Evangelische Kirche neu eingeweiht
Modernes "Bekenntnis zu Gott aus Stein". Viele Hürden wurden bei der Renovierung gemeistert. Pfarrerin Susanne Zollinger hatte Freudentränen.

Von Christiane Barth
Reichartshausen. "Es ist der 1. April 1772": So begann Pfarrerin Susanne Zollinger ihre Predigt. Damals war der Grundstein gelegt worden für eine neue evangelische Kirche in Reichartshausen. Am Sonntag wurde das Gotteshaus erneut eingeweiht: Als multifunktionaler Raum, als "Bekenntnis zu Gott aus Stein", das den modernsten baulichen Anforderungen entspricht, und als klimaneutrale A-Plus-Kirche. Geblieben ist jedoch, dass Kirche mehr als ein Bauwerk ist, nämlich "Heimat für den Glauben und Fundament der Zukunft", wie die Pfarrerin bei der Einweihungsfeier unterstrich.
"Ob man damals einen Festgottesdienst in der Fastenzeit gefeiert hätte?", fragte Zollinger und antwortete mit Zweifeln: "Damals war das Leben auch aus kirchlicher Sicht strenger." Auch die Art, wie die Menschen ihren Glauben praktizieren im "System Kirche", habe sich verändert. Eine besondere Herzensangelegenheit sei es, das Gotteshaus heute mit besonderem Glanz wieder zu eröffnen und nicht nur sonntags zu nutzen.

Denn durch ihre neue flexible Raumaufteilung, die auch eine kleinere, integrierte "Winterkirche" hergibt, ist sie nicht nur für den Gottesdienst prädestiniert, sondern auch für andere Zusammenkünfte und kulturelle Ereignisse.
Spätestens seit 2017 wurde an der Sanierung gearbeitet. Kurz vor der geplanten Einweihung, im Januar 2022, machte jedoch ein Band im Technikraum den Baufortschritt zunichte. Doch auch diese Schwierigkeiten meisterte die evangelische Kirchengemeinde.
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Beachtlich ist auch die hohe Bereitschaft der Bevölkerung, für "ihre" Kirche nicht nur die Ärmel hochzukrempeln, sondern auch das Portemonnaie zu öffnen: 110.000 Euro an Spenden kamen zusammen und haben dazu beigetragen, dass nun die modernste Technik eingebaut ist.
Ein Ort der Ruhe und ein Bauwerk mit besonderer Architektur und Erhabenheit soll die Kirche sein. Architekt Arno Klinkenberg berichtete aber auch von vielen Hürden, die es zu überwinden galt: Mitten in der Bauphase durchkreuzten Pandemie, Kostensteigerung, Materialengpässe und der Brand die Zeitpläne.
Mit ihrer Entscheidung, Gemeinderäume in einen Sakralbau zu integrieren und somit eine Komprimierung der Fläche auf das Wesentliche zu erreichen, sei die Gemeinde ihrer Zeit voraus gewesen. "Sie kombinieren zwei Gebäude, Gemeindehaus und Kirche, in einem, ersparen sich und der Umwelt damit Betrieb und Unterhalt eines zweiten Gebäudes", verdeutlichte der Architekt. Bestehendes zu ertüchtigen und dadurch einen Neubau zu vermeiden, sei heute aktueller denn je.
Gebietsarchitekt Hans Reichert ergänzte: "Die Sanierung war ein langer Prozess." Er merkte an: "Die Kirchen erfinden sich im Moment neu." In Reichartshausen sei diese "Erfindung" bereits geglückt: "Es geht jetzt darum, dass wir zusammen Kirche sind und in Kirchenräumen an Gott glauben."
Emanuel Fritz, Stellvertreter der Dekanin Christiane Glöckner-Lang, sagte, es sei beileibe keine normale Renovierung gewesen, sondern eine Art "bauliche Reformation". Denn die Kirche wurde "grundlegend neu gedacht". Keine Generation vorher habe die Idee gehabt, Gemeinderäume in die Kirche zu integrieren: "Dieses gute Ende kam aber nur zustande dank des herausragenden Einsatzes in der Gemeinde."
Carola von Albedyll, Gemeindereferentin der Seelsorgeeinheit Waibstadt, fügte an, dass nun eine Aufgabe geglückt sei, die zunächst unlösbar erschien. Sie sprach von einem "guten ökumenischen Miteinander". Die katholische Kirchengemeinde habe für 21 Monate Gastfreundschaft gewährt.
Bürgermeister Gunter Jungmann erkannte in den bunten Stühlen der Kirche, die die Bänke ersetzen, ein Symbol für das "vielfältige Leben in unserer Gemeinde". Die neue Nutzungsmöglichkeit der Kirche sei eine Chance, diese noch stärker als zentralen Ort des Zusammenkommens und der Kommunikation zu etablieren.
Die politische Gemeinde habe zudem gerne ihren Beitrag geleistet, indem sie den neuen Vorplatz und den barrierefreien Zugangsweg geschaffen hat. Selbstverständlich sei es gewesen, während der Bauphase die kommunalen Räume auch den Kirchenmitgliedern zur Verfügung zu stellen.
Tristan Neininger vom Kirchengemeinderat drückte der Pfarrerin seinen Dank aus: "Ohne Dich, Deinen Mut und Deinen Fleiß hätte eine kleine Gemeinde dieses Megaprojekt nicht stemmen können." Zollinger hob in ihrer Dankesrede die starke Ökumene im Ort hervor, erwähnte aber auch Enttäuschendes: So sei die Kommunikation mit der Kirchenleitung nicht leicht gewesen. "Wir haben es oft so empfunden, als würden uns viele Steine in den Weg gelegt werden. Unterstützung mussten wir immer einfordern."
Sie drückte reihum ihren großen Dank aus und zeigte sich glücklich, mit Freudentränen in den Augen. "Gott bräuchte solche Gotteshäuser gar nicht, wir sind es, die Kirche brauchen", sagte die Pfarrerin. Besonders hervor hob sie die Unterstützung von Ernst Rimmler, der mit seinem unermüdlichen Einsatz der Kirchengemeinde wohl mehrere zehntausend Euro erspart hat.
Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst vom Musikverein und vom Projektor. Die Orgel ist noch nicht fertig saniert, da sie vom Feuer zu stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.