E-Mobilität in Sinsheim

Die Hausmeister bringen die Post mit dem E-Auto

Aber sonst gibt es noch einiges zu tun - Was tut sich bei Ladesäulen, Abgasmessungen, Carsharing und anderen Alternativen?

24.11.2017 UPDATE: 25.11.2017 06:00 Uhr 4 Minuten, 10 Sekunden

Foto: dpa

Von Christian Beck

Sinsheim. Noch fahren sehr wenige Sinsheimer ein Elektroauto. Was müsste getan werden, wenn es mehr werden könnten oder gar sollten? Zur Klärung hatte die RNZ zum Gespräch geladen. Mit dabei: Oberbürgermeister Jörg Albrecht, Gemeinderat und Fahrradverfechter Alex Riederer, Anja Wirtherle vom Nabu Sinsheim und Jörg Fürstenberger, der seit Jahren ein Elektroauto nutzt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des Gesprächs:

Elektroautos nutzt auch die Stadtverwaltung: Hausmeister fahren damit Post in die Verwaltungsstellen der Stadtteile. Und auch die Post selbst nutzt nun die E-Scooter. "Das bewährt sich auf Kurzstrecken", findet OB Albrecht. Was größere Distanzen anbelangt, hat der Rathauschef noch Bedenken.

Ladesäulen: Ein paar gibt es bereits: Auf der Autobahnraststätte Kraichgau, beim Auto- und Technik-Museum, an der Badewelt. Das Rathaus bietet eine Schuko-Steckdose, die während der Öffnungszeiten genutzt werden kann. Laut OB Albrecht sollen aber weitere Ladestationen hinzukommen, unter anderem im Parkhaus Grabengasse. Am Freibad seien E-Bike-Ladestationen denkbar.

Schnellladestationen: Soll es demnächst auch weitere geben, ganz ähnlich einer konventionellen Tankstelle. "Wir sind da gerade in Gesprächen mit größeren Anbietern, um Kontakte herzustellen", berichtet der OB. Sinnvoll sei dies an Standorten mit viel Publikumsverkehr, beispielsweise am Auto- und Technik-Museum oder der Badewelt. Auch an der Klima-Arena soll es Ladestationen geben.

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Hemmnisse beim Ladenetz: Entscheidende Punkte sind laut Jörg Fürstenberger noch nicht vereinheitlicht: Unterschiedliche Stecker und verschiedene Bezahlsysteme machen es den Nutzern von Elektroautos manchmal schwer. Apps helfen bei der Suche nach Stationen, doch auch hier werden oft nicht alle angezeigt. Zudem fehlt bei manchen der Hinweis, ob die entsprechende Säule gerade frei ist. Laut OB können außerdem nicht überall Schnellladestationen errichtet werden, weil das vorgelagerte Stromnetz dies nicht ermöglicht.

Wer könnte Elektroautos nutzen? Unternehmen mit großem Fuhrpark und vergleichsweise geringer Fahrstrecke wären laut Alex Riederer Kandidaten, so zum Beispiel Pflegedienste. Hier lautet aber eine wichtige Frage: Wo werden die Fahrzeuge geladen?

Abgasmessungen: Der vermehrte Einsatz von Elektroautos würde nicht für weniger Verkehr und Stau in Sinsheim sorgen. Für weniger Abgase im Stadtgebiet aber schon. In Stuttgart wird immer wieder gemessen, wie rein die Luft ist. "Gab es so etwas auch schon einmal in Sinsheim?" fragte die RNZ den OB. "Nein", erklärte Albrecht, "wenn der Wunsch da ist, können wir das aber machen."

Alternativen wie Carsharing: Gibt es in Sinsheim momentan noch nicht. Anbietern fehlt zum Einstieg ein wichtiger Nutzer, der einen Grundumsatz generiert. "Die Stadt könnte sich doch hieran beteiligen", findet Anja Wirtherle. Der OB ist davon nicht überzeugt, die Stadt brauche keinen großen Fuhrpark: "Wir haben nur vier Dienstautos." Jörg Fürstenberger hält Carsharing aber für eine gute Ergänzung zum Elektroauto, beispielsweise für weitere Strecken.

Weitere Verbesserungsmöglichkeiten: "Die Zuganschlüsse in Steinsfurt und Hoffenheim müssen besser werden, damit Leute ihr Auto abschaffen oder teilen", betont Alex Riederer. Laut OB braucht es bei den S-Bahn-Verbindungen "mehr Verlässlichkeit".

Und das sagen die Bürger zur Frage: "Würden Sie ein Elektroauto kaufen?"

Von Akkuladung über Energiebilanz und Reichweite bis Zukunftsfähigkeit: Fünf Menschen aus dem Kraichgau, fünf Meinungen zur Elektromobilität - Von Tim Kegel

Udo Beck, Geschäftsführer, Reichartshausen: Ich fahre sehr gern E-Bike, bin schon lange Befürworter von E-Autos und hätte schon eins, wenn Reichweite und Lademöglichkeiten besser wären. Kaffeehäusern mit kostenloser Schnellladung und ähnlichen Ideen gehört die Zukunft. Ich kann verstehen, dass Elon Musk von "Tesla" seine Patente im Internet veröffentlicht. Er macht das, um zu zeigen, was möglich ist, für den Fall, dass andere sein Unternehmen aufkaufen. Dann kann nicht mehr alles einfach so wieder in der Schublade verschwinden. Ewig lang hieß es ja auch, Raketen könnte man nicht zur Landung bringen - Elon Musks Entwickler haben gezeigt, dass es doch geht. Ich bin überzeugt davon, dass die Technik schon viel weiter ist, als man es uns sagt.

Günter Klauzar, Informationselektroniker, Aglasterhausen: Eigentlich sind Verbrenner Dinosaurier, etwas aus der Steinzeit. Der Wartungsgrad und das gesamte Konzept sind bei Elektrofahrzeugen viel effizienter. Das Drehmoment ist besser, die Geräuschkulisse und der Fahrkomfort sind besser, ich hab’s vor einiger Zeit ausprobiert und bin begeistert. Wenn der Preis stimmen würde und man einen Akku mit entsprechender Reichweite hätte, würde ich umsteigen. 500 Kilometer weit müsste man mit einem E-Mobil mindestens kommen, eine Akkuladung sollte in einer halben Stunde möglich sein. Dann wäre die Technik konkurrenzfähig. Ich bin der Ansicht, dass E-Mobilität mittelfristig ein Muss ist.

Ilse Bentler, Sprachförderkraft, Sinsheim: Ich fahre konventionell Fahrrad, ohne zusätzlichen Motor, und das recht viel und auch als Sport. Aber Elektroräder gehören gefördert. Sie sind längst nicht nur für Leute sinnvoll, die ein Handicap haben, sondern etwas für alle und jede Generation. Außerdem wären Elektroräder im Stadtverkehr eine echte Alternative. Man könnte sie als eine Art Zweitauto nutzen. Zumal der Entwicklungsstand fantastisch ist. Da hat sich in den letzten Jahren technisch und beim Design sehr viel getan. Ein Elektroauto käme für mich dann in Betracht, wenn ich mir einen neuen Wagen anschaffen müsste. Allerdings sind sie mir noch zu teuer für das, was sie leisten.

Harald Blum, Sozialpädagoge, Sinsheim: Natürlich bin ich ein Befürworter von Elektromobilität. Dass das kommen muss, kann man kaum leugnen; oder zumindest eine drastische Verminderung des Kohlendioxidausstoßes. Allerdings würde mich die Energiebilanz interessieren. Ob diese günstig oder ungünstig ausfällt, sobald man sich die Produktion von Batterien, Akkus und anderen verbauten Materialien mal genauer anschaut, darüber weiß man zu wenig. Sollte es so sein, müsste man das Thema noch mal genauer betrachten. Aber grundsätzlich bekommt das bei mir Vorschusslorbeeren. Das ist aber bei vielen so - und trotzdem steigen sie nicht um. Ich bin’s ja auch noch nicht. Da hat die Gesellschaft manchmal schon ein bisschen eine schizophrene Haltung.

Bruno Reinwald, Nachrichtentechniker, Rohrbach: Dass das die Zukunft ist, ist klar. Allerdings ist vielen, mir auch, die Anschaffung noch zu unsicher. Man weiß zu wenig Genaues darüber, ob es Zuschüsse gibt, wie der Steuersatz ist, ob es dann anstelle von Kubikzentimetern um Kilowatt geht. Oder zu Themen wie Wartung, TÜV - solche Geschichten. Zudem finde ich die Modellpalette etwas dünn. Ja, es gibt da ein paar nette sportliche Autos - aber was kosten die? 60.000 Euro? Außerdem frage ich mich, warum man nicht Dinge normt: Warum kann man das nicht mit einem Kabel, das überall gleich ist, mal schnell an der Steckdose laden? Deshalb: Grundsätzlich ja - aber es müsste eine gute Aufklärungskampagne gefahren werden. Mit E-Bikes hab’ ich’s nicht. Ich fahre Motorrad. Fotos: T. Kegel

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