"Senioren kommen oft viel zu spät zu mir"
Eva-Maria Auwärter erklärt, warum sich Menschen früher mit dem Alter auseinandersetzen sollten.



Seniorenbeauftragte bei der Stadtverwaltung
Von Christian Beck
Sinsheim. Krankenpflegerin hat Eva-Maria Auwärter gelernt und danach lange in der Altenpflege gearbeitet, unter anderem als Leitung des Seniorenwohnheims "Haus Burgblick" in Weiler. Seit Juli ist die 37-Jährige Seniorenbeauftragte bei der Stadtverwaltung. Im Gespräch mit der RNZ erzählt sie, in welchen Bereichen sie weiterhelfen kann, warum die Leute oft zu spät zu ihr kommen und warum das Thema Altern auch die Jungen etwas angeht.
Frau Auwärter, ist man mit 37 Jahren alt genug, um Seniorenbeauftragte zu sein?
(schmunzelt) Man ist immer so alt, wie man sich fühlt. Aber Spaß beiseite: Ich habe beruflich viel Erfahrung in der Altenpflege gesammelt. Und ich hatte früh einen engen Bezug zu Senioren, weil ich im Wesentlichen von meinen Großeltern erzogen wurde.
Was hat Sie an der Stelle der Seniorenbeauftragten gereizt?
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Senioren liegen mir am Herzen. Aber viele von ihnen und deren Angehörige haben von zahlreichen Dingen ein ganz falsches Bild. Da möchte ich helfen.
Was meinen Sie mit dem falschen Bild?
Die Leute wurden noch nie so alt wie jetzt. Und sie waren noch nie so lange fit wie jetzt. Einige glauben, das geht immer so weiter, sie beschäftigen sich nicht mit dem Älterwerden. Und wenn es dann soweit ist, wollen sie nicht zugeben, dass Dinge nicht mehr so klappen. Senioren kommen oft viel zu spät zu mir.
Woran merken Sie das konkret?
Ein Klassiker ist, dass eine Frau mit Mitte 80 beim Vorhangabhängen vom Stuhl fällt, sich etwas bricht, länger ins Krankenhaus muss und dann nie wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren kann. Oder die erwachsenen Kinder, die weiter weg wohnen, berichten mir erschrocken, dass im Wohnzimmer ihrer älteren Mutter Mäuse rumflitzen und sie das gar nicht mitbekommen hat. Diese und viele weitere Fälle lassen sich verhindern, wenn man sich rechtzeitig beraten lässt und sich mit dem Älterwerden und den Konsequenzen beschäftigt.
Was haben Sie vor?
Ich möchte Kontakt mit den Senioren aufnehmen, die Leute hinter dem Ofen vor locken. Bei Themen wie Krankheit und Tod braucht es eine Vertrauensbasis. Ich möchte beraten und Ängste abbauen.
Planen Sie Aktionen?
Der Sonntagsbus wird weiterhin unterwegs sein. Im Juni wird es wieder einen Rollatortag geben. Das "Singen in der Allee" wird es wieder geben. Und wenn es nicht regnet, werden im Sommer immer freitags um 10 Uhr Bewegungsübungen für Senioren im alla-hopp-Park angeboten.
Macht es für Senioren einen Unterschied, ob sie in der Kernstadt oder in einem Stadtteil leben?
Ja. In den Stadtteilen ist der Zusammenhalt oft viel größer. Da wird auch mal geschaut und nachgefragt, ob alles in Ordnung ist, wenn der ältere Nachbar zwei Tage nicht gesehen wurde. In der Kernstadt kennen sich Nachbarn manchmal gar nicht mehr. Dafür gibt es in manchen Stadtteilen Probleme bezüglich Nahversorgung und Erreichbarkeit, die es in der Kernstadt nicht gibt, die es in Sinsheim nicht gibt.
Ab wann gilt man eigentlich als Senior?
Das ist eine sehr gute Frage. Oft ab 65 Jahren, es gibt keine offizielle Zahl.
Ich kenne Menschen, die mit 65 nicht als Senior bezeichnet werden möchten.
Ja, definitiv. Aber das ist auch bedauerlich.
Wieso das?
Mir hat jemand erzählt, seine Mutter, die schon jenseits der 80 ist, weigert sich, auf Seniorennachmittage zu gehen. Sie würde sagen: "Was will ich denn da? Da sind doch nur Alte!" Aber das ist doch schade. Wo anders gelten Senioren als verdiente Menschen. Ich finde, in unserer Gesellschaft existiert ein Jugendwahn: Man muss immer leistungsfähig sein, Falten darf man auch nicht haben. Diese Einstellung fällt einigen auf die Füße.
Was empfehlen Sie?
Mal mutig zu sein. Sich mit Themen zu befassen, bei denen man denkt: Das geht mich nichts an – zum Beispiel die Vorsorge fürs Alter. Im schlimmsten Fall ist es langweilig. Aber es könnte ja auch sein, dass man was Wichtiges mitnimmt. Und noch etwas ist mir wichtig.
Und zwar?
Im Jahr 2027 wird jeder vierte Sinsheimer 65 Jahre alt oder älter sein. Wenn wir diesen demografischen Wandel für alle gut gestalten wollen, ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Nur circa 16 Prozent der Menschen, die gepflegt werden, leben in einem Pflegeheim. Die überwiegende Mehrheit wird von Angehörigen gepflegt, was vielfach gar nicht bemerkt wird. Es lässt sich nicht alles mit Geld ermöglichen. Vielmehr müssen wir gemeinsam aufeinander achtgeben.
Info: Eva-Maria Auwärter ist erreichbar unter der Telefonnummer 07261/404267 sowie per E-Mail an familie@sinsheim.de. Für ein persönliches Gespräch kann man bei ihr einen Termin vereinbaren.