Was in der Innenstadt noch fehlt
Die Stadtinitiative und die Hochschule haben erkundet, woran es fehlt. Gastronomie und grüne Innenstadt stehen hoch im Kurs.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Es gibt nicht nur das gerade aktuelle Gas-Barometer in und für Heilbronn, es gibt ein solches auch für die Stadt "als Stadt". Die Stadtinitiative Heilbronn und das Marktforschungsinstitut der Hochschule Heilbronn starten dazu gemeinsame Umfragen zur Innenstadt Heilbronn. Es ist nicht das erste Mal, und die Fortschreibung dürfte auch interessante Aspekte aufzeigen. Anhand des Angebotes in der Innenstadt und deren Akzeptanz lässt sich auch noch eine andere Temperatur messen: Der Grad der Zustimmung liegt hier bei warm, also noch nicht bei heiß, das zeigt das aktuelle Ergebnis.
Für das Heilbronner Institut für angewandte Marktforschung (H-InfaM) der Hochschule Heilbronn, kommt auch dessen Direktorin Professorin Franziska Drescher, alles in allem zu einem positiven Fazit und mit ihr auch Johannes Nölscher und Thomas Aurich, die beiden Vorstände der Stadtinitiative. Was also bietet die Stadt, vor allem die Innenstadt, wie wird das wahr- und angenommen und wo liegen die Defizite? Gelegentlich hat man den Eindruck, dass Heilbronn im Hype um die Künstliche Intelligenz (KI) die Bodenhaftung verliert und vergisst, dass es auch noch eine natürliche Intelligenz gibt, die entscheidend ist, wie man die Stadt erlebt. Schlaue Köpfe anzuziehen und sie dann in einem tristen oder unattraktiven Umfeld halten zu wollen, das geht nicht zusammen.
Die gute Frage dazu steht in der Umfrage gleich am Anfang: "Bitte stellen Sie sich nun einmal vor, wie ein besonders schöner Tag in der Heilbronner Innenstadt für Sie aussehen könnte. Hierbei müssen ein Einkauf in Geschäften oder die derzeit bestehenden Angebote nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen. Bitte wählen Sie alle Möglichkeiten aus, die den Tag für Sie rundum lohnenswert machen würden, sodass Sie gerne nach Heilbronn in den Innenstadtbereich kommen würden." Funktionsmischung ist also gefragt, Soziale Medien sind ein Teil davon, die angekündigte Erhöhung der Parkgebühren dagegen eher nicht.
Konkrete Fragen ergeben anwendbare Ergebnisse, das zeigte schon die erste Welle der Umfrage von 2016. Im vergangenen Sommer waren es nun 829 Befragte, definiert nach Alter und Familienstand. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht alles falsch gemacht wurde – aber auch nicht genug. Die Wünsche orientieren sich an dem, was eine Großstadt und ihr Flair ausmachen. Ein "schöner Tag" ist für die meisten mit dem Besuch eines Restaurants oder Cafés verbunden (79 Prozent), gefolgt von einem Aufenthalt am Neckarufer (67 Prozent) und dem Wunsch nach einer grünen Innenstadt mit begrünten Gebäudefassaden und Blumenschmuck (61 Prozent). Also: Etwas fürs Auge gehört dazu, so wie auch das Bummeln und Einkaufen (61 Prozent).
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Die begrünte "Sommerstraße" mit ihrer offenen Aufenthaltsqualität war ein Anfang; das Ende der Skala zeigt die Lammgasse, direkt hinter dem Rathaus. Einst exklusive und attraktive "Modemeile", füllen dort nun die Bartscherer die Leerstände. Jahrzehntelang hat die Stadt hier "null" getan, außer bei den Parkgebühren kräftig zu kassieren. Wie aus einer heruntergekommenen Straße wieder eine lebendige und anziehende wird, hat gerade die Stadt Esslingen vorgeführt. Ihr Oberbürgermeister Matthias Klopfer hat die "Küferstraße" zur Chefsache gemacht, und es zeigte sich: Mit Ideen, Engagement und dem Mut zu neuen Wegen kann es gelingen.
Bei den frei zu äußernden Wünschen war mit Abstand der meistgenannte der nach inhabergeführten und individuellen Geschäften (213 Nennungen), der nach weniger Billig-Läden und Fast-Food- Restaurants (85 Nennungen) kommt noch hinzu, ebenso wie jener nach mehr Cafés und Gastronomie (59 Nennungen), Grünflächen und Bäumen (49) sowie Sauberkeit (47), auch in Bezug auf Toiletten und Wickelmöglichkeiten.
Beliebt sind bei allen befragten Zielgruppen kulturelle Angebote, kleine Freiluft-Konzerte oder Kleinkunst, die Kultursamstage mit Straßenkünstlern und Musikern (51 Prozent) oder der Besuch von Konzerten, des Theaters oder Museums (47 Prozent). Die Ansage, dass es auch 2023 wieder ein Klassik-Open-Air geben wird, steht schon. Von "zentralem Stellenwert", wie es zielgruppenspezifische Analysen zeigten, sind für Familien mit Kindern im Alter bis zu zwölf Jahren Kinderspielplätze (65 Prozent) sowie Mitmachaktionen (46 Prozent). Ältere Befragte haben übrigens kaum andere Wünsche als die Gesamtgruppe. Beim Thema Erreichbarkeit für den "schönen Tag" legen 55 Prozent Wert auf kostengünstiges Parken und 46 Prozent auf günstige Preise für Busse und Bahnen.
Dass sich Aufenthaltsqualität lohnt, zeigt sich am Neckar. Neckarmeile und die Bereiche um den Bollwerks-turm bis zum Marrahaus sind die beliebtesten Orte (67 Prozent), gefolgt von denen um die Alte Reederei, das frühere Bundesgartenschaugelände, den Neckarbogen (58 Prozent), um Götzenturm und "Experimenta". Der Kiliansplatz und das Rathaus (52 Prozent) sind ebenfalls beliebt, während das Gebiet um das K 3 und das Theater Heilbronn sowie die Allee deutlich "hinten runter" fallen.
Und dann gibt es ja noch den Dauerbrenner "Markthalle". Eine solche würden 57 Prozent der Befragten gerne besuchen, eine kleine Differenz gibt es nur dabei, ob mit oder ohne Speisenangebot (Food-Hall); kein Interesse an einer Markthalle haben nur 26 Prozent. "Ein sehr positives Ergebnis für die Markthalle", freuen sich Nölscher und Aurich als hartnäckige Kämpfer für eine Markthalle, so wie sie in so vielen Städten längst zum selbstverständlichen Angebot gehört.
Und: "Insgesamt hat die Befragung bestätigt, wie wichtig das Flair der Stadt ist. Der gelungene, fortschreitende Einbezug des Neckars und die kulturellen Angebote in der Innenstadt werden wertgeschätzt. Potenzial hat die Innenstadt beim Thema Einzelhandel und Begrünung. Professorin Drescher regt an, Kulturangebote und solche für Kinder mit den sehr guten und besonders beliebten Aufenthaltsbereichen auf der Neckarmeile zu kombinieren und Aurich fügt hinzu: "Das Interesse an einer ,Green City‘, an begrünten Fassaden und Flaniermeilen, bestätigt uns in unserem Ansatz."
> Das Wirtschaftsministerium fördert 31 Einkaufserlebniskonzepte im Land mit insgesamt rund 1,7 Millionen Euro. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sagte dazu: "Geförderte Erlebniskonzepte machen Mut und sind Beleg für hohe Innovationskraft des stationären Einzelhandels im Land. Und "zeitgemäße Einkaufserlebnisse tragen wesentlich dazu bei, dass die Menschen auch weiterhin gerne vor Ort einkaufen". Am Wettbewerb beteiligt haben sich 49 Einzelhändler, unter den 31 geförderten Erlebniskonzepten ist mit der "Schuh Kaufmann" GmbH, auch eines aus Heilbronn. (bfk)