Sinsheim

Unwürdige Zustände in Flüchtlings-Unterkunft?

Ein Besucher machte Bilder aus der Unterkunft im Fohlenweideweg öffentlich und beschwerte sich beim Kreisgesundheitsamt. Die reagierten am Tag darauf.

30.12.2022 UPDATE: 30.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Nur eine Momentaufnahme? Auf die hygienischen Zustände in der Kreis-Unterkunft im Fohlenweideweg machte ein Besucher in Form einer Beschwerde ans Gesundheitsamt aufmerksam. Foto: privat

Von Tim Kegel

Sinsheim. Verstopfte Toiletten inklusive brauner Brühe, ein mit Band überklebtes, nicht nutzbares Urinal voller Urinstein. Schmutz in Duschabläufen und Wasserlachen auf den Toilettenböden. Diese Bilder waren Gegenstand einer Beschwerde, die in diesen Tagen ans Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises ging. Entstanden sind sie Mitte Dezember in der Unterkunft für Geflüchtete im Fohlenweideweg 33.

Foto: privat

"Ich finde es eine Schande, Menschen so unterzubringen", sagt Gilbert J. aus Eppingen, der die Beschwerde verschickt und die Fotos angehängt hat. Bei einem zufälligen Gespräch mit Bewohnern der Unterkunft habe er Kenntnis über die Zustände erlangt und sich schämen müssen, "so was zu hören und zu sehen". Die zuständigen Mitarbeiter des Landratsamts, so mutmaßt Gilbert J., "erscheinen mir in dieser Sache nicht sehr aktiv"; möglicherweise sei man auch "hilflos ob der aktuellen Flüchtlingssituation".

Wie dem auch sei, müsse "ein Minimum an Hygiene gewährleistet" sein. Bewusst sei sich der Eppinger auch, dass Bewohner der Unterkünfte teilweise selbst "großen Anteil an der Situation der Sauberkeit" haben. Die abgebildete Situation sei "nicht zu verdenken, wenn man in einem maroden Gebäude untergebracht wird". Tatsächlich blättert über einem Teil der Nasszellen offenbar bereits der Putz von der Wand. Rund 270 Menschen leben zurzeit in der Unterkunft. Sie stammen aus Syrien, Afghanistan, Mazedonien, der Ukraine, Russland, Gambia, Nigeria und Sri Lanka.

Foto: privat

Inzwischen seien die Zustände behoben, sagt Landkreis-Sprecher Ralph Adameit auf Nachfrage. Am Tag nach Eingang der Beschwerde sei Personal der Behörde vor Ort gewesen: "Die Verstopfung der Toilette war bereits beseitigt; auch die Klospülung war intakt", weiß Adameit. Die Armaturen einer Dusche und eines Waschbeckens seien getauscht worden. Was die übrigen angemerkten Punkte wie feuchte Wände betrifft, stehe das Ordnungsamt des Kreises mit dem Eigentümer des Gebäudes in Kontakt, hier der Immobiliensparte des Landratsamts. Und für die herumliegenden rohen Hähnchenteile und prall gefüllten blauen Müllsäcke in den Außenanlagen – ebenfalls auf den Fotos zu sehen – kann die Kreisverwaltung nicht wirklich was.

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Der Turnus der Reinigung in der Unterkunft bestehe aus einer "desinfizierenden Reinigung" der Sanitäranlagen, von Küche und Flur "zweimal pro Woche", schildert Adameit. Um diese Arbeit kümmere sich ein vom Ordnungsamt beauftragter Reinigungsdienst. Im Rahmen sogenannter Arbeitsgelegenheiten nach Paragraf 5 des Asylbewerber-Leistungsgesetzes versuche man auch, Personen, die in der Unterkunft leben, zur Reinigung der Anlagen heranzuziehen.

Darüber hinaus werde auch versucht, Bewohner der Unterkünfte "auf die allgemeine Energieproblematik aufmerksam zu machen", sagt Adameit auf Nachfrage, indem man diese auffordere, "sich entsprechend zu verhalten". Ergänzend dazu seien Hinweisschilder in verschiedenen Sprachen aufgehängt und Workshops zum Energiesparen veranstaltet worden.

Die unwürdigen Zustände sind jedenfalls beseitigt. Dass sich ähnliches binnen kürzester Zeit wiederholen kann, schildern der Beschäftigte einer städtischen Flüchtlingsunterkunft und der ehemalige Mitarbeiter einer Hilfsorganisation für junge Flüchtlinge. Das Unterbringen von 200 und mehr Menschen, noch dazu mit verschiedenen Sprachen und einem hohen Anteil junger Männer, berge ein solches Risiko, wie geschildert wurde.

Foto: privat

Im Gegensatz zu kleinen, dezentralen Wohngruppen mit Jugendlichen, seien die Möglichkeiten für erzieherische Maßnahmen in großen Unterkünften wie im Fohlenweideweg sehr begrenzt, auch wegen der Erwachsenen-Klientel und weil diese Einrichtungen nicht den Charakter einer dauerhaften Bleibe oder gar Wohnung hätten.

Ort des Geschehens

Auch in städtischen Unterkünften habe es in der Vergangenheit, wenn auch vereinzelt, Probleme gegeben, wird der RNZ berichtet: Die Rede ist von verschwundenen W-Lan-Switches oder mehrfach hintereinander zu Bruch gegangenen Waschbecken – woraufhin diese nicht mehr von einem Tag auf den anderen instandgesetzt worden seien.

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