So läuft es auf der Corona-Isolierstation
Die RNZ hat nachgefragt - Wie es Ärzten und Pflegern geht

Von Christian Beck
Sinsheim. Es sind vor allem die Masken, die auffallen. Nicht jene, die jeder Mitarbeiter vor Mund und Nase trägt. Sondern die, die an mehreren Infusionsständern aufgehängt den Gang zieren. Auf jeder steht ein anderer Vorname. Was ein wenig nach moderner Kunst aussieht, ist Ausdruck von Sparsamkeit in besonderen Zeiten: Selbst auf der Corona-Isolierstation werden die momentan so begehrten und deshalb knappen Atemschutzmasken des Typs FFP2 nach dem Benutzen nicht sofort weggeworfen. Weil unklar ist, ob und wann genügend neue kommen, verwenden Ärzte und Krankenschwestern ihre Maske den ganzen Tag.
In den Zeiten der Corona-Krise sind sie besonders gefordert, werden teilweise als "Helden des Alltags" bezeichnet. Doch wie geht es den Ärzten und Pflegern? Wie hat sich ihre Arbeit verändert? Mit Maske und Handschuhen ausgestattet, konnte Christian Beck einen Vormittag lang einen Blick in verschiedene Abteilungen der Sinsheimer GRN-Klinik werfen und mit Ärzten und Pflegern sprechen, die sich um jene kümmern, die am Corona-Virus erkrankt sind.
Hintergrund
Medikamente und Finanzen
Alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe wurden ab dem 16. März bis heute ausgesetzt. Dadurch brechen Krankenhäusern Einnahmen weg. Im "Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz" wurden Maßnahmen beschlossen, "um die
Medikamente und Finanzen
Alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe wurden ab dem 16. März bis heute ausgesetzt. Dadurch brechen Krankenhäusern Einnahmen weg. Im "Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz" wurden Maßnahmen beschlossen, "um die Finanzierung der Krankenhäuser sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass sie liquide bleiben". Krankenhäuser erhalten für ausgefallene stationäre Leistungen eine Kompensation aus dem Gesundheitsfonds. "Wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Verluste ausgeglichen wird und wir durch die ,Corona-Krise‘ nicht in finanzielle Nöte geraten", sagt GRN-Pressesprecherin Stefanie Müller.
Schwer erkrankten Covid-Patienten wird am Sinsheimer Krankenhaus Chloroquin verabreicht. Dabei handelt es sich um ein altes Malaria- und Rheumamittel mit antientzündlicher und möglicher antiviraler Wirkung. Laut Dr. Berentelg ist es nicht für die Indikation "Covid-19" zugelassen, wird aber aufgrund positiver Erfahrungen in anderen Ländern auch in Deutschland eingesetzt. Aussagekräftige Studien in Bezug auf die Wirksamkeit fehlen zum jetzigen Zeitpunkt. Die Verträglichkeit sei normalerweise gut. Man müsse aber auf Nebenwirkungen wie Leberschädigungen und Herzrhythmusstörungen achten.
> "Bitte warten Sie draußen." Die Worte, freundlich aber bestimmt, kommen aus dem Mund einer Frau vom Sicherheitsdienst am Eingang des Krankenhauses. Sie hat seit ein paar Wochen ein Auge darauf, dass nur jene dort hineingehen, die es wirklich müssen. Wer an Husten oder Fieber leidet und somit am Corona-Virus erkrankt sein könnte, erhält ebenfalls keinen Zutritt. Große Schilder weisen diesen Patienten den Weg zu einem separaten Eingang.
> Zu einer Screeningstelle wurde die rettungsdienstliche Einfahrt auf der anderen Seite des Gebäudes umgebaut. Hier werden Abstriche genommen, um herauszufinden, wer sich mit Covid-19 angesteckt hat. Für den Rachenabstrich wird ein Teststäbchen über die Nase eingeführt. "Das ist sehr unangenehm. Es kommen einem dabei die Tränen", erklärt Sven Mautner, ärztlicher Leiter der zentralen Notaufnahme. Knapp über 100 Personen seien an Spitzentagen in die Screeningstelle gekommen. "Momentan sind es 15 bis 25 Patienten am Tag", berichtet Mautner. Die Proben werden zwei Mal pro Tag in ein Labor nach Heidelberg gebracht. Die Testergebnisse liegen meist 24 Stunden später vor.
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Wer sich nach dem Abstrich entsprechend fühlt, darf nach Hause und muss in Quarantäne. Wer Fieber oder Atemnot hat, bleibt im Krankenhaus. Direkt hinter der Screeningstelle wurde ein separater OP-Saal zu einem Untersuchungsbereich für Covid-Patienten umfunktioniert. Ein paar Schritte weiter fällt eine rote Linie auf dem Boden des Gangs auf: Wer Corona-typische Beschwerden hat oder möglicherweise mit dem Corona-Virus infiziert ist, darf sie nicht überschreiten. "Viele Leute haben momentan Angst, ins Krankenhaus zu gehen", berichtet Dr. Johannes Berentelg, Chefarzt für Innere Medizin und Ärztlicher Direktor der GRN-Klinik Sinsheim. Aber wer dort behandelt wird und nicht am Corona-Virus erkrankt ist, habe keine Berührungspunkte mit Covid-Patienten.
> Die Isolierstation: In Sinsheim wurde Station 4 dafür reserviert. 25 Betten stehen dort bereit, am Dienstag waren zwölf belegt. Acht davon mit Verdachtsfällen. Hier müssen das Testergebnis sowie weitere Untersuchungen noch zeigen, ob sie an Covid-19 erkrankt sind. Im Durchschnitt leiden 60 Prozent von ihnen an einer anderen Erkrankung, beispielsweise einer klassischen Lungenentzündung, berichtet Assistenzärztin Dr. Andrea Vietze. Sobald dies klar ist, werden sie auf eine andere Station verlegt.

> Schutzausrüstung ist immer wieder ein Thema: Noch ist sie ausreichend – das sagen alle Ärzte und Krankenpfleger. Doch wann wie viel Nachschub kommt, ist ungewiss, man hangele sich durch. Und manche Krankenschwester gesteht, dass sie Angst hat, dass es irgendwann keine Schutzausrüstung mehr gibt. Doch auch das Tragen und Anziehen kostet Mühe und Zeit: Rund fünf Minuten brauchen Ärzte oder Pfleger, um die komplette Montur anzulegen. Sie besteht aus Maske, Schutzkittel, Handschuhen, Kopfhaube und Schutzbrille. Erst dann gehen sie in das Zimmer eines isolierten Patienten. Abgelegt wird die Schutzausrüstung in einer bestimmten Reihenfolge, zwischen einzelnen Schritten müssen die Hände desinfiziert werden. Wer längere Zeit eine der höherwertigen Masken trägt, spürt zudem die Einschränkungen: Das Atmen fällt schwerer, wer eine Brille trägt, dem beschlagen beim Ausatmen die Gläser. Und die Gummibänder hinter den Ohren sorgen bei einigen für Kopfschmerzen.
> Und die Ansteckungsgefahr? Immer wieder wird von Ärzten berichtet, die sich angesteckt haben. Auch im Sinsheimer Krankenhaus ist dies vor mehreren Wochen passiert, wenn auch nicht beim Umgang mit einem Patienten. Die Ärzte kamen in Quarantäne und gelten mittlerweile als genesen. Darauf angesprochen, reagieren Ärzte und Pfleger recht gelassen. "Ich gehe sachlich ran", erklärt Fach-Intensiv-Krankenschwester Nadja Kölbel. Sie betreut unter anderem jene Covid-Patienten, die auf der Intensivstation beatmet werden. "Ich schütze mich hier maximal", berichtet sie, duscht auch im Krankenhaus. "Aber zu Hause ausziehen kann ich schlecht", bemerkt sie: Mit ihrem Mann und ihrem Kind lebe sie weiterhin unter einem Dach. Das habe sie durchaus im Hinterkopf. Und in den Kindergarten dürfe ihr Kind auch wenn die Beschränkungen gelockert werden nicht. Denn sie ist Kontaktperson.

> Die schwer Erkrankten: Zwei Covid-Patienten wurden am Dienstag auf der Intensivstation beatmet. Was sich nach wenig anhört, ist für das Personal ein großer Aufwand und für die Betroffenen selbst eine enorme Belastung: An ein Beatmungsgerät angeschlossen zu sein, würde große Schmerzen verursachen, erklärt Oberärztin Ines Velkopolszky. Dies liegt unter anderem am hohen Druck, mit dem die Luft in die Lunge gepresst werden muss. Deshalb bekommen diese Patienten starke Schmerzmittel und befinden sich im Regelfall im künstlichen Koma. Das wiederum zieht einen enormen Behandlungsaufwand nach sich – Sonden für den Magen-Darm-Trakt werden unter anderem benötigt, alle zwei Stunden müssen die Personen gedreht werden, damit sie nicht wundliegen.
Sieben Beatmungsbetten gibt es im Sinsheimer Krankenhaus. Lässt sich deren Zahl erhöhen? "Wir würden gerne, kommen aber nicht an Beatmungsgeräte heran", erklärt Berentelg. Damit die vorhandenen reichen, sei es enorm wichtig, dass sich alle an die Kontaktbeschränkungen halten, um die Ausbreitung des Virus so gut wie möglich zu verlangsamen, betont Velkopolszky. "Nur das ist der Grund, warum wir die Arbeit hier noch leisten können." Denn was Ärzte mitunter als interessantes Krankheitsbild bezeichnen, kann für Erkrankte tückisch und langwierig sein. "Die Patienten kippen sehr leicht", erklärt Beren-telg. Zudem müssen Covid-Patienten im Schnitt länger beatmet werden als Patienten mit klassischer Lungenentzündung. Ein Blick auf CT-Aufnahmen zeigt das Problem deutlich in Form von vielen weißen Flecken. Dabei handelt es sich um Entzündungsherde in der Lunge.
> Todesfälle: Vier Personen sind am Sinsheimer Krankenhaus bislang am Corona-Virus gestorben. Ohne eine Corona-Infektion würden sie noch leben, erklärt Berentelg. Seiner Einschätzung nach haben dabei aber deren hohes Alter sowie die deutlichen Vorerkrankungen eine Rolle gespielt. Diese Personen seien beispielsweise auch gefährdet, an der Grippe zu sterben. Drei Influenza-Todesfälle verzeichnet die Klinik seit Januar.

> Besuch und Abschied nehmen: Angehörige im Krankenhaus zu besuchen, ist gerade nur in Ausnahmefällen möglich, beispielsweise, wenn absehbar ist, dass Patienten sterben. Dann dürfen die engsten Angehörigen auch von Covid-Patienten Abschied nehmen, erklärt Berentelg.
> Wie geht es dem Personal? "Es ist relativ ruhig hier, wir haben die Situation unter Kontrolle", sagt Dr. Vietze. Jeder arbeite professionell. Was niemand sagt, aber vielen anzusehen ist: Das gehört zur Arbeit. Davon gebe es momentan genug. Auch auf den Stationen, die mit Corona nichts zu tun haben. Während andere Kliniken kaum belegt sind und teilweise Kurzarbeit angemeldet haben, sagt Krankenschwester Petra Dittrich, Leiterin der Station 3: "Die Auslastung ist voll, die 50 Betten unserer Station sind belegt." Doch die Beschwerden der Patienten seien schwerwiegender – wer zurzeit ins Krankenhaus geht, kann meist nicht anders. Dementsprechend ist auch der Aufwand für das Personal größer.
> Überstunden müsse jedoch niemand leisten, bestätigen Ärzte wie Krankenschwestern. Manche Stationen wie die Rehaklinik nebenan wurden vorübergehend geschlossen, das Personal wurde umverteilt. Dementsprechend mussten einige Pfleger eingearbeitet werden. Und auch bei den Ärzten wird nun interdisziplinär gearbeitet: Auf der Corona-Isolierstation leisten jetzt neben Internisten auch Neurologen oder Chirurgen Dienst. Und es gibt tatsächlich Ärzte, die sich mit ein klein wenig Stolz der aktuellen Herausforderung stellen: "Die Lunge war auch schon vorher mein Interessensgebiet", berichtet Dr. Vietze. Hier aktuell mithelfen zu können, sei etwas Besonderes.
> Eine Chance? "Diese Krise wird uns verändern", ist Dr. Berentelg überzeugt – auch zum Positiven. Es sei eine Chance, bewusster und mehr miteinander zu arbeiten. Andreas Berli, der als Pfleger die Intensivstation leitet, hofft, dass das "Totsparen der Kliniken von Seiten der Politik" nun ein Ende hat. Darüber hinaus beobachten viele Klinikmitarbeiter eine große Solidarität – innerhalb des Hauses wie auch bei der Bevölkerung: "Offene Dienste wurden innerhalb von zehn Minuten besetzt", berichtet Berli. Helfer stellen Schutzvisiere kostenfrei zur Verfügung, die sie mit dem 3 D-Drucker selbst hergestellt haben. Und immer wieder würden reichlich Blumen und Kuchen vorbeigebracht. Was sonst noch getan werden könnte? "Aktuell brauchen wir noch keine personelle Unterstützung von außen", sagt Berentelg.
> Wie geht es weiter? Internist und Intensivmediziner Berentelg schätzt, dass die große Welle nicht kommen wird. Die relative Sterblichkeit werde steigen, weil nur noch Menschen mit Symptomen getestet werden. Und Abstand halten sei weiterhin unerlässlich. Dementsprechend glaubt er nicht, dass in diesem Jahr Veranstaltungen in großen Hallen stattfinden werden.



