-Suchen auf dem Handy des 66-jährigen Beschuldigten, der sich zurzeit vor dem Heidelberger Landgericht wegen des mutmaßlichen Mords an seiner 64-jährigen Frau verantworten muss.

Die Tat geschah am 23. Juni des vergangenen Jahres. Die Tote war noch am Tattag am Rand des Gewerbegebiets Süd im Kofferraum ihres schwarzen Ford Fiesta von der Polizei entdeckt worden. Das Handy der Toten lag in einem Straßengraben und war zuvor vom Sohn des Paars geortet worden. Einen knappen Monat später kam der Ehemann unter dringendem Tatverdacht in Haft: Aus Habgier soll er die Frau, mit der er seit 40 Jahren verheiratet war, mit einem stumpfen Gegenstand im Keller des gemeinsamen Hauses hinterrücks erschlagen und das Auto mit der Leiche am Fundort abgestellt haben, wie es im Spätjahr seitens der Staatsanwaltschaft hieß.

Die neuesten Erkenntnisse sind indessen erst rund eine Woche alt. Ein findiger Digitalforensiker, der am Montag von der Sechsten Strafkammer des Landgerichts befragt wurde, hatte sich erneut mit dem Handy des Beschuldigten beschäftigt – und fand anhand der im Hintergrund automatisch von dem Gerät abgelegten Screenshots eine ganze Reihe weiterer verdächtiger Suchschlagwörter.

Diese "Zeitstempel", die bei der Verhandlung an die Wand projiziert wurden, gehen zurück bis 18. Mai: Ein weiteres Glied in der Kette in dem Indizienprozess und ein Anhaltspunkt, dass die Tat seit Längerem geplant war. Der Beschuldigte, ein hagerer Mann mit dünnem weißen Haar und Dreitagebart, schweigt, verfolgt die Verhandlung teilnahmslos. Er sagt nur, dass er seine Frau "sehr geliebt" habe.

Nach "Müllsäcke 240 Liter bei Hornbach kaufen" wurde ebenfalls mit dem Smartphone des Manns gesucht. Die blaue Variante davon trug die Tote laut Polizisten über dem Kopf, als sie gefunden wurde – blutverschmiert, mit Kopfplatzwunde. Bei den Handy-Suchen war auch von Interesse, "wie und ob ein gestohlenes Auto geortet werden" könne. Oder auch, wie man Suchverläufe im Internet bei Google beseitigen kann. Nun deutet einiges darauf hin, dass Letzteres nicht geklappt hat.

Gezogen wurden 726.403 Datensätze allein an Standortdaten und 1,8 Millionen Aktivitätserkennungen" aus einem Zeitraum von etwa fünf Jahren. Akribisch befassten sich die Ermittler mit den digitalen Endgeräten des Paars, und mit der Auswertung der Überwachungskameras entlang der Strecke, vom vermuteten Tatort im Dührener Haus zum Fundort im Sinsheimer "Annagrund".

Wichtige Rollen spielen Kameras in der Sinsheimer Shell-Tankstelle in der Dührener Straße, vor dem Lokschuppen der Eisenbahnfreunde in der Jahnstraße und vor der Klima-Arena in der Dietmar-Hopp-Straße. In unterschiedlicher, teils auch schlechter Qualität ist auf den Videodateien ein schwarzes Auto "mit den markanten Sechslochfelgen" und den getönten Heckscheiben zu sehen. Wohl ein Ford Fiesta wie der, den die Frau selbst fuhr und in dem die Tote gefunden wurde.

Eine weitere Kamera filmt eine Eingangstür der Klima-Arena, als im Spiegelbild der Glastür eine männliche Person auftaucht, mit Mund-Nase-Schutz und hinlänglich erkennbarer Kleidung: Kurz nachdem der Ford in Richtung "Annagrund" vorbeigefahren ist, bewegt sich die Person zu Fuß zurück in Richtung Stadt.

Eine ähnliche Silhouette am Steuer des Autos bilden zuvor auch Aufnahmen der anderen Kameras entlang der Stecke ab. Die Kamera des Badewelt-Caterings zeigt den Ermittlern, dass das schwarze Auto den "Annagrund" angesteuert, aber nicht verlassen hat.

Zeitlich deckt sich die Beobachtung in den Minuten kurz vor und nach 11 Uhr mit Bewegungsdaten, die über ein sogenanntes Google-Takeout des Handys der Toten generiert wurden, das bei der Fahrt in Richtung "Annagrund" wohl an Bord war. Je nach Qualität des empfangenen Signals – so stellten es die Fahnder dar – unterscheidet sich auch die Genauigkeit des im Google-Konto gespeicherten Standorts.

Die Funktion, die sich neben hochgenauen GPS-Signalen – je nach Empfang – auch auf W-Lan-Ortungspunkte und diverse Sensoren im Handy selbst stützt, zeigt auch an, wie schnell sich das Gerät bewegt.

Allerdings fließen auch die Gewohnheiten des Nutzers – wie frühere oder häufige Aufenthaltsorte – in die Bewegungsprofile ein. So lässt sich beispielsweise erklären, dass die Polizei zunächst ein Objekt in der Steinsbergstraße untersucht hat, das in der Nähe des Fundorts der Toten liegt und das die Frau früher oft besucht hatte.

Mehrere Vergleichsfahrten mit einem baugleichen Handy brachten die Kripo auch zur Erkenntnis, dass "ein Stop bei der Dorfbäckerei möglich ist", ohne dass er protokolliert wird.

Trotzdem sind Bewegungs- und Ruhemodi des Telefons zur Bewertung des Geschehens wichtig: Etwa ein merkwürdiges, kurzes Signal in der Nacht gegen 1.30 Uhr, die erste Bewegung am Morgen des 23. Juni, dem Tattag, um 7.30 Uhr, diverse Bewegungen über den Vormittag und "der Beginn einer Autofahrt" um 10.36 Uhr laut Sensordaten – bis das Handy gegen 11 Uhr "in einen unbewegten Zustand geht"

. Gegen 14.30 Uhr kommt ein GPS-Ortungssignal an, doch das Gerät "bewegt sich weiter nicht", bis es gegen 20.30 Uhr aufgefunden wird. Im weiteren Verlauf des Prozesses werden Gutachter, etwa zu genetischen Analysen, gehört.

Update: Montag, 30. Januar 2023, 20.13 Uhr


Polizisten berichten vom Tatort

Sinsheim/Heidelberg. (tk) Dritter Verhandlungstag im Prozess um den sogenannten Dührener Hammermord: Die Sechste Große Strafkammer des Heidelberger Landgerichts beschäftigt zur Stunde erneut der Mord an einer 64-Jährigen im vergangenen Juni in Sinsheim, Beschuldigter ist ihr 66-jähriger Ehemann. 12 Zeugen sollen am heutigen Montag gehört werden.

Dem Rentner, der zurzeit in Mannheim in Untersuchungshaft sitzt, wird zur Last gelegt, die Gattin im Keller des gemeinsamen Hauses im Sinsheimer Stadtteil Dühren mit einem schweren Gegenstand, vermutlich einem Hammer, erschlagen zu haben, offenbar aus Habgier. Die Leiche wurde noch am Tattag im Kofferraum des Wagens der Frau in einem Sinsheimer Gewerbegebiet gefunden.

Der Beschuldigte bestreitet die Tat und spricht von einem intakten Familienleben über 40 Jahre, schweigt jedoch darüber hinaus. Zuletzt waren im Zuge des aufwendigen Indizienprozesses, neben Angehörigen, auch Nachbarn bis hin zur Angestellten des Dorfbäckers befragt worden - mit teils eher geringem Erkenntnisgewinn. Diesen Montag sollen Polizeibeamte aussagen, die beim Fund der Toten anwesend waren. Tochter und Sohn des Ehepaars treten als Nebenkläger auf. 

Update: Montag, 30. Januar 2023, 11.57 Uhr


Bei den Briefen flossen die Tränen des Angeklagten

Von Christian Beck

Der Angeklagte verfolgte den zweiten Prozesstag wort- und lange Zeit auch teilnahmslos. Am Freitagnachmittag brach er in Tränen aus, als der Richter Briefe vorlas, die er seinen Kinder aus dem Gefängnis geschickt hat. Archivfoto: dpa

Sinsheim. "Es hätte eigentlich mich treffen müssen" – das hat die Schwester der Ermordeten in einer polizeilichen Vernehmung gesagt, wie nun beim zweiten Verhandlungstag des Mordprozesses am Freitagnachmittag vor dem Heidelberger Landgericht bekannt wurde. Der Angeklagte selbst, der seine Frau mit einem Hammer erschlagen haben soll, verfolgte den Prozess wort- und scheinbar auch teilnahmslos. Doch als zwei Briefe vorgelesen wurden, die er seinen Kindern aus dem Gefängnis geschickt hat, schluchzte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

"Ihr fehlt mir sehr, aber noch mehr die Mama", heißt es in einem der Briefe. Er weine sehr viel, könne nicht verstehen, dass er im Gefängnis sitzt, und er schäme sich, dass er seinen Kindern Kummer macht. "Ich habe Mama nichts gemacht", schreibt er mehrfach. Im gleichen Brief bittet er darum, dass sich die Kinder darum kümmern, dass beim Mercedes Tüv gemacht wird. Und er schlägt vor: "Wenn es nicht gut bei mir ausgeht, solltet ihr das Haus verkaufen."

Zahlreiche Zeugen kamen am Freitag zu Wort, darunter auch die Schwiegertochter und der Schwiegersohn. Letzterer sagte über den Angeklagten: "Er war für mich der beste Mensch", der immer da gewesen sei, um zu unterstützen. Der Schwiegersohn sagte aber auch, dass er keine Trauerphase bei seinem Schwiegervater wahrgenommen hat, er sei nach dem Tod seiner Frau "zu schnell in den Alltag gerutscht". Und es sei ihm vor der Festnahme irgendwann der Gedanke gekommen: "Hier stimmt irgendetwas nicht." Zu vieles an dem Fall sei unlogisch. Er hätte den Verdacht gegen seinen Schwiegervater nie ausgesprochen; seine Frau, also die Tochter des Angeklagten, hätte daraufhin aber sofort gesagt: "Dann war es mein Vater." Die Tochter und der Sohn des Angeklagten treten als Nebenkläger auf.

Immer wieder ging es am zweiten Prozesstag darum, die letzten Stunden der Ermordeten zu rekonstruieren sowie herauszufinden, was deren Mann an diesem Tag gemacht hat. Dazu wurden Nachbarinnen und auch die Bäckereiverkäuferin befragt, bei der der Angeklagte stets süße Stückchen für die Enkel kaufte – mit überschaubarem Erkenntnisgewinn.

Und immer wieder ging es auch um die körperliche Fitness des Angeklagten. Die Fragen zielten offensichtlich darauf ab, ob er in der Lage war, die Tote in den Kofferraum zu heben – darin war der Leichnam gefunden worden. Dazu sei er körperlich nicht imstande, schließlich habe seine Frau mehr gewogen als er – das trug der psychologische Sachverständige Dr. Joachim Schramm nach einem Gespräch mit dem Angeklagten vor. Doch der Schwiegersohn berichtete auch, dass sein Schwiegervater beim Holzmachen 50 Kilogramm schwere Stücke auf den Holzspalter legen konnte und sehr fit war. Vor Gericht wirkt der Angeklagte weder kräftig noch sportlich. In seinen Briefen schrieb er aber auch, dass er im Gefängnis mehrere Kilo abgenommen hat.

Zum Verhältnis der Ermordeten und des Angeklagten fällt mehrfach die Bezeichnung "perfekte Ehe", beide hätten sich gut ergänzt: Er als passiver Part, sie als die, die "die Hosen an hatte". Mehrere Zeugen beschreiben die Ermordete als herzlich, es fällt aber auch der Begriff anstrengend. Dass sich der Sohn drei Monate vor dem Tod der Mutter von der Familie distanzierte, wurde erneut angesprochen, eine Erklärung dafür hatte niemand. Die Schwester der Ermordeten sagte: "Meine Schwester wollte immer eine heile Familie, das hat für sie gezählt."

Als Mordmotiv steht Habgier im Raum: Der Angeklagte könnte es auf die Versicherungssumme seiner Frau abgesehen haben. Doch mehrere Zeugen machten deutlich: Das Ehepaar war sparsam, aber nicht arm. Das Haus sei abbezahlt, es seien Ersparnisse vorhanden.

Dass die Schwester der Ermordeten sagte, dass es eigentlich sie hätte treffen müssen, liegt daran, dass sie alleinlebend sei und eine App auf dem Handy habe, um Männer kennenzulernen. Andere Zeitungen hatten berichtet, dass die Ermordete zuvor auf einem solchen Portal aktiv gewesen sei. Das könne aber nicht sein, ihre Schwester habe die meisten Funktionen ihres Handys gar nicht verstanden und sei deshalb dazu gar nicht in der Lage gewesen.

Der Prozess wird am Montag, 30. Januar, fortgesetzt. Dann sollen unter anderem die Polizisten befragt werden, die den Leichnam gefunden haben.

Update: Freitag, 27. Januar 2023, 19.27 Uhr


Schlug der Ehemann nach dem "Opa-Oma-Tag" zu?

Von Tim Kegel

Sinsheim/Heidelberg. "Glauben Sie mir, ich habe meine Frau sehr geliebt." Sätze wie diesen sagt Gerd G. immer wieder. Und selbst wenn der 66-Jährige zum Tatvorwurf schweigt und nur Angaben zu persönlichen Umständen macht, spricht er oft von seiner Frau und ausschließlich in den besten Tönen, schluchzt dabei.

Spätestens in der Nacht zum 23. Juni vergangenen Jahres soll der Rentner beschlossen haben, die damals 64-Jährige umzubringen. Hielt ihr – wohl nach dem von dem Paar seit Jahren gepflegten Frühstücksritual – im Keller des gemeinsamen Hauses im Sinsheimer Stadtteil Dühren den Mund zu, versetzte ihr mit einem schweren Gegenstand – wohl einem Hammer – einen Schlag auf den Kopf.

Silvia G. erleidet einen offenen Bruch, wird bewusstlos, erstickt an ihrem Erbrochenen. Nach einer dramatischen Suche durch Angehörige und die Polizei wird die Leiche am Abend im Sinsheimer Industriegebiet im Kofferraum ihres Wagens entdeckt. "Habgier" erkennt die Staatsanwaltschaft als Motiv der Tat, außerdem Heimtücke.

Vieles wirkt ritualisiert in der Familie, die sich "wie im Bilderbuch" darstellt. Gerd G. berichtet von gemeinsamen Einkaufstouren, vom zusammen genossenen Vorruhestand nach arbeitsreichen Leben, sie als Reinigungskraft in einer Sinsheimer Behörde, er als Betriebsschlosser in einer Neckarsulmer Gießerei.

Von der ersten Wohnung übers Häuschen in der Südstadt bis hin zum trauten Heim, "mit Landleben" auf dem Dorf. Er wandert mit Kumpels aus der Nachbarschaft, man hilft sich, organisiert Straßenfeste, "gemeinsam sind wir stark". Sie zieht’s – als "Stadtfrau", wie G. es nennt – schon immer Richtung Stadt, zu Freundinnen nach Sinsheim oder mit ihm nach Heilbronn, Mannheim, auch mal nach Frankfurt. Zu einer Laufgruppe oder zum Theaterspielen im Züchterverein.

Auch eine kleine Reise ist manchmal drin, hin und wieder geht sie mit den vier Frauen alleine weg. Und immer wenn mittwochs "Oma-Opa-Tag" mit den beiden Enkeln war, "dann war Party" angesagt, sagt Gerd G. Auch am Tag, bevor der Mord passierte, sei so ein "Oma-Opa-Tag" gewesen.

Eine Art Ritual seien auch die Anrufe und Handy-Nachrichten zwischen der Getöteten und der Tochter gewesen, schildert die 39-jährige Mutter der beiden Enkel: Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit und mehrfach über den Tag verteilt hätten die beiden oft telefoniert.

Die Mutter sei "bekümmert" gewesen, heißt es da, habe sich stets "Sorgen gemacht", es könne dem Nachwuchs etwas zustoßen, habe nach Besuchen Wert darauf gelegt, zu wissen, ob alle heil zurück sind. "Meine Mutter war alles für mich", sagt die Tochter und beschreibt 45 Minuten lang ein inniges Verhältnis. In einem Nebensatz fällt das Wort "Kontrolle".

Der Sohn nennt die Mutter, die sorgsam Vorräte anlegte, gerne Kleidung für sich und den Mann kaufte und – entgegen kursierender Gerüchte – mit Sozialen Netzwerken nichts habe anfangen können, "eine Löwin"; drei Monate lang hatte der 31-Jährige den Kontakt zu den Eltern abgebrochen.

Weshalb das so kam, ließ sich nicht restlos klären. Erst die Suche nach der Vermissten bringt die Familie wieder zusammen, als es dem Sohn gelingt, das verschwundene Handy der Toten am Rand der Südstadt zu orten. Am Tag des Verschwindens macht Gerd G. zunächst die Tochter auf ein merkwürdiges Verhalten der Mutter aufmerksam, sie gehe nicht ans Telefon; zuletzt habe er seine Frau am Vormittag in Richtung Sinsheim fahren sehen, als er selbst zum Dorfbäcker spaziert sei.

Kurz hätten sie gesprochen. Wann das gewesen sei – hier nennt Gerd G. der Tochter über den Tag verschiedene Zeitpunkte. Eine Verwechslung? Schließlich finden sich weder Verwandte, noch Bekannte, die über den Mittag Besuch von der Frau hatten. Angst bricht aus: Es sei schlicht nicht vorstellbar, dass Silvia G. sich nicht meldet, nicht Bescheid gibt.

Als die Tote schließlich gefunden wird – am Abend kurz nach 22 Uhr – hütet Gerd G. die Enkel. Aktiv an der Suche beteiligt er sich nicht, was die Tochter im Nachhinein stutzig macht; sie setzt zusammen mit ihrem Mann alle Hebel in Bewegung, geht zur Polizei, informiert die Leitstelle.

Der Sohn und dessen Frau, die in der Stadt nach der Vermissten suchen, sehen den aufsteigenden Hubschrauber, treffen dann auf die Spurensicherung am Auto mit der Toten im Kofferraum. Wie sauber der Wagen eingeparkt ist, fällt dem Sohn auf: Die Mutter sei "keine gute Autofahrerin" gewesen.

Noch in der Nacht beginnen Verhöre: Gerd G. wird kurz vor 2 Uhr in Dühren von der Kripo abgeholt und dann bis kurz vor 6 Uhr befragt. Es geht um Zeitpunkte, den Tagesablauf, um persönliche Verhältnisse und Beziehungen, um das am Abend eigentlich mit der Tochter geplante Treffen "zum Haarefärben" in Dühren.

Zwei dreiminütige Pinkelpausen gibt es bei der Vernehmung, schließlich sind alle müde, brechen ab: Blieb beim Abbruch ein Tatverdacht? Der Ermittler meint: "Nö, überhaupt nicht." Dennoch habe der Polizist Gerd G. gegenüber gesagt, er könne sich "vorstellen, dass etwas aus dem Ruder gelaufen ist". Dies sei "ein Spruch, den man öfters bringt" bei derlei Befragungen.

Doch selbst die Räume im Hause G. hätten "nicht den Eindruck gemacht, aktuell gereinigt worden zu sein", etwa um Spuren zu beseitigen. Zeitgleich wird der Sohn verhört, den man zu dem Zeitpunkt ebenfalls verdächtigte. Kriminaltechniker untersuchen die Kleidung der beiden Männer.

Bis es zur Verhaftung kommt, ist der 18. Juli. Bis dahin besucht G. zweimal die Badewelt, erledigt seine Einkäufe, bestellt sich Kleidung – ungewöhnlich für den Vater, finden Sohn und Tochter; auch auf einen schon vor dem Mord geplanten Dubai-Urlaub bereitet er sich vor.

Und während 70 Ermittler der Kripo an dem Fall arbeiten und die ganze Stadt voller Plakate mit dem Foto der Toten hängt, wundert sich die Tochter, dass G. "kaum Fragen" zur Tat stellt und nicht über einen Täter mutmaßt: "Aber jeder trauert anders", sagt sie sich. Der Sohn spricht davon, dass er beim Aufräumen im Haus Industriereiniger gefunden habe und merkte, dass ein Hammer aus dem Werkzeug fehlt.

Rund 40 Bekannte und Verwandte beobachten den Prozess der Sechsten Strafkammer am Heidelberger Landgericht. Ein Großteil der Menschen ist fassungslos. Eine Frau hofft "auf einen Restfunken, dass er es nicht war". Die Verhandlung wird am 27. Januar fortgesetzt. Weitere Termine stehen an.

Update: Montag, 16. Januar 2023, 20.03 Uhr


Angeklagter schweigt bei Prozessauftakt zu Vorwürfen

Sinsheim/Heidelberg. (tk/cbe) "Ich kann Ihnen sagen: Ich habe meine Frau sehr geliebt." Dies hat der 66-Jährige zum Auftakt des Mordprozesses gegen ihn am Montag vor dem Landgericht Heidelberg mitgeteilt. Er ist angeklagt, seine Frau im Wohnhaus in Sinsheim-Dühren mit einem stumpfen Gegenstand, möglicherweise einem Hammer, erschlagen zu haben. Die 64-Jährige war am 23. Juni 2022 tot im Kofferraum eines Kleinwagens gefunden worden.

Der Angeklagte. Foto: tk

Mehrere Wochen später war ihr Ehemann festgenommen worden und befindet sich seitdem im Mannheimer Gefängnis. Zum Tatvorwurf äußert er sich nicht. Recht ausführlich hat er jedoch zu den persönlichen Verhältnissen Stellung bezogen. So berichtete er, dass er stets das Frühstück für seine Frau gemacht hat und erzählte von seiner "harten Arbeit" als Schlosser. Er wirkt mitgenommen, schluchzt immer wieder. Sohn und Tochter treten als Nebenkläger auf, sie haben ein Bild der toten Mutter aufgestellt. Bislang wurden mehrere Zeugen gehört, darunter ein Kripobeamter, der den Angeklagten direkt nach dem Fund der Leiche mehrere Stunden verhört hatte.

Update: Montag, 16. Januar 2023, 12.36 Uhr


Prozess gegen den Ehemann beginnt in Heidelberg

Heidelberg. (dpa-lsw) Aus Habgier soll ein Mann seine Ehefrau mit einem Hammer erschlagen und die Leiche in einem Kofferraum versteckt haben. Ab Montag verhandelt das Landgericht Heidelberg gegen den 66-Jährigen wegen Mordes. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft wollte der Angeklagte an die Hinterbliebenenrente seiner Frau kommen.

Der Fall hatte im vergangenen Sommer in der Region Sinsheim für Aufsehen gesorgt, weil das Auto samt Leichnam der 64-Jährigen in einem Gewerbegebiet entdeckt worden war. Den Tatverdächtigen nahm die Polizei knapp einen Monat später fest.

Der Deutsche hat sich nach Auskunft einer Gerichtssprecherin bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die Gelegenheit bekommt er am Montag vor Gericht.

Zudem sollen die beiden erwachsenen Kinder des Paares gehört werden, die als Nebenkläger an dem Prozess teilnehmen. Dem Angeklagten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann im Juni seine Ehefrau zu Hause überraschend angegriffen und vermutlich mit einem Hammer erschlagen hat. Er habe ihr mutmaßlich mit einem einzigen wuchtigen Schlag auf den Kopf so schwere Verletzungen zugefügt, dass die 64-Jährige kurz darauf starb.

Dann soll der Beschuldigte die Tote in den Kofferraum ihres Autos gelegt haben, zu einem Parkplatz am Rande des Gewerbegebiets gefahren sein und den Wagen dort abgestellt haben. Aus Sicht der Anklage ging der Mann heimtückisch vor.

Die Polizei hatte zur Aufklärung des mutmaßlichen Gewaltverbrechens eine Sonderkommission mit 69 Ermittlern und Ermittlerinnen gebildet. Sie erhielt rund 70 Hinweise aus der Bevölkerung.

Das Schwurgericht am Landgericht hat sechs Fortsetzungstermine geplant. Es könnte demnach Anfang März ein Urteil sprechen. Bis dahin will es zahlreiche Zeugen und einen Sachverständigen hören.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.