Händler setzen auf Schaufenster-Shopping und "Call and collect"
Mehrere Läden in der Kernstadt bieten "call and collect" an und haben damit unterschiedliche Erfahrungen gemacht

Von Falk-Stéphane Dezort
Bad Rappenau. Was vor zehn bis 20 Jahren, als die Innenstädte auch ohne Corona noch nicht mit dem immer größer werdenden Versandhandel zu kämpfen hatten, bei zahlreichen Paaren und Familien jeden Sonntag auf dem Programm stand, ist für viele Händler jetzt die einzige Möglichkeit, in der Pandemie überhaupt etwas Geld in die Kassen zu spülen: das Schaufenster-Shopping.
Das Modehaus Bauer in der Innenstadt hat dafür seine großräumige Schaufenster-Zeile komplett umgestaltet. Beim Bummeln können sich Spaziergänger die verschiedensten Modestücke, von Jacken, über Pullover und Hosen, bis hin zu Schuhen, ansehen. Wenn ihnen etwas gefällt, notieren sie sich die Nummer der Schaufenster-Figur oder fotografieren sie und rufen in der Filiale an. Dort wird die Ware zur Abholung vorbereitet. Und wer erst anprobieren möchte, kann das neue Kleidungsstück eine Woche lang zur Anprobe mit nach Hause nehmen. "Es läuft überraschend gut", sagt Inhaber Frank Bauer. Trotz üblem Wetter in den vergangenen Tagen seien einige Spaziergänger unterwegs. Rund 15 Kunden bedient Bauer auf diese Weise täglich. "Am Montag haben die Leute vormittags im Halbstundentakt ihre Sachen abgeholt."
Aber er betont auch, dass die Umsätze "nur ein Tropfen auf dem heißen Stein" sind. Mit dem sogenannten "call and collect" erzielt Bauer nur zwischen zehn und 15 Prozent des normalen Umsatzes. "Aber es ist Bewegung da." Vor allem die Stammkunden halten dem Traditionsgeschäft die Treue. Das Altersspektrum sei dabei breit gefächert. Entgegen der Vermutung kaufen nicht nur Senioren auf diese Weise im Modehaus ein. Sondern auch Jüngere, denen man eher einen Hang zum Online-Shopping zuschreiben würde, bestellten lokal. Grund dafür könnte auch sein, dass das Modehaus seinen Auftritt in den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram hochgefahren hat.
Ein Online-Shop kommt für Bauer aber nicht infrage. "Das ist ein riesen Aufwand – finanziell wie zeitlich. Das stellt sich jeder einfach vor. Selbst die großen Modehäuser erzielen damit nur 15 Prozent ihres Umsatzes."
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Aber das Modehaus ist nicht der einzige Laden im kurstädtischen Zentrum, der unter Pandemie-Bedingungen geöffnet hat. Auch das Juweliergeschäft "Brettschneider" ist weiterhin für seine Kunden da. Analog zu Bauer können auch hier Interessierte ihre Schmuckstücke im Schaufenster anschauen und dann per Telefon bestellen. Ebenso ist telefonisch auf Nachfrage auch eine Beratung möglich. "Wir haben sehr viel Auswahl im Fenster. Es ist kein Problem, etwas zu finden", sagt Katherina Brettschneider. "Wenn jemand anruft, machen wir einen Beleg fertig und geben die Waren an der Tür raus."
"Aktuell machen wir Inventur und sind dann sowieso im Geschäft", ergänzt Rainer Brettschneider. "Dann können wir das auch anbieten." Allerdings werde das Angebot momentan kaum angenommen. Und auch in der Werkstatt, die im ersten Lockdown noch gut frequentiert war, gehen die Aufträge stetig zurück, sagt Rainer Brettschneider.
Allerdings seien die Einnahmen nur "ein Bruchteil von dem, was man bräuchte", sagen die beiden. "Uns fehlt das Weihnachtsgeschäft. Unsere Ernte sozusagen." Die Existenz des Juweliergeschäfts sei trotz der anhaltenden Pandemie "glücklicherweise nicht" bedroht. "Uns gibt es seit 70 Jahren. Es ist ein Vorteil, wenn man keine Miete oder als neu eröffnetes Geschäft keine Kredite zurückzahlen muss."
Auch im "1000 kleine Dinge"-Laden, der kürzlich in die Ladenzeile der ehemaligen Sport-Ecke umgezogen ist, setzt man auf den "Strohhalm" call and collect. Feste Öffnungszeiten gibt es aber nicht. "Ich bin den ganzen Tag hier", sagt Tamara Bullmann. Aktuell sind die Inhaberin und ihr Team mit dem Einräumen beschäftigt. Doch für sie wäre eine "kleine Lockerung der Verordnungen" besonders wichtig. Gerade weil man in neuen Räumlichkeiten beheimatet ist, wollen man sich gerne den Kunden präsentieren.
Bis es so weit ist, müssen Gäste ihre Bestellung am Telefon abgeben. Aber sie schicke auch niemanden weg, wenn man am Geschäft anklopfe und eben einen Hefter oder Büroklammern kaufen wollen. Vor allem ältere Spaziergänger seien froh, wenn sie beim Vorbeilaufen kurz ihren Einkauf tätigen könnten.
Aber auch bei Bullmann sind die Einnahmen der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Sie ärgert vor allem, "dass große Läden alles anbieten und Neues ins Sortiment nehmen dürfen. Und die kleinen Läden geraten dabei in Vergessenheit". Zudem sei sie vor Corona mit ihren Waren auch regelmäßig auf Jahrmärkten unterwegs gewesen. In ihren Augen könnte man einen Krämermarkt unter den gleichen Vorgaben wie einen grünen Wochenmarkt veranstalten. Das würde das Leid der zahlreichen Schausteller zumindest geringfügig mildern.
Übrigens: Der neue "Naturata"-Bio-Markt, der in die ehemalige Geschäftszeile des "1000 kleine Dinge"-Ladens einzieht, soll im kommenden Mai eröffnet werden. Das geht aus einer Stellenanzeige, die jüngst im Amtsblatt geschaltet wurde, hervor.



