Sinsheim

Warum auch 1991 die Fastnacht ausfiel

Das närrische Brauchtum fällt im Landkreis Karlsruhe wegen der Corona-Pandemie komplett ins Wasser

04.02.2021 UPDATE: 05.02.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Bilder von feiernden Narren auf den Straßen gibt es in diesem Jahr nicht. Archivfoto: Of

Landkreis Karlsruhe. (of) Die Narren tragen Trauer. Wegen der anhaltenden Corona-Pandemie und den einhergehenden Beschränkungen fällt bekanntlich auch die aktuelle Faschingskampagne komplett ins Wasser. Kein Helau, kein Alaaf, und auch kein Narri-Narro. Spätestens am "Elften-Elften" war klar, dass es 2021 keine Prunksitzungen und Umzüge in gewohnter Form geben kann.

Dabei war vor einem Jahr für die vielen Gesellschaften und Vereine aus der Region, die das närrische Brauchtum immer wieder am Leben halten, die Welt noch in Ordnung – obwohl schon dunkle Wolken am Horizont Unheil verkündeten. Noch am 15. Februar 2020 hatte die 1. Kraichtaler Faschingsgesellschaft "Uneroiser Kerschdekipper" ihre große Prunksitzung in der Sport- und Kulturhalle gefeiert. Einige Tage später wurde der erste Lockdown verkündet.

Was viele Jüngere nicht wissen: Schon einmal, vor genau 30 Jahren, fiel die Fastnacht komplett aus. Weil 1991 im nahen Osten ein Krieg tobte, hieß es hierzulande "feiern gehört sich da nicht". Zuerst wurde der Karneval in den rheinischen Hochburgen abgesagt, danach folgten die Narrenzünfte im Südwesten auf geradem Fuß. Die Präsidenten des organisierten Brauchtums gaben nach: Sie waren der diffusen Angst vor Anschlägen ausgewichen, knickten ein vor dem moralischen Druck, der durch den Beginn des 1. Golfkrieges entstanden war.

Die Frage stand damals überall im Raum: Darf man bei uns feiern, wenn am Persischen Golf amerikanische Soldaten sterben? Später sah man das anders, Solidarität mit den USA hin – schlechtes Gewissen her. Als dann der Krieg in Jugoslawien und damit auch in Europa tobte, wurde trotzdem Fastnacht gefeiert – übrigens auch in Amerika. 1991 bleibt ein Lehrstück, wenn auch aus vergangener Zeit. "Überall bei uns im Ländle waren damals schon die Jahresorden bestellt, die Säle angemietet, die Verträge mit den Musikformationen unterschrieben", erinnert sich Heimfried Werner aus Bruchsal, langjähriger Sitzungspräsident und in der Region als "Graf Kuno vom Kraichgauland" bekannt. "Dann kam die Absage, die allen sehr weh tat." Später war der allgemeine Tenor bei den Gesellschaften: "Das würden wir künftig nicht mehr so machen."

In der Folge und aus der unbefriedigenden Situation heraus wurde am 22. März 1991 der "Narrenkreis Bruchsal" gegründet und Siegbert Veit zum ersten Vorsitzenden gewählt. Heute steht Mario Decker, Ehrensitzungspräsident der "NeuKaGe" Neudorf, dieser Gemeinschaft, in der nahezu alle Vereine aus dem Raum Bruchsal zusammengeschlossen sind, vor. "Heute hat uns die Geschichte von damals eingeholt, doch der Krieg heißt Corona-Virus und findet weltweit statt", sagt Decker.

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Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben sich seit Ausbruch der Pandemie 100 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert. Da hilft kein schminken oder verkleiden, kein noch so schönes Kostüm. Nur die Maske bleibt. "Heute ist das ganze Jahr Maskenball", sagte kürzlich ein gequälter Zeitgenosse. Aschermittwoch überall.

Auch Markus Oberst, Präsident der "Uneroiser Kerschdekipper", ergibt sich mit seinen Mitstreitern dem Schicksal und sagt: "Nichts zu machen. In einem Jahr ist der Spuk hoffentlich längst vorbei." Auch Sitzungspräsidentin Vanessa Oberst bekräftigt: "Wir lassen alles ruhen und hoffen auf bessere Zeiten." Trotzdem hat sie ihre Wohnung, frei nach dem Roberto-Blanco-Motto "Ein bisschen Spaß muss sein", mit bunten Luftballons und Girlanden ein wenig närrisch aufgehübscht. "Ein verlorenes Jahr", sind sich alle Fastnachter einig.

Immerhin: Am Rosenmontag bietet der Narrenkreis Bruchsal unter www.narrenkreis-bruchsal.de eine Online-Sitzung an.

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