Corona-Lesezeit

Jetzt gibt’s den "Take away" in Sinsheim auch für Bücher

Windfang-Ausleihe sichert Nachschub an Grundnahrungsmitteln für Leseratten - "Infektionsschutzkonformes Konzept"

07.04.2020 UPDATE: 08.04.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Diese beiden holen eine DVD ab, die in der Bibliothek bereit liegt. Foto: Christiane Barth

Sinsheim. (cba) Corona-Isolation kann auch bedeuten: Zeit zum Bücherlesen. Viele öffentliche Bücherregale haben Zwangspause, die Stadtbibliothek sowieso. Doch nicht ganz. Aus der Not heraus geboren wurde nun eine ganz neue Variante, Medien unter die Leute zu bringen: die "Windfang-Ausleihe". Damit ist der Nachschub an Lesestoff erst mal gesichert. Und der Absatz funktioniere gut. In den ersten Tagen des neuen Serviceangebots pickten rund 20 Bibliotheksnutzer pro Tag ihre Medien von einem Rollwagen ab, der jetzt im Windfang der neuen Bücherei in der Dr.-Sieber-Halle bereitsteht.

"Take away" für Bücher und eine nahezu klinisch sterile Atmosphäre: Das Bibliothekspersonal winkt hinter der geschlossenen Glastüre, grüßt mit viel Mimik und Gestik, die nächsten Kunden sind 20 Minuten und mindestens eine weitere Automatik-Glastüre entfernt. Gespenstisch? Eher praktisch. Und eine echte Hilfe für Leute, die sich jetzt mit guter Literatur, Hörbüchern oder Filmen die Corona-lastige Zeit vertreiben wollen.

Doch was ist mit möglicher Ansteckungsgefahr übers Gedruckte? "Wir lassen die Bücher immer mindestens 24 Stunden stehen, bevor wir sie weiter verleihen", teilt die stellvertretende Bibliotheksleiterin Heike Schmitt mit. Diesen Zeitpuffer halte man dazwischen, um sicherzugehen. Dass Viren über Oberflächen wie Bücher übertragen werden können, kann zwar nicht ausgeschlossen werden. Dass sie länger als 24 Stunden beispielsweise auf Seiten aktiv bleiben, sei jedoch unwahrscheinlich, da halte man sich an die Empfehlungen der führenden Experten und des Robert-Koch-Instituts.

Die Bücherausgabe erfolgt nach einem durchdachten und gut getaktetem Prinzip: E-Mail schicken, Zeit vereinbaren, klingeln: Der Windfang öffnet sich und siehe da – die bestellten Bücher liegen bereits auf einem Metallwagen zur Abholung bereit. Geliefert wie bestellt. Die Bibliotheksmitarbeiter nennen diesen "Take away" für Leseratten "infektionsschutzkonformes Konzept". Ein kleines Mädchen pickt gerade ihre bestellte DVD vom Wagen und ist sichtlich stolz darauf. Angst vor Ansteckung hat dabei auch die Mutter nicht.

Im Bestand stöbern können die Mitglieder vorher im Online-Katalog, in dem der gesamte Medienbestand der Stadtbibliothek verzeichnet ist. Dann heißt es, Wunschliste schreiben und in die E-Mail packen. Lediglich zwei weitere Infos benötigen die Mitarbeiter der Stadtbibliothek, um das Wunschpaket zu schnüren: Die Mitgliedsnummer und die Abholzeit, die im 20-Minuten-Takt geregelt ist. "So ist der Zeitpuffer groß genug und es wird vermieden, dass sich die Kunden begegnen", sagt Heike Schmitt.

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So ganz ohne Legitimation geht es dann aber doch nicht: Der Leseausweis muss an der Scheibe vorgezeigt werden, bevor die Bücher in den eigenen Rucksack oder die eigene Tasche gepackt werden dürfen. Auch unschlüssigen Lesern soll geholfen werden. "Wir schnüren auch Überraschungspakete", erklärt Schmitt das neue Konzept der Ausleihe. Die Retoure erfolgt unkompliziert über die Rückgabeklappe, die sich vor allen Glastüren in der Wand befindet.

Wie lange dieser "Take away" zur Sicherung eines für Bücherwürmer unverzichtbaren Grundnahrungsmittels aufrechterhalten werden kann, bleibt abzuwarten. "Dieser Service ist für die Dauer der Schließung gedacht und muss gegebenenfalls wegen aktueller Entwicklungen angepasst werden", heißt es jedenfalls schon mal vorsorglich auf der Internetseite der Bibliothek.

Die Mitarbeiter stehen im Schichtdienst bereit, jedoch immer maximal drei Personen innerhalb der Bibliothek. Einige arbeiten im Homeoffice, andere gleichen das Überstundenkonto aus.

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