Walldorf bekommt seine erste Fahrradstraße
Der Gemeinderat hat die Umwidmung der Kurpfalzstraße beschlossen. Künftig haben die Zweiräder auf dieser Strecke Vorrang.

Von Timo Teufert
Walldorf. Während in Wiesloch noch über die verschiedenen Maßnahmen des geplanten Radverkehrskonzeptes diskutiert wird, ist die Nachbarstadt schon einen Schritt weiter: In Walldorf hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung den Weg für die erste Fahrradstraße der Stadt frei gemacht, nachdem das Radverkehrskonzept Ende Mai verabschiedet wurde. Auf der Kurpfalzstraße – zwischen Schulzentrum und dem Stadtzentrum – werden in Zukunft die Fahrradfahrer Vorrang haben. Bei einer Gegenstimme wurde der Vorschlag beschlossen.
"Die Kurpfalzstraße nimmt insbesondere für den Schulradverkehr eine übergeordnete Netzfunktion ein", heißt es in der Verwaltungsvorlage. Die Stadt nimmt an, dass auf dieser Route der Anteil der Radfahrer am Gesamtverkehrsaufkommen bei 60 bis 65 Prozent liegt. Vor allem in der Zeit zwischen sieben und acht Uhr am Morgen sowie zwischen zwölf und 13 Uhr am Mittag könne man die Spitzen im Radverkehr sehen. "Tatsächlich wird die Kurpfalzstraße zu diesen Uhrzeiten bereits im Sinne einer Fahrradstraße von den Schülerinnen und Schülern genutzt, indem häufig im Pulk nebeneinander gefahren wird", heißt es in der Vorlage weiter. Auf einer Fahrradstraße ist dies ausdrücklich erlaubt, für Autos – sofern sie zugelassen sind – gilt Tempo 30 und sie dürfen den Radverkehr weder gefährden noch behindern.
Bürgermeister Matthias Renschler sieht die Fahrradstraße als Leuchtturm-Projekt an. Mehr für den Radverkehr zu tun, sei in der heutigen Zeit und vor dem Hintergrund des Radverkehrskonzepts eine sehr wichtige Aufgabe. Die Planungen der Stadt für die Ausgestaltung der Straße orientieren sich stark an der Musterlösung des Landes für solche Straßen, erläuterte Stadtbaumeister Andreas Tisch. Um alle Verkehrsteilnehmer auf die besondere Art der Straße aufmerksam zu machen, wird der Asphalt an den Kreuzungen und am Beginn der neuen Straße rot markiert. Zudem werden große "Fahrradstraße"-Piktogramme auf die Fahrbahn aufgebracht und die Beschilderung entsprechend angepasst.

Auf der knapp einen Kilometer langen Strecke gibt es 13 Kreuzungen, an denen die Vorfahrtsregelungen zugunsten der Radfahrer geändert werden. "Die Zahl der Kreuzungen sind beachtlich, aber durchaus machbar", so Tisch. Im Bestand ist die Straße derzeit zehn Meter breit, jeweils 1,5 Meter entfallen auf die Gehwege, zwei Meter für den Parkstreifen und fünf Meter für die Fahrbahn. "Künftig wird es wechselnde Parkstände und eine ,Dooring-Zone’, einen Sicherheitsstreifen, geben", erläuterte Tisch. Dieser 75 Zentimeter breite Sicherheitsbereich trennt die Parkplätze von der Fahrbahn und soll die Fahrradfahrer vor unachtsam geöffneten Autotüren schützen.
Auf der Fahrbahn bleibt so viel Platz, dass sich zwei nebeneinander fahrende Radfahrer und ein entgegenkommender Radler begegnen können. Leider schaffe man es vom Platz her nicht, das Nebeneinander-Fahren in beide Richtungen gleichzeitig zu ermöglichen. "Aber mit den Schulen haben wir eher einen Einrichtungsverkehr: morgens hin, mittags zurück", so Tisch. Die Straße werde als Anliegerstraße ausgewiesen, so dass die Anwohner auch weiterhin zu ihren Grundstücken kämen.
Die Umgestaltung der Kurpfalzstraße zur Fahrradstraße ist für die CDU-Fraktion ein wesentliches Element des Radverkehrskonzeptes, betonte ihr Vorsitzender Mathias Pütz. Nachdem seine Fraktion das Volumen und den Aufwand des gesamten Konzeptes in Teilen auch kritisch bewerte, "erachten wir die Fahrradstraße Kurpfalzstraße als absolut verhältnismäßiges Unterfangen, dem Radverkehr in unserer stark motorisierten Stadt ein mustergültiges und vielleicht auch zukunftsweisendes Refugium einzurichten", so Pütz.
Insbesondere der parallele Verlauf zur Schwetzinger Straße dürfte die Attraktivität der Route für den Schüler- und Pendlerverkehr erhöhen. Für die Gestaltung wünschten sich die Christdemokraten aber eine durchgängige Färbung der Fahrbahn. Kreuzungs- und potenzielle Unfallschwerpunkte wie die Kreuzung zur Rennbahnstraße müssten deutlich gekennzeichnet werden.
"Wir legen heute den Grundstein für ein fahrradfreundliches Walldorf", freute sich Petra Wahl (SPD). Man müsse neue Wege einschlagen, mit der Zeit gehen, mutig sein und bequeme Gewohnheiten durchbrechen. "Das Projekt ist zukunftsweisend und wird ein konfliktarmes und zügiges Vorankommen der Fahrradfahrer ermöglichen und die Dannheckerstraße und Schwetzinger Straße entlasten", ist Wahl überzeugt. Ihre Fraktion sprach sich für die Einfärbung der Fahrbahn in den Kreuzungsbereichen aus.
Weil der SPD alle Verkehrsarten am Herzen liegen, soll die Verwaltung zügig das Konzept bei den Anwohnern kommunizieren. "An den Kreuzungen Rennbahnstraße und Rheinstraße sollte bei der Umstellung besonderes Augenmerk auf die Sicherheit der Radfahrer gelegt werden", unterstrich Wahl. Man sehe hier das Ordnungsamt in der Pflicht, die Einhaltung der neuen Regeln zu kontrollieren.
"Mindestens da, wo Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist, muss diesem zwingend auch ein Vorrecht eingeräumt werden", ist Grünen-Stadtrat Manfred Wolf überzeugt. Somit sei es nur folgerichtig, die Kurpfalzstraße als Fahrradstraße auszuweisen. Schon lange sei sie als Schulradweg im Schulwegeplan verzeichnet, dieser sei aber zu wenig im Bewusstsein der Bevölkerung verankert. "Radfahrende Schülerinnen und Schüler von heute sind Walldorfs Verkehrsteilnehmer der Zukunft", so Wolf. Wenn sie erführen, dass diese Verkehrsart auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz sicher und zunehmend gleichwertig behandelt werde, stünden die Chancen gut, dass das Zweirad auch im späteren Leben einen großen Platz im individuellen Mobilitätsmix finden werde.
Er regte an, auch die Straße "Am Waldschwimmbad" als Fahrradstraße in den Blick zu nehmen, da sich dort der Schulradverkehr aus dem Walldorfer Osten in Richtung Schulzentrum bündele. Den Markierungen an den Kreuzungen stimme man zu: "Wir rollen den Fahrradfahrenden sinnbildlich den roten Teppich aus und signalisieren damit allen anderen, welche Verkehrsart Vorrang auf der Straße und an den Kreuzungen hat."
Fast 2000 Schülerinnen und Schüler werden am Schulzentrum betreut, von denen viele das Fahrrad nutzten, um zur Schule zu kommen. Die Straße eigene sich deshalb ganz besonders als Fahrradstraße, so Dagmar Criegee (FDP). "Wir wollen den Versuch der Ausweisung wagen, um Radfahrern einen relativ gefahrlosen Bewegungsraum zu bieten." Ihre Fraktion unterstütze auch die "Dooring-Zone" und wünsche sich, dass der Kommunale Ordnungsdienst kontrolliere, dass Fahrzeuge korrekt in den markierten Bereichen parkten. Um einen Schilderwald zu vermeiden, schlug Criegee vor, statt Tempo 30-Schildern Piktogramme auf der Straße aufzubringen.
Nur ein Stadtrat stimmte gegen die Fahrradstraße: Gerhard Baldes hat Sicherheitsbedenken. Die Priorisierung sei unnötig, da es kaum Konflikte zwischen Fahrradfahrern und Autos gebe. Er sieht insbesondere die Kreuzung mit der Rennbahnstraße als Gefahrenquelle, weil die einzige große Ost-West-Verbindung im Norden Walldorfs auch von vielen Nicht-Ortskundigen befahren werde. Gefährlich sei, dass den Radfahrern mit der Markierung signalisiert würde, sie seien auf einer Vorfahrtsstraße. "Für mich ist die bestehende Regelung, wo alle aufeinander aufpassen müssen, besser und sicherer", so Baldes.