Heute vor 20 Jahren überraschte den Kraichgau eine Hochwasserkatastrophe
Sintflutartige Regenfälle sorgten vor genau 20 Jahren für die größte Überschwemmung, die das Hügelland je erlebt hat. Wassermassen strömten durch die Städte und Gemeinden und hinterließen großflächige Zerstörungen.

Waibstadt. Was am späten Abend des 27. Juni 1994 im Kraichgau passierte, hat sich im Gedächtnis vieler für immer eingebrannt. Sintflutartige Regenfälle sorgten vor genau 20 Jahren für die größte Überschwemmung, die das Hügelland je erlebt hat. Wassermassen strömten durch die Städte und Gemeinden, rissen Autos mit, überfluteten Wohnungen, verwüsteten Gewerbebetriebe und hinterließen großflächige Zerstörungen. Werte im dreistelligen Millionenbetreg wurden vernichtet, ein Mensch ertrank.
Hochwassermarken in vielen Ortschaften veranschaulichen heute, wie hoch die Fluten standen und machen begreifbar, welches Naturereignis damals über die Menschen hereinbrach. Besonders stark betroffen waren Waibstadt, Neckarbischofsheim und Eschelbronn. Aber auch in den meisten anderen Ortschaften kam es zu Überschwemmungen.
Der 27. Juni 1994, ein Montag, ist zunächst ein herrlicher Tag. Jede Menge Sonnenschein, und am Abend soll bei der Fußball-WM im amerikanischen Dallas Deutschland auf Südkorea treffen. Die meisten Fußball-Fans bekommen das Spiel noch bis zum 3:0-Zwischenstand, auch durch zwei Klinsmann-Tore, mit, doch dann werden die Fernseher dunkel: Stromausfall. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Himmel seine Schleusen bereits geöffnet, ließ ein gewaltiger Wolkenbruch Weltuntergangsstimmung aufkommen. Wenig später fallen auch die Telefone aus. Gegen 22 Uhr wälzt sich eine Wasser- und Schlammlawine durch die Täler von Schwarzbach, Krebsbach und Wollenbach. Die zwei Meter hohe Welle reißt alles mit, was sich ihr in den Weg stellt. Aber es hört nicht auf zu regnen. Inzwischen sind alle Feuerwehren der Region im Einsatz und versuchen, überflutete Keller leer zu pumpen. Sie müssen aber bald kapitulieren, weil immer neues Wasser nachfließt. In der Helmstadter Volksbank wird der Hausmeister, der im Keller nach dem Rechten sehen wollte, von den Fluten eingeschlossen. Er ertrinkt. Drei Stunden lang prasselt der Regen in voller Stärke nieder, geht dann in einen Normalregen über. Weil der Erdboden allerdings schon längst durchfeuchtet ist, fließt das Wasser in den Bächen weiterhin ungebremst in die Ortschaften, stehen bis zum frühen Morgen weite Gebiete in den Tallagen unter Wasser. In einigen Häusern reicht der Wasserstand bis an die Decke der Erdgeschosswohnungen.
Mit Beginn der Morgendämmerung fließt das Wasser allmählich ab und lässt einen dicken Schlammteppich, durchmischt mit Heizöl und Schwemmgut, zurück. Gleichzeitig wird das ganze Schadensausmaß deutlich: In den nächsten Tagen werden bei der Gebäudeversicherung 6000 Regulierungsfälle gemeldet. Über 300 Autos wurden außerdem zerstört oder beschädigt. Der Schaden bei den Wohnungseinrichtungen ist unermesslich.
Vier Wochen nach der Katastrophe - die übrigens nach der Sprachregelung des damaligen Landrats gar keine war - gründet sich eine "Notgemeinschaft Schwarzbachtal", angeführt von den Bürgermeistern Hans Wolfgang Riedel (Waibstadt) und Rolf Geinert (Neckarbischofsheim). Aus dieser Initiative sollte sich dann der Zweckverband Hochwasserschutz gründen, der flächenmäßig größte seiner Art in Baden-Württemberg. Heute sind ihm 23 Gemeinden mit 180.000 Einwohnern zwischen Eppingen und Neckargemünd, Neunkirchen und Obergimpern angeschlossen. Die Kommunen eint die Erfahrung des 24. Juni 1994 und die Erkenntnis, dass mehr für den Hochwasserschutz getan werden muss - vorher war dies nämlich kaum ein Thema gewesen.
Etwa drei Millionen Kubikmeter fassen die bisher errichteten Schutzbecken, wobei jenes im Waibstadter Stadtteil Bernau das mit Abstand größte ist. Weitere Becken sind in Planung oder im Bau, beispielsweise in Wollenberg, Helmstadt, Steinsfurt und Eppingen, um das Stauvolumen weiter zu vergrößern und das Bollwerk gegen die Fluten zu vernetzen. Für Gerold Werner, Geschäftsführer des Verbands, könnte manches etwas schneller gehen: Bis zu vier Jahre dauern inzwischen die Genehmigungsverfahren von der Planung bis zum Baubeginn. Und keiner weiß, wann sich die Schleusen des Himmels wieder öffnen.