Sinsheim

Tierheim sieht die geplante Gassi-Geh-Vorschrift skeptisch

Wird Gassi gehen bald in Paragrafen festgeschrieben?

28.08.2020 UPDATE: 29.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden
Familie Becker möchte sich einen Hund anschaffen. Gassigehen mit einem Vierbeiner aus dem Tierheim ist eine gute Übung, um herauszufinden, ob die Rasse passt. Foto: C. Barth

Von Christiane Barth

Sinsheim. Hunde haben Bedürfnisse. Und bald wahrscheinlich weitere Rechte. Wenn es nach der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner geht, soll das Bedürfnis der Vierbeiner in einem Gesetz verankert werden: Demnach sollen Hundehalter künftig mindestens zwei Mal am Tag für den Auslauf von Bello sorgen müssen. Dieser weiß zwar noch nichts von seinem Glück, dürfte aber möglicherweise bald freudig hecheln ob der neuen Vorschriften, die seine Bedürfnisse möglicherweise im nächsten Jahr juristisch verankern. Oder etwa nicht?

Gabriele Strobel-Maus, die Leiterin des Sinsheimer Tierheims, hält sich mit einer Einschätzung über Sinn und Zweck des geplanten Gesetzes sowie der Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung zurück – und bleibt gelassen: "Das ist alles ja noch gar nicht aktuell. Ich schenke diesem Gassi-Gesetz noch überhaupt keine Beachtung." Ausreichend Auslauf für Hunde sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, meint die Tierheimleiterin. Dass dies jedoch eben oft nicht der Fall ist, weiß sie nur zu gut. Doch: "Wer will das bloß kontrollieren?"

Fakt ist: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat den neuen Verordnungsentwurf, der unter anderem regulieren soll, wie lange Hundehalter den "besten Freund des Menschen" am Tag ausführen müssen, bereits fertig in der Schublade. Damit will die Bundesregierung den Tierschutz weiter verbessern. Denn dass Hunde auch bei Wind und Wetter raus müssen, ist eigentlich klar. Es wird jedoch beileibe nicht immer so konsequent berücksichtigt, wie von Tierliebhabern gewünscht.

Strobel-Maus sieht die Marschrichtung der Landwirtschaftsministerin etwas differenzierter. Die einheitliche Regelung für alle Familienhunde sei ihrer Ansicht nach wenig praxisnah und kaum zu kontrollieren. Alte Hunde etwa hätten oft gar große Schwierigkeiten, zwei Stunden Gassi durchzustehen. Ihr eigener Hund etwa sei 14 Jahre alt und müsse im Hunde-Buggy ausgeführt werden. "Anders schafft der das nicht mehr." Zudem befürchte sie, dass die Zwietracht unter Bürgern Fahrt aufnehmen und Nachbarschaftsstreitigkeiten sich künftig häufen könnten. Mit solch einem Gesetz fordere man doch heraus, dass sich die Menschen misstrauisch beobachten oder geradezu observierten, meint Strobel-Maus.

Auch interessant
Tierquälerei: Hunde in Teetassen - niedlicher Trend oder Tierquälerei?
Kampfhunde-Attacke in Leimen: Gericht verhandelt am Dienstag

Bei aller Skepsis halte sie das geplante Gassi-Gesetz in einem Fall jedoch für angebracht: "Für Zwingerhunde wäre diese Regelung sehr gut." Denn für Tiere, die viele Stunden am Tag hinter Gitter verbringen, seien zwei Stunden Auslauf doch das Mindeste. Auch im Sinsheimer Tierheim werden Hunde im Zwinger gehalten, doch hätten diese ebenso auch viel Freilauf auf dem Gelände und würden von den Gassi-Gehern, Besuchern also, die sich eines Tieres annehmen und es regelmäßig ausführen, zuverlässig abgeholt.

Momentan beherbergt das Tierheim 16 Hunde, vier weitere sind auf Pflegeplätzen untergebracht. Wer sich einen Hund anschaffen möchte, sollte sich dies gut überlegen, rät die Tierheimleiterin, die sich einen sogenannten "Hundeführerschein" viel eher wünscht als ein Gassi-Gesetz. Mit einem Kurs, der den künftigen Halter auf das Wesen seines Haustieres vorbereite, könne möglicherweise viel eher vermieden werden, dass Hunde leiden – und oft das Herrchen mit. Viele, die sich einen Hund holen, machten den Fehler, "sich nicht rechtzeitig mit dem speziellen Charakter der Rasse vertraut zu machen", weiß Strobel-Maus.

Unterdessen leidet die Einrichtung unter ganz anderen Regeln: nämlich den Corona-Hygienemaßnahmen. Das Tierheim, das in anderen Jahren während der Urlaubszeit in der Regel viele traurige Schicksale von Vierbeinern zu "verarzten" hat und meist an der Kapazitätsgrenze kratzt, ist in diesem Jahr nicht ganz so voll wie sonst. "Von Urlaubszeit kann man ja in diesem Jahr nicht sprechen", meint Strobel-Maus. Doch die Corona-Krise macht den Mitarbeitern weiterhin zu schaffen. Denn für Besucher bleibt das Tierheim weiterhin geschlossen. Wer sich für ein Tier interessiert, muss auf einen Termin warten. "Dass die Leute nicht kommen dürfen wie sonst, ist schon ein großes Problem", gesteht die Leiterin. Die Terminorganisation sei darüber hinaus sehr aufwendig und mühsam. Sie berichtet: "Viele sagen zu und kommen dann doch nicht, das ist alles sehr schwierig. Ich bin froh, wenn wieder Normalität einkehrt."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.