Joy-Flemming-"Heimspiel in Hilsbach

Von Brücken, Brüchen und einer Stimme von Weltformat (plus Fotogalerie)

Joy Fleming bleibt unerreicht, die Revue "Iwwa die Brick" aber ist ganz nah dran. Allerdings blieben bei der Aufführung in der Festhalle einige Reihen leer.

10.02.2019 UPDATE: 11.02.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 30 Sekunden

Ihre Tochter Heidi (links) ist das Ebenbild der Blues-Ikone Joy Fleming. Stimmlich tritt Susan Horn (rechts) in ihre Fußstapfen: Eine Sing-Theaterstück und eine Hommage aus der Feder von Nici Heiss und unter Regie von Joerg Steve Mohr, in dem Profi-Schauspieler Henry Dahlke (Mitte) den roten Faden vorgibt. Foto: Christiane Barth

Von Christiane Barth

Sinsheim-Hilsbach. Sie war die Rock-Röhre aus Rockenhausen, die Deutsche mit der schwarzen Soulstimme, die wohl beste Sängerin der Nation, der ein Platz an der Spitze gebührt hätte. Doch das Schicksal wollte es anders. Sie beherrschte alles: Rock, Pop, Soul, Blues und sogar den Jodler. Ihre Fans liebten das Urwüchsige an Joy Fleming, die sich zeitlebens nicht verbiegen ließ. Ein Bühnenstück beleuchtet ihre Lebensgeschichte, ihre Stärken und Macken sowie ihre unvergessenen Erfolge. Es nimmt die Zuschauer mit - "Iwwa die Brick" -, dorthin, wo die Karriere der Erna Raad in den 1960er-Jahren begann: in den Kneipen Mannheims.

Die Revue, die eine Hommage an die am 27. September 2017 verstorbene Sängerin ist, eroberte nun nach Schwetzingen und Mannheim auch die Festhalle in Hilsbach und ist damit eine Heimkehr, denn wenige Meter von der Halle entfernt lebte Joy Fleming 40 Jahre lang und ist nun auf dem örtlichen Friedhof begraben. Doch die Besucherzahlen beim "Heimspiel" konnten mit der Professionalität des Stückes nicht Schritt halten: Rund 200 Gäste waren da, die hinteren Reihen blieben teilweise leer.

Dass die Sängerin im Jahr 1975 beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Stockholm, bei dem sie mit ihrem Lied "A bridge of love" nur den 17. Platz erreichte, in Wahrheit an ihrem grünen Kleid scheiterte, in das man sie zwang und das sie später vor Zorn zerschnitt, dass ihre pummelige Figur der Stein war, der den Weg an die Spitze versperrte, wurde ebenso thematisiert wie ihre von Prügeln geprägte Kindheit im Jungbusch Mannheims. Es ist der Feinsinn der leisen Passagen, der dieses Sing-Schauspiel ausmacht, vor allem aber lebt es vom musikalischen Pendelverkehr über Brücken, die vielmehr Brüche waren: Es war der eigene Vater, der die Neckarbrücke regelmäßig überquerte - Erna Raad hatte mindestens vier Halbgeschwister auf der anderen Seite Mannheims. Susan Horn singt wie Joy Fleming, nahezu, fast. Erstaunlich auch, wie oft Joy Fleming ihre vier Oktaven über Brücken hat segeln lassen, und erstaunte Ganggespräche in der Pause: "Ich war mir sicher, das ist Playback." War es nicht. Auch nicht beim "Neckarbrückenblues".

Auch von Anekdoten lebt das Stück, in dem Tochter Heidrun Kattermann die Hausfriseurin Bruni mimt und beweist: Auch sie kann singen. Dennoch bleibt Joy Fleming unerreicht, und das soll mit diesem Stück eigentlich auch gar nicht infrage gestellt werden. Die Aufführung sammelt behutsam Splitter aus dem Leben der so überraschend verstorbenen Sängerin und macht daraus glücklicherweise kein Rührstück. Sie erklärt vielmehr den Erfolg, das Scheitern und die oft holprigen Wege der Blues-Ikone und macht diese damit vielleicht ein wenig unsterblich. Jedenfalls wünscht man sich das, wenn Tochter Heidi sehr persönliche Aufzeichnungen ihrer Mutter vorliest: "Heidi wurde von ihrer Oma sehr geliebt. Ich glaube, wäre auch ich so geliebt worden, mein Leben wäre anders verlaufen." Die Soldaten in den Mannheimer Clubs waren vernarrt in das Fräulein, "das koin Brocke Englisch verstonne hot" (Heidi) und für die die Liedtexte in Lautschrift verfasst wurden. O-Ton Joy: "Druffgschisse, do mach ich moin eigene Text, un zwar uff Deutsch."

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Authentisch macht das Stück der Kurpfälzer Zungenschlag, den sich Tochter Heidi nicht im Mindesten abzugewöhnen anschickt. So war sie, ihre Mutter, echt, direkt, unverblümt, ihr Herz trug sie auf der Zunge. Und als Susan Horn mit der von Fleming gecoverten Soft-Rock-Ballade "Bridge Over Troubled Water" jedes Molekül im Saal vibrieren lässt, tobt das Publikum.

Claude Schmitt, "Pianeur" der Sängerin und ihr "Meisele", intoniert die Revue im Hintergrund und erinnert sich an eine Begebenheit in "Monnem", als sein Künstler-Freund dem damaligen US-amerikanischen Präsidenten George Bush nach dem Mauerfall ein Bild überreichen und zu dessen Anlass er, Claude, eine Hymne komponieren wollte. Singen sollte dazu Joy Fleming: So lernte er seine langjährige Weggefährtin dann in "Hilschbach" kennen.

Eine Hommage, die noch lange nachklingt und die mit Schauspieler Henry Dahlke an Professionalität und Komik gewinnt. Das Stück wird an folgenden Terminen im Schatzkistl Mannheim aufgeführt: 24. Februar, 27. März, 18. April und 31. Mai.

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