Bad Rappenau

Der "singende Chefarzt" der Kraichgau-Klinik ist bald keiner mehr

Dr. Peter Trunzer verlässt nach fast 31 Jahren die Kraichgau-Klinik, um das nachzuholen, was bislang oft zu kurz gekommen ist.

23.12.2021 UPDATE: 25.12.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Chefarzt Dr. Peter Trunzer hört zum Jahresende an der Kraichgau-Klinik auf. Die stellvertretende Therapieleiterin Susan Hartlieb, die Kaufmännische Direktion Regina Demmel und Pflegedienstleiterin Bianca Ederle (v.l.) dankten ihm für seine engagierte Arbeit. Foto: privat

Von Armin Guzy

Bad Rappenau. Das Büro ist bereits halb ausgeräumt, viele Hände hat er in den zurückliegenden Tagen geschüttelt, viele Kollegen zum Abschied fest gedrückt. Noch stehen Nachtschichten an, aber die kommende Woche wird die letzte sein, an der Peter Trunzer an seinen Arbeitsplatz in der Kraichgau-Klinik anzutreffen ist. Nach 31 Jahren, viele davon als Chefarzt der Rheumatologie und Onkologie, kehrt der 62-Jährige "seiner" Klinik, in der er so vieles bewegt hat, den Rücken. Warum? "Zeitsouveränität zu gewinnen, ist meine größte Motivation", sagt er. Vorher aber wird er noch gemeinsam mit Pfarrer Jürgen Steinbach einen Gottesdienst mitgestalten, für all jene Patienten, die die Weihnachtstage nicht zu Hause verbringen können. Die Gitarre liegt schon griffbereit, und seine Stimme hat er ohnehin immer dabei.

An diese Stimme können sich Zigtausende erinnern. Mit ihr hat er gute und schlechte Diagnosen überbracht, hat Patienten und Angehörigen Trost gespendet, hat sie mit seinem Gesang, seinen humorvollen Liedern, seine kabarettistischen Einlagen unterhalten und sie damit zumindest für ein paar Stunden von dem abgelenkt, was auf einer Krebsnachsorgestation immer gewärtig ist: die Angst vor dem Tod. Aber er hat auch mit vielen gefeiert, die der tückischen Krankheit ein Schnippchen geschlagen haben. Und er weiß ganz genau, wie sich das im Inneren anfühlt, spätestens, seit er den Tumor im eigenen Körper besiegt hat, und, dass "ein Trauma bleibt". Die Angst ist bei den wenigsten Genesenen endgültig überwunden.

Trunzer hat dieser Angst den Kampf angesagt, hat erst eine Selbsthilfegruppe für Männer nach Krebs gegründet und betreut, später eine für Frauen. Hinzu kommen Gruppen für Betroffene von Fibromyalgie und Schmerzerkrankungen – sein Engagement ging weit über seine eigentliche Tätigkeit als Arzt hinaus. Er hat – nachdem er seine Leidenschaft fürs Fotografieren entdeckt hatte – großformatige Schwarz-Weiß-Aktfotos von zehn Krebspatienten gemacht, die später als Ausstellung "Ganze Kerle – mannsbilder über leben krebs", durch die Republik reiste. Die Bilder haben seit Jahren einen festen Platz in der Kraichgauklinik: "Sie bleiben auch nach meinem Abschied hängen."

Frustriert über die Medizin sei er nicht, sagt Trunzer. Patienten auf dem Weg der Besserung aktiv begleiten zu dürfen, das sei eine besondere Bereicherung, und die Zusammenarbeit mit motivierten und kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, "von denen viele zu Freunden geworden sind", ein besonderer Genuss.

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Nun aber möchte er nach Jahrzehnten, in denen sein Leben oft "in ganz enge Zeitraster" gepresst war, frei sein, für andere Dinge. "Vieles ist zu kurz gekommen", räumt der gebürtige Kirchardter ein, "vor allem Familie und Freunde." Das "völlig sinnfreie" Traktorfahren mit Freunden, und dann zusammen mit der Klapfe am Lagerfeuer sitzen: "Vieles musste ich mir zeitlich aus den Rippen schneiden." Das habe ihn schon immer sehr gestört.

Bei seinen vielen Aktivitäten wird Trunzers Leben wohl dennoch weiterhin getaktet bleiben, aber bald bestimmt er den Takt eben selbst. Sein Kreistagsmandat für die SPD will er aber behalten, vielleicht sogar "sozialpolitisch noch mehr machen", sich, als bekennender Antifaschist, vielleicht auch noch etwas stärker beim Freundeskreis Synagoge Heinsheim einbringen, vor allem aber der in ihm brodelnden Kreativität freien Lauf lassen. Eine neue Kamera hat er schon, derzeit versucht er sich an Eric Claptons gefühlvoll-traurigem Lied "Tears in Heaven" – und voraussichtlich im Januar kommt sein neues Buch heraus: Ein historischer Roman, der in Kirchardt des vergangenen Jahrhunderts spielt. Drei Handlungsebenen hat er auf fast 400 Seiten verwoben, vorher viel recherchiert. Das Buch habe auch eine gewisse Brisanz, verrät er. Lange hat er daran geschrieben, manchmal in den seltenen freien Minuten, wenn es im Nachtdienst ruhig war. Auch das Schreiben kann sich der "singende Chefarzt", der in wenigen Tagen ein Ex-Chefarzt sein wird, nun besser einteilen. Dennoch: "Ich habe mich sehr gerne in der Kraichgau-Klinik engagiert."

Dort werden ihn viele vermissen: Der Spezialist auf dem Gebiet der Schmerztherapie und der onkologischen Rehabilitation wurde vom Mitarbeiterteam, den Patienten und in der ganzen Region sehr geschätzt. Trunzer hat viele junge Mediziner im Bereich der Inneren Medizin und der speziellen Schmerztherapie weitergebildet, war seit fast zwei Jahren auch mit Long-Covid-Patienten befasst, hat in den vielen Jahren zahlreiche Konzepte für die Kraichgau-Klinik mitentwickelt und die Vernetzung in der Region vorangetrieben und zur guten Atmosphäre im Haus beigetragen – eine Atmosphäre, die wohl auch Trunzer, trotz der neu gewonnenen Freiheiten, mitunter vermissen wird.

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