Eine Notsanierung mit Tragweite
Der Fahrbahnübergang an der Waidbachbrücke der B292 wird am heutigen Donnerstag und Freitag instandgesetzt. Es sei eine "akute" Situation, die Standsicherheit jedoch nicht gefährdet.

Die Waidbachbrücke aus dem Jahr 1970 führt die Bundesstraße 292 am Sinsheimer Zentrum vorbei und gilt als wichtige Umfahrung. Ab heute werden die Fahrbahnübergänge saniert - mit schwer absehbaren Folgen für die Verkehrssituation der Innenstadt. Archivfoto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Lange wusste man von Schäden an der Waidbachbrücke zwischen der Sinsheimer Weststadt und der Waibstadter Höhe, doch plötzlich ging alles ganz schnell: "Notsanierung". Ab dem heutigen Donnerstag baut der Bund am Übergang zur wichtigen Verkehrsachse - trotz zahlreicher innerstädtischer Baustellen. Eine Planung und ihre Folgen:
Verwirrung im Vorfeld der Maßnahme gab es einige: Im Gemeinderat zur Planung befragt, räumte Oberbürgermeister Jörg Albrecht ein, hiervon "aus der Zeitung erfahren" zu haben: "Wir wissen nichts", sagte Albrecht. Tatsächlich wurde die Planung vom Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) am vergangenen Freitagnachmittag um 15.54 Uhr als Pressemeldung via E-Mail verschickt und nur in wenigen Zeilen umrissen. Von einer "Notsanierung" am Fahrbahnübergang an der Waidbachtalbrücke ab dem heutigen Donnerstag war die Rede. Ein Aufschub der Maßnahme sei "nicht möglich", hieß es auf RNZ-Nachfrage am selben Nachmittag. Allerdings seien Fachbehörden nicht mehr erreichbar.
Verkehrsprobleme befürchtet man im Rathaus: Über die Waidbachtalbrücke läuft die Bundesstraße 292. Die Brücke ist von jeher als Entlastungsstrecke der Sinsheimer Innenstadt wichtig, zur Zeit sogar besonders bedeutsam - unter anderem wegen der Sanierung von Teilen der Friedrichstraße, und weil auch an anderen Stellen der Innenstadt, darunter am Zweydinger-Areal in der Muth- und Dührener-, vor allem aber in der Neulandstraße, Baustellen und Umleitungsstrecken eingerichtet sind oder gerade werden. Der Umleitungsverkehr - darunter viele Ortskundige, die sich auf "Schleichwegen" um die Baustellen herum bewegen - und der Verkehr, der normalerweise die Waidbachtalbrücke nimmt, kulminiert dann stadteinwärts. Oder im ohnehin überlasteten Zentrum. "Hätte man uns gefragt", sagt OB Albrecht, "wir hätten angeregt, den November abzuwarten". Bis Ende November, glaubt er, "wäre Ruhe eingekehrt".
"Merkwürdig dringlich" fand mancher Gemeinderat die Ankündigung der Maßnahme, besonders die Wortwahl von der "Notsanierung". Freie-Wähler-Sprecher Harald Gmelin wunderte sich am Rand der Sitzung, warum "die Sanierung einerseits nicht fünf Wochen geschoben werden kann - man dann aber die Brücke nicht für den Verkehr sperrt?"
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Sinsheim ist nicht Genua, stellt Hans-Joachim Kraus vom Baureferat Nord des Regierungspräsidiums klar; von Heidelberg aus koordiniert er die Arbeiten an der Waidbachtalbrücke. Zwei Tage nach dem verheerenden Brücken-Einsturz in Norditalien am 13. August 2018 mit 43 Toten gab das Landesverkehrsministerium Entwarnung, es gebe im Bereich der Bundes- und Landesstraßen "keine mit Genua vergleichbare Brückenkonstruktion". Wie sämtliche Brücken werde auch die Waidbachtalbrücke im Sechs-Jahres-Turnus einer einfachen sowie einer Hauptprüfung unterzogen. Anders als die Genueser Morandi-Brücke setzten Deutschlands Brücken auf Redundanz, sagt Kraus: "Grob erklärt: Hält ein Bauteil nicht, dann halten weitere Bauteile." Trotzdem habe man bei Routineprüfungen festgestellt, dass die Sinsheimer Situation "akut" sei.
Was ist beschädigt? Laut Krauss handelt es sich "lediglich um den Fahrbahnübergang", eine Stahlkonstruktion mit Lagern und Puffern. Brückenbauwerke, erläutert Krauss, "dehnen sich bei Hitze aus und werden bei Kälte kürzer". Der Fahrbahnübergang diene der Korrektur des entstehenden Spalts. Dieser Spalt könne "bei großen Brücken wie am Bosporus durchaus einen Radfahrer schlucken" und sei dort anders gesichert. An der Waidbachbrücke herrschten Sinsheimer Dimensionen, die, wenn sie nicht zügig saniert würden, "einen Motorradfahrer zum Sturz bringen" könnten. Bei einer Überprüfung seien Schäden festgestellt worden, die man heute und am Freitag beheben müsse.
Wie wird gearbeitet? Es handle sich lediglich um Schweißarbeiten an dem Übergang. Diese müssten voraussichtlich von der Ober- und Unterseite der Brücke aus erledigt werden, weshalb man bisweilen "nur die Baustelle und keine Arbeiter" wahrnehmen werde. Die eigentliche Brücke sei von den Arbeiten nicht betroffen und sicher befahrbar, sagt Krauss. Geplant ist eine Ampelregelung und die Verkehrsführung über einen Fahrstreifen. Vollsperrungen könnten - je nach vorgefundenem Schadensbild - zwar nicht ganz ausgeschlossen werden; sie dauerten aber nur "wenige Minuten".
Wann wird gearbeitet? Die Hauptarbeiten sollen zwischen 9 und 15 Uhr erledigt werden, in der "verkehrsarmen Zeit". Im Baureferat Nord geht man davon aus, "binnen der zwei veranschlagten Tage fertig zu werden".
Warum so plötzlich? Eine abschließende Antwort bleibt das RP schuldig. Die eilige Meldung am späten Freitagmittag - über die auch das Rathaus von der Maßnahme erfahren haben will - habe "der Bürgerinformation gedient", sagt Krauss. Den Handlungsdruck vergleicht er "mit einem Herzinfarkt"; man müsse vermeiden, dass mit dem Winter die Schäden und damit das Unfallrisiko steige. Den Frust im Rathaus - wo man hinter vorgehaltener Hand von "einem Kommunikationsproblem" spricht - kann er nachvollziehen, wenn auch nicht alles planbar sei: Bisweilen, sagt Krauss, "passt das Konzept, passt die Umleitung in der jeweiligen Kommune". Dann würden "plötzlich genehmigte Fördermittel Baustellen nach sich ziehen", wodurch langfristige Planungen konterkariert würden.
Der Zustand der Waidbachbrücke ist eher schlecht. In der offiziellen Klassifizierung, die den Brücken im Land Zustandsnoten von 1,0 bis 4,0 zuordnet, lag die Waidbachbrücke im Jahr 2015 bei einem Zustand von 2,5 bis 2,9. Dies geht aus einer Anfrage der damaligen Grünen-Fraktion an die Bundesregierung hervor. Der Zustand, hieß es damals im Antwortschreiben, gelte als "ausreichend". Selbst ein "ungenügender" Bauwerkszustand sage per Definition nicht zwangsläufig etwas über die Standsicherheit einer Brücke aus. Auch fehlende Gitterstäbe im Geländer, Beton-Abplatzungen, eine schadhafte Abdichtung oder Korrosionsschäden fließen in die Klassifizierung ein. Schon seit Längerem gilt auf der Waidbachbrücke ein 50er-Tempolimit wegen Straßenschäden.
Die Sanierung der Waidbachbrücke ist schon seit Längerem im Gespräch, hat aber mit der heutigen Maßnahme nichts zu tun. Es liefen jedoch bereits Planungen für die komplexe Maßnahme an. Ein Ingenieurbüro werde beauftragt. Bis Bauarbeiten beginnen könnten, denkt Krauss "grob in einem Ein- bis Zweijahres-Zeitraum".