Covid-19

"Größere Sorge, wenn ältere Menschen betroffen sind"

Der Heidelberger Virologe Hans-Georg Kräusslich über die Corona-Situation in der Region, den Fall Bad Rappenau und den Ursprung des Virus’

02.03.2020 UPDATE: 03.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 6 Sekunden

Von Matthias Kehl

Heidelberg. Hans-Georg Kräusslich ist Virologe am Universitätsklinikum Heidelberg und leitet das Zentrum für Infektiologie.

Professor Kräusslich, Sie kommen frisch aus dem Österreich-Urlaub. Wie haben Sie den Umgang mit dem Auftreten des Coronavirus’ in der Region aus der Distanz wahrgenommen?

Ich glaube, man nimmt es aus der Distanz ähnlich wahr wie aus der Nähe. Auch für Bevölkerung und Medien in Österreich ist es ein Thema, das große Aufregung und Ängste verursacht.

Am Freitag bestätigte sich der erste Fall in der Region. Wie geht es dem Patienten, der sich am Uniklinikum in isolierter Behandlung befindet?

Der Patient war nie schwer krank und ist es auch jetzt nicht. Ihm geht es den Umständen entsprechend gut.

Am Wochenende verdoppelte sich die Zahl der Infektionen in Deutschland. Ist die medizinische Struktur in der Region gut genug gerüstet?

Die Region ist gut gewappnet. Wir haben ein großes Uniklinikum, das für Infektionsfälle vorbereitet ist. Unsere Taskforce hat sich schon Anfang Februar mit dem Coronavirus befasst und Vorbereitungen getroffen. Unsere Diagnostik testet täglich Patientenproben. Am Sonntag gab es davon allein 70 – alle waren negativ.

Rechnen Sie damit, dass sich die Zahl der Infizierten nochmals stark ansteigt?

Ich glaube, dass wir weiter ansteigende Zahlen erleben werden. Wie stark der Anstieg sein wird, ist schwer zu prognostizieren. Solange es gelingt, die Kontaktpersonen frühzeitig zu identifizieren, kann man die Verbreitung gut unterbinden. Sollten hier mehr Fälle auftreten, haben wir aber dank unserer Infektionsambulanz die Möglichkeit, Patienten aufzunehmen.

In Bad Rappenau übertrug ein Pfleger das Virus auf seine Kollegin und einen Bewohner. Ein Grund zur Sorge?

Natürlich besteht immer größere Sorge, wenn Einrichtungen mit alten oder kranken Menschen betroffen sind. Der Verlauf ist bei älteren Menschen im Krankheitsfall ungleich schwerer. Aber die Maßnahmen sind die gleichen: Isolation von Kontaktpersonen ist auch hier sehr wichtig.

Eine gewisse Verunsicherung ist auch bei Nicht-Risikogruppen spürbar. Wie erklärt sich das?

Ein großer Teil der Sorge beruht auf der geradezu panischen Wahrnehmung des Erregers. Dieser verursacht zwar auch schwere Verläufe. Insgesamt sind diese aber nicht so bedrohlich , dass eine so große Angst bestehen müsste. Diese liegt, glaube ich daran, dass es etwas Neues ist. Hätten wir dieselben Fallzahlen bei einem bekannten Virus, würde die Reaktion weitaus ruhiger ausfallen.

In Folge der Ausbreitung sahen sich in der Region viele Menschen zu Hamsterkäufen veranlasst. Ist das ratsam?

Ich sehe überhaupt keinen Grund für Hamsterkäufe. Dass in den Drogeriemärkten Desinfektionsmittel teilweise ausverkauft sind, ist allerdings ein gutes Zeichen. Und zeigt, dass die Menschen die kommunizierten Vorbeugungsmaßnahmen ernst nehmen.

Apropos Vorbeugung: Raten Sie vom Besuch von Großveranstaltungen ab?

Für Großveranstaltungen sollte eine Risikoabwägung gemacht werden, da sich die Veranstaltungen stark unterscheiden. Insgesamt halte ich es für vertretbar, dass nach Abwägung Großveranstaltungen mit internationalen Gästen abgesagt werden. Wenn viele Experten aus einem Bereich bei einer Veranstaltung sind und im Ernstfall in Quarantäne geschickt werden, gilt es, diese zu ersetzen. Und das ist dann problematisch, da sie in ihren jeweiligen Betrieben gebraucht werden. Der Aspekt wird häufig unterschätzt.

Über den Ursprung des Virus’ gibt es wilde Spekulationen – zurecht?

Ich glaube, es ist völlig klar, dass es sich bei Sars-CoV-2 um einen Erreger handelt, der vom Tier auf den Menschen übergegangen ist. Auch dass dies in der Region Wuhan geschehen ist, ist für mich eindeutig.