Erster bestätigter Fall in Sinsheim (Update)
Gesundheitsamt ermittelt Kontaktpersonen - Erkrankter unter Quarantäne

Sinsheim. (tk) Es war nur eine Frage der Zeit, bis das neuartige Coronavirus auch Sinsheim erreicht: Am Dienstag hat das Landratsamt auf RNZ-Nachfrage einen "Coronavirus-(Covid-19)-Fall in Sinsheim" bestätigt, jedoch keine Details genannt. Die Person, über deren Geschlecht, Alter oder Gesundheitszustand man keine weiteren Auskünfte erteile, sei in den vergangenen Tagen auf Corona getestet worden. Wo, das blieb bis zuletzt ebenso unklar, wie ob sich die Person zuvor in einem Risikogebiet aufgehalten hat. Vom positiven Testergebnis habe das Gesundheitsamt am Dienstagvormittag erfahren. Die erkrankte Person befinde sich "derzeit in Quarantäne", ob in stationärem oder privatem Umfeld, sage man ebenfalls nicht. Das Gesundheitsamt ermittle derzeit die Kontaktpersonen.
Das Bekanntwerden des Virus’ sei auch Ursache für die Absage-Welle von städtischen Veranstaltungen gewesen – siehe Artikel auf dieser Seite –, wie Oberbürgermeister Jörg Albrecht auf Nachfrage einräumte. Sowohl Albrecht, als auch Landratsamts-Sprecher Ralph Adameit sagten, dass "der Schutz von Risikogruppen höchste Priorität" habe. Die GRN-Kliniken würden derzeit keine Corona(-Verdachts)-Fälle stationär aufnehmen, sondern seien angewiesen, diese ans Universitätsklinikum Heidelberg zu verweisen, wo es seit Kurzem eine eigene Infektions-Ambulanz zur unmittelbaren stationären Aufnahme in isolierten Zimmern gebe.
Update: Dienstag, 10. März 2020, 18.10 Uhr
Von Tim Kegel
Sinsheim/Angelbachtal/Bad Rappenau. Leere Ladenregale, die Bevölkerung im "Prepper"-Modus auf der Jagd nach Toilettenpapier und Erbsensuppe. Das Coronavirus treibt mitunter seltsame Blüten, wie sich in den jüngsten Tagen beobachten lässt. Sind die Hamsterkäufe gerechtfertigt? "Der Entspannte ist am Ende der Depp", sagte Heinrich Lutz, der Chef im so genannten "Kleinen Rewe"-Markt in der Muthstraße im Herzen von Sinsheim, Station eins des Streifzugs.
Auch interessant
"Ein kleiner Vorrat schadet nie – aber das war verrückt": Knäckebrot und haltbare Milch, Mehl und Nudeln, Dosenravioli, Eintöpfe, Tütensuppen und Tomatenkonserven haben sie gehortet – und Toilettenpapier. Der Kraichgauer Hamsterkäufer "kauft billig". Die Regale mit Markenware waren gestern nach wie vor gut bestückt.
Im Kraichgau ist vieles jetzt Mangelware. "Bis Donnerstag", glaubt Lutz und zieht die Augenbrauen hoch. Nicht alle Einkaufsmärkte füllen jeden Tag ihren Bestand auf: "Die Lager sind voll." Nun, glaubt Lutz, könne eher das Ausliefern zu kleineren Wartezeiten führen, bis diese Waren eintreffen.
Denn: Auch die eigentlich Entspannten, die Jungen und Gesunden, "wollten Tomaten und Klopapier", ließen sich zwangsläufig anstecken, wie Lutz beobachtet hat, als sie – viele zum ersten Mal in ihrem Leben – auf leere Regale blickten. "Und wenn’s doch so ist, wie beim Desinfektionsmittel?" Ganz unberechtigt schien die Frage nicht: Vorsorglich hat Rewe-Lutz jetzt Schilder aufgehängt, dass "nur haushaltsübliche Mengen" abgegeben werden.
Parallel liefen Whatsapp und Facebook heiß, da braute sich am Samstag was zusammen, das inzwischen skurrile Blüten treibt: Belustigendes, Verstörendes, Verschwörendes, alternative Berichte und Sichtweisen verschiedenster Couleur, viele Fake-News, ein Arzt, der sich bei Youtube über das Gesundheitssystem beklagt, "Bill Gates" als Corona-Prophet, Auszüge aus einem Science-Fiction-Thriller aus dem letzten Jahrtausend, in dem vom ominösen "Wuhan 400"-Virus im Jahr 2020 zu lesen ist.
Und als bereits am Samstagvormittag Bilder des Ansturms auf den Smartphones grassierten, brachen bei einigen offenbar die Dämme: "250, 280 Euro" hätten die teuersten Ladungen dann schon mal gekostet, sagt Lutz. "Ich will nicht wissen, was davon in den Müll fliegt."
Szenen, die tief blicken lassen, hätten sich in einem Angelbachtaler Einkaufsmarkt abgespielt: "Das Zombie-Massaker" nennt es eine Verkäuferin, die wegen ihrer Schilderungen anonym bleiben will. "Der Gipfel": Auf der Kundentoilette hätten Kunden "Desinfektionsmittel, Seifen und selbst Toilettenpapier geklaut." Die Frau an der Kasse hat den Eindruck, die vergangenen Corona-Tage hätten "viele in eiskalte Einzelkämpfer verwandelt". Ein solcher hat Ufuk Bozaci von der Dührener Avia-Tankstelle kürzlich den Zwei-Liter-Kanister Hand-Desinfektion "für zwischen 80 und 150 Euro" angeboten. Normalpreis im Groß-, statt auf dem Schwarzmarkt: 20 Euro. Bozaci fragt sich: "Was ist, wenn mal eine Katastrophe kommt?"
In Bad Rappenau, wo – bislang im Gegensatz zum Rest des Kraichgaus – über Corona-Fälle berichtet wurde, war das Bild in den Einkaufsmärkten durchaus ein anderes. In manchem Kurstadt-Markt seien, wie sich beobachten ließ, auch die hochwertigen Lebensmittel knapp geworden.
Die Auswirkungen der Corona-Krise sind mannigfaltig: So wurde jetzt die beliebte "Best-Ager-Party" von Karl Schramm und Joachim Müller am 21. März vorsorglich abgesagt. Die Klientel um die 60 Jahre gilt als Risikogruppe. Die Stadt Sinsheim denke "momentan noch nicht über die Absage von Veranstaltungen nach".



