Tierquälerei oder doch Faulenzen am Planschbecken?
Aktionsbündnis plant Mahnwachen gegen die Tiger-Nummer bei Zirkus Weisheit - Veterinäramt hat keine Beanstandungen

Mit "Bavati" kann Sascha Prehn am besten. Sie gibt die Schmusekatze, während die beiden anderen Artgenossen eher skeptisch zuschauen. Foto: Günther Keller
Von Günther Keller
Sinsheim. Der Stempel des Veterinäramts ist fast schon Formsache. "Alles okay" signalisiert auch der jüngste behördliche Eintrag im Bestandsbuch von Tierdompteur Sascha Prehn. Weder gab es am Zustand der vier Amur-Tiger irgendetwas zu bemängeln, noch boten Unterbringung und Auslauf Anlass zur Kritik. Gestern ließen sich Bavati, Shiva, Sahib und Jill die herbstliche Sonne aufs gestreifte Fell scheinen. Eine Wiese in der Carl-Benz-Straße, also einen Steinwurf weg vom "Fressnapf", dem Nahrungsmittellieferanten ihrer domestizierten Artgenossen, ist bis kommenden Sonntag ihr Zuhause. Auf dem Gras liegen Stroh, ein paar angekaute Spielbälle; ein Poolbecken wartet noch auf die Befüllung. "Tiger gehen gerne ins Wasser", sagt Sascha Prehn.
Also alles paletti beim Circus Manuel Weisheit? Tierquälerei, schmerzhafte Dressuren, zu enge Käfige - das sind Stichworte, die dem Sinsheimer Oliver Mühling in den Kopf kommen, wenn er an die Tierhaltung in Zirkussen denkt. Mühling ist passionierter Tierschützer, hat gegen das in Sinsheim geplante Hai-Aquarium ebenso protestiert wie gegen das Reitturnier zum Fohlenmarkt. "Nein zu Zirkussen mit Tieren in Sinsheim und dem Rest der Welt" heißt eine Aktion, bei der ab heute zum Protest gegen die Tiger-Nummer unter der Zeltkuppel aufgerufen wird. Damit soll verdeutlicht werden, "dass die Tiere im Zirkus Gefangene sind, die dazu gezwungen werden, unnatürliche und oft sogar schmerzvolle Darbietungen zu erbringen, die einige Menschen Unterhaltung nennen". Mühling und seine Mitstreiter kämpfen für ein gesetzliches Verbot von Tiervorführungen, die grundsätzlich nicht artgerecht sein könnten. Unterstützung kam inzwischen von mehreren überregionalen Tierschutzorganisationen.
Der Aufruf zu Mahnwachen am "Skandalzirkus Weisheit" wird veranschaulicht mit einer Filmsequenz, in der ein Tiger unruhig durch einen etwa zwei Quadratmeter großen Käfig streift. Das Video wurde unzweideutig bei Weisheit aufgenommen, und Sascha Prehn streitet das erst gar nicht ab. Allerdings zeige der Mitschnitt nur den Transportkäfig, der zur Sicherheit des Tieres wie bei Hunden oder Pferden eng sein müsse. Am Zielstandort hätten die Raubkatzen viel mehr Platz. In Sinsheim stünden 140 Quadratmeter als Auslauf zur Verfügung: "Doppelt so viel wie verlangt." Überdies, so Prehn, sei der Bewegungsdrang bei Tigern naturgemäß nicht sehr ausgeprägt: "Die Tiere sind 18 bis 20 Stunden am Tag im Energiesparmodus".
Für das Aktionsbündnis, das die Mahnwachen organisiert, ist Prehns Darstellung bloße Schutzbehauptung: Es könne keine Begründung dafür geben, Tiere willkürlich in Gefangenschaft zu halten. "Es ist so furchtbar, diese wunderbaren Tiere so zu sehen", heißt es in einem Eintrag auf der Facebook-Seite der Initiative. Ein weiterer Stein des Anstoßes: Auch an Sinsheimer Schulen soll für den Zirkus geworben worden sein. Damit werde die Einrichtung Schule als "werbefreier geschützter Raum" verletzt, heißt es.
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Sascha Prehn ist von den Mahnwachen, die inzwischen zu seinem Geschäft ebenso gehören wie der Beifall in der Manage, nur noch genervt: "Ich kann’s nicht mehr hören". Der 37-Jährige sieht sich selbst als Tierfreund, war schon als Kind von Raubtieren fasziniert. Seine Tiger seien mit Menschen aufgewachsen, "die kennen kein anderes Leben."
Info: Die Mahnwachen sind heute und morgen von 15 bis 18 Uhr, am Samstag ab 13 Uhr und am Sonntag 13 bis 16 Uhr angekündigt. Zirkusvorstellungen sind heute und morgen jeweils um 17 Uhr, am Samstag um 15 und 19 Uhr sowie am Sonntag um 15 Uhr.