Carsharing in Sinsheim?

Es braucht den Willen, auf das Auto zu verzichten

Grünen-Stadtverband befasst sich mit dem Angebot - In Wiesloch und Walldorf bereits praktiziert

12.04.2018 UPDATE: 13.04.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden

Könnte es in Sinsheim bald auch ein Car-Sharing-Angebot geben? Konkrete Planungen gibt es momentan noch nicht. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Ob ein Carsharing-Modell in Sinsheim Sinn ergibt - mit dieser Frage beschäftigte sich jetzt der Grünen-Stadtverband. Bei einer Info-Veranstaltung im Café "Sam" am Burgplatz hielt sich das Interesse zunächst in Grenzen. Ein knappes Dutzend Zuhörer, hauptsächlich Mitglieder, aber auch zwei Gäste, wurden von Manfred Stindl informiert. Der Wieslocher ist ein Mann der ersten Stunde in Sachen alternativer Mobilität und seit 1996 glühender Befürworter des Carsharings. Ein Überblick.

> Welche Carsharing-Modelle gibt es? Am gängigsten sind Initiativen wie "Stadtmobil Mannheim", die im Verbund mit Kommunen und Stadtwerken eine Carsharing-Logistik aufbauen, die über Internet und Telefon-Hotline buchbar ist. Die Modalitäten sind komplex, beim Vortrag in Sinsheim benötigte Manfred Stindl über eine Stunde, um nur deren Grundzüge zu erläutern. Auch privates Carsharing ist denkbar, allerdings benötige dieses ein "gewisses Vertrauen" und eine solide vertragliche Basis. "Es kann Streit geben", sagt Stindl, "aber es funktioniert." Auch Autohäuser kämen als Träger von Carsharing in Frage. In jedem Fall unerlässlich: Infrastruktur. "Es braucht jemanden, der sich kümmert" - vom Buchungsprozedere bis hin zu Tanken, Tüv und Ölservice. Für einen rentablen Betrieb rechne man mit 20 Nutzern pro Fahrzeug.

> Praxis und Kosten fürs Carsharing in Nachbarkommunen: Seit 22 Jahren wird in Wiesloch Carsharing angeboten, aktuell mit zehn Fahrzeugen. Wie Stindl sagt, sei Wiesloch mit etwa 15.000 Autos in der Kernstadt mit Sinsheim vergleichbar; der Grünen-Stadtverband spricht von 22.000 Fahrzeugen im Gebiet der Sinsheimer Gesamtstadt. Auch in Walldorf hat der Gemeinderat Ende 2017 den Aufbau eines Carsharings beschlossen. Ein langwieriger Prozess: Seit dem Jahr 2012 leistete die Walldorfer Grünen-Fraktion Überzeugungsarbeit. Damals hieß es beim regionalen Carsharing-Anbieter "Stadtmobil Rhein-Neckar", man könne das Autoteilen in kleineren Kommunen kaum wirtschaftlich betreiben. Ähnlich lautete kürzlich auch die Antwort bei einer Anfrage der Sinsheimer Stadtwerke. Inzwischen ist Stadtmobil in Walldorf bereit, wenn die Stadt einen möglichen Verlust abdeckt. Gerechnet wird mit einem maximalen Mittelbedarf von 17.000 Euro im Haushalt. Der Betrag reduziere sich mit jedem Nutzer des Angebots. Angeschafft werden zwei Fahrzeuge, durch die jährliche Kosten von knapp über 23.000 Euro entstehen. Die Nutzer zahlen 59 Euro Aufnahmegebühr, 400 Euro Kaution, einen monatlichen Grundbetrag von fünf Euro sowie 24 Euro Vereinsbeitrag für den Trägerverein Ökostadt Rhein-Neckar. Zweitnutzer im gleichen Haushalt und Inhaber von VRN-Dauerkarten zahlen weniger. Für die Nutzung der Autos entfallen je nach Tageszeit zwischen 50 Cent und 2,40 Euro pro Stunde sowie zwischen 18 und 24 Cent pro gefahrenen Kilometer; Manfred Stindl fasst die Positionen mit zwischen 50 und 60 Cent pro Kilometer zusammen. Das Projekt ist zunächst auf vier Jahre angelegt, Ziel ist, bis zum Ende der Laufzeit einen wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen.

> Für wen ist Carsharing geeignet? Gäste der Grünen-Veranstaltung waren der Pensionär, der sein Auto abschaffen will; oder die junge Frau, die auf Kurzstrecken ein Elektroauto, auf Langstrecken bislang einen Diesel fährt. Nun überlegt sie, den Zweitwagen künftig zu teilen - oder zu verkaufen und Carsharing zu nutzen. Die Anbieter, sagt der Referent, "wollen viele Leute, die wenig fahren", dafür aber regelmäßig auf Carsharing zurückgriffen. Bei Wenigfahrern "mit bis zu 9000 Kilometern pro Jahr" lohne sich Carsharing. Fest stand am Ende der Veranstaltung: Es braucht den Willen, aufs Auto weitgehend zu verzichten, um dann zu Fuß, mit Rad, Bus oder Bahn zum Sharing-Car zu gelangen, das in aller Regel "binnen 30 Minuten relativ spontan verfügbar" sei. Fürs dadurch eingesparte Geld könne man andernfalls auch "viel Taxi fahren", sagt Manfred Spindl. Für Viel-, Spontan- oder Lustfahrer ist Carsharing allerdings eher ungeeignet.

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> Wie geht es in Sinsheim weiter? Noch unklar. Nach dem Abend sei geplant, mit dem zusätzlich erworbenen Wissen verstärkt an die Öffentlichkeit zu gehen, ließ Grünen-Stadtrat Alex Riederer durchblicken. Man wolle nach potenziellen Partnern Ausschau halten, mit Autohäusern, Gemeinderat und Verwaltung im Gespräch bleiben.

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